Propagandakrieg im kubanischen Äther

Kritische Berichterstattung ist auf beiden Seiten nicht gefragt

Über der Straße von Florida tobt seit über zwanzig Jahren ein Propagandakrieg. Mit allerlei technischen Finessen versuchen die USA die „Informationsblockade“ der kubanischen Regierung zu brechen. In Kuba interessiert das nur noch wenige, denn die Sender aus Miami berichten überaus einseitig.

„El Periodico Grampa“„ heißt eine der Sendungen von Televisión Martí in Anlehnung an die Zeitung der kommunistischen Partei Kubas Granma. Und die „Nachrichten vom Chef“ sind ein anderes Format in dem sich der US-amerikanische Sender mit dem spanischen Namen über die kubanische Regierung in Havanna lus­tig macht. Als satirische Sendungen will Pedro Roig, Direktor der US-Office of Cuba Broadcasting und damit der Chef von Radio und Fernsehen Martí, die beiden Fernsehformate verstanden wissen. Auf Kuba kämen sie gut an, dass hätten Anrufe bestätigt, so der Veteran der Invasion in der Schweinebucht.
Anrufe von der Insel sind für Roig auch der Beweis, dass sein Programm im Gegensatz zu früher ankommt. Seit Anfang August ist der 1990 gegründete und nach dem kubanischen Freiheitskämpfer José Martí benannte Fernsehsender im wahrsten Sinne des Wortes on air – von einem Flugzeug werden die Sendungen der in Miami ansässigen Redaktion ausgestrahlt. Täglich außer Sonntags steigt der Flieger in Key West auf und dreht seine Runden über der Straße von Florida, um die selbst ernannte „Stimme der Wahrheit“ nach Kuba zu schicken.

Jahrelang nur schwarz-weißes Geriesel auf der Mattscheibe

Mit dem Einsatz des High-Tech-Fliegers ist das Versprechen des Präsidenten, die Informationsblockade über Kuba zu brechen endlich eingelöst, so Roig. Lange hat es gedauert, denn die Kubaner waren äußerst erfolgreich dabei, das Sendesignal zu stören. Auf den Mattscheiben in Kuba war jahrelang nur ein schwarz-weißes Geriesel zu sehen. Als „teuersten Schnee der Welt“ hat der demokratische Senator Ron Wyden das im Frühjahr 2006 bezeichnet und die hohen Ausgaben aus dem Steuersäckel in Frage gestellt. Immerhin 37 Millionen US-Dollar aus Steuermitteln, davon zehn für den Propagandaflieger, lassen sich die US-Amerikaner ihr Informationsprogramm in diesem Jahr kosten. Insgesamt wurden seit 1985, dem Gründungsjahr der Radiostation Martí, 500 Millionen US-Dollar bewilligt. Ein beachtlicher Etat, der aber nicht immer nur zur Versorgung der Kubaner auf der Insel mit „exakten und aktuellen Informationen“, wie es der Sendeauftrag vorschreibt, ausgegeben wurde. So erhielten zehn einflussreiche Journalisten aus Miami ein zusätzliches Honorar aus dem Etat für ihre Teilnahme an Radio- und TV-Shows. Allein auf das Konto des bekannten Kolumnisten Pablo Alonso vom Miami Herald flossen seit 2001 rund 175.000 US-Dollar. Alonso wurde nach Bekanntwerden der Zahlungen Anfang September entlassen. Das „heilige Vertrauen“ zwischen Journalisten und Öffentlichkeit sei verletzt worden, klagte Herausgeber Jesús Díaz, der Anfang Oktober selbst zurücktreten musste. Nicht nur bei Radio und Televisón Martí wurde dieses Vertrauen in der Vergangenheit immer wieder arg strapaziert. Der 70jährige Alfredo Durán, ebenfalls Veteran der Invasion in der Schweinebucht, geißelt die Einseitigkeit des Programms: „Pure Propaganda und Geldverschwendung“ wirft der für den Dialog eintretende Exil-Kubaner den Verantwortlichen in Miami und Washington vor. Moderate Stimmen haben es bei Radio und TV Martí nicht leicht und dringen auch in Miamis Medienszene nicht ohne weiteres durch, klagt Julio Hernández. „Zwischen der extremen Rechten aus Miami und der kubanischen Regierung gibt es die eine oder andere Parallele. Beide Seiten feinden uns an und verweigern den Dialog“, so der internationale Sekretär der von Oswaldo Payá auf Kuba gegründeten Christlichen Befreiungsbewegung. Objektive, kritische Berichterstattung ist im Propagandakrieg zwischen den beiden Klassenfeinden nicht gefragt.

„Spinnennetze“ installiert

So ließ die kubanische Reaktion auf die jüngste mediale Offensive von Radio und TV Martí nicht lange auf sich warten. Da für den Empfang des Sendesignals des US-Propagandasenders eine Satellitenantenne nötig ist, sind die Beamten des kubanischen Innenministeriums seit Anfang August vermehrt mit Peilwagen unterwegs, um den illegalen Empfang zu unterbinden. „Spinnenetze werden die Nutzungsnetze von mehreren Haushalten genannt, die an einer Satellitenschüssel hängen“, so der unabhängige Journalist Iván García. Geschaut wird in seiner Nachbarschaft was es so gibt – CNN, Univisón, lateinamerikanische und spanische Sender. Und derzeit sind natürlich die neuesten Informationen über den Gesundheitszustand Fidel Castros besonders interessant. Und da haben ausländische Sender oftmals mehr zu bieten als Cubavisión und Co. Grund genug für die Regierung in Havanna gegen die laut Schätzungen von Dissidenten über 10.000 Satellitenantennen allein in Havanna vorzugehen. Geldstrafen von 30.000 Pesos, rund 1250 US-Dollar, und bis zu drei Jahren Gefängnis stehen auf den Empfang der feindlichen Kanäle. Denen fällt es jedoch auch zusehend schwerer an frische Infos zu kommen. So wurde mehreren deutschen Journalisten Anfang September die Einreise nach Kuba ohne Angabe von Gründen verweigert. Die Berichterstattung über den Gipfel der Blockfreien in Havanna fiel genauso ins Wasser wie die über den Gesundheitszustand des máximo líder Fidel Castro.

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