Sesam für Einwanderer mit geringen Sprachfertigkeiten
Seit drei Jahren gibt ein linkes Stockholmer Redaktionsteam eine Wochenzeitung für Einwanderer heraus. „Sesam“ informiert über Migrationspolitik und gibt Rat bei Ärger mit Behörden. Weil die Zeitung auf eine einfache Sprache achtet, ist sie für Viele die einzige brauchbare Informationsquelle.
Mit viel Idealismus und der Bereitschaft, aus knappen Ressourcen das Bestmögliche herauszuholen, versucht die Stockholmer Medienkooperative „fria tidningar“ (Freie Zeitungen), ein Problem der etablierten Presse zu beheben. Zwar wird in Schweden durchaus über Einwanderungspolitik, Asyl und multikulturelle Fragen berichtet; meist aber schreiben die Zeitungen an denen, die sich am meisten dafür interessieren könnten, vorbei. Die Schwedischkenntnisse vieler Migrantinnen und Migranten reichen nicht aus, sich mit Hilfe der großen Tageszeitungen zu informieren. Um daran etwas zu ändern, gibt „Fria Tidningar“ seit rund drei Jahren das Wochenblatt „Sesam“ heraus. Das Sesam-Team hält sich daran, auch schwierige Sachverhalte mit einfachen Worten auszudrücken und notwendigen Spezialwortschatz in Randspalten zu erläutern. Für viele Migranten ist Sesam damit die erste gut verständliche Zeitung im neuen Land. In Berührung kommen sie mit ihr meist in den Schulen, die in größeren Orten Sprachkurse für Einwanderer anbieten und die Zeitung abonniert haben. Viele Schwedischlehrer betrachten die Sesam-Lektüre als wichtige Ergänzung ihres Unterrichts.
Das Wochenblatt setzt auf für Einwanderer und Flüchtlinge besonders interessante Themen: Nicht nur Migrations- und Asylpolitik, sondern auch soziale Probleme, Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt oder im Bildungswesen. Daneben wird auch Ereignissen in Herkunftsländern von Migranten nachgegangen. In der Rubrik „Fragt uns“ versuchen Autoren, Einwanderern Fragen zu beantworten meist zu aufenthalts- oder sozialrechtlichen Themen. „Was passiert, wenn wir uns scheiden lassen?“ fragte eine Frau aus Thailand, besorgt darüber, ihr Aufenthaltsrecht zu verlieren, wenn sie ihrem schwedischen Ehemann den Rücken kehre.
Der Name „Sesam“ erinnert für Redakteurin Kerstin Loenberg an das Märchen von Ali Baba und den 40 Räubern und steht für das Ziel, den Lesern auch Zugang zu etwas Neuem und bisher Verschlossenen zu öffnen, wie der schwedischen Sprache, Politik und Gesellschaft. Loenberg legt jedoch Wert darauf, dabei nicht von oben herab, „wie ein Lehrbuch“, vorzugehen. „Wir wollen unterschiedliche Wege in die Gesellschaft aufzeigen und Meinungsvielfalt fördern“, sagt sie.
Oft beziehen Redakteure Stellung zu kontroversen Themen, etwa wenn sie die auch im Norden immer striktere Asylpolitik brandmarken. Auf zwei Seiten streiten Leser mitunter über die Rolle der Migrationsbehörde oder über das Tragen von Kopftüchern muslimischer Schülerinnen. Die „Interaktion zwischen Autoren und Lesern“ weiter zu verbessern sei wichtig, so Kerstin Loenberg. Dann werde Sesam nicht nur eine Zeitung für, sondern auch von Migranten sein.