Tödliche Recherche

Vier Journalisten binnen einer Woche in Mexiko ermordet

Mexiko gilt als gefährlichstes Land der westlichen Welt für Medienschaffende. Besonders brisant ist derzeit die Situation im Bundesstaat Veracruz. Dort starben binnen einer Woche vier Reporter.

Recherchieren unter dem Blick der Polizei -Reporter bei der arbeit in einem Mordfall in Ciudad Juàrez (Mexiko) Foto: Knut Henkel
Recherchieren unter dem Blick der Polizei -Reporter bei der arbeit in einem Mordfall in Ciudad Juàrez (Mexiko)
Foto: Knut Henkel

Erwürgt, gefoltert, zerstückelt. Die Brutalität, mit der die Kartelle in Mexiko gegen ihre Gegner und Kritiker vorgehen, ist weltweit bekannt. Besonders riskant ist es nicht nur im Norden, wo die Kartelle um die Routen in die USA kämpfen, sondern auch an der Ostküste Mexikos im Bundesstaat Veracruz. Dort sind seit Ende 2010 nicht weniger als zehn Journalisten, Fotografen und Reporter, ermordet worden – vier davon binnen einer Woche.
Regina Martínez hieß das erste Opfer vom 28. April. Die erfahrene und engagierte Journalistin arbeitete für das kritische Wochenmagazin Proceso, das sich immer wieder detailliert mit dem Drogenkrieg in Mexiko beschäftigt, und Hintergründe recherchierte – auch die Verbindungen zum politischen Establishment. Das ist lebensgefährlich und Mexikos Journalisten sind dabei oftmals auf sich allein gestellt. Schutz von Seiten des Staates gibt es nur selten und die zentrale Herausforderung ist Aufklärung. „Nur drei Prozent der Kapitalverbrechen werden aufgeklärt“, erklärt Sara Lovera, eine bekannte Journalistin in Mexiko. Sie arbeitet in der „Casa de Protección“ mit, dem Haus zum Schutz der Journalisten in Mexiko Stadt.
Mindestens 83 Journalistenmorde wurden seit dem Jahr 2000 registriert. Nur in zwei Fällen konnten die Täter ermittelt werden, kritisiert Lovera – Alltag in Mexiko. Das war auch ein Grund, weshalb einer der drei Pressefotografen, deren Leichen am 3. Mai aus dem Wasser eines Kanals in Veracruz gefischt wurden, den Job zwischenzeitlich an den Nagel gehängt hatte. Zu gefährlich war Esteban Rodríguez die Arbeit geworden. Für die örtliche Tageszeitung Notiver waren seine beiden Kollegen Gabriel Huge und Guillermo Luna hingegen im Einsatz und wussten um das Risiko. Luna und Huge verließen bereits letzten Sommer vorübergehend die Region, nachdem Lunas Freundin und Kollegin sowie ein Kolumnist der Zeitung mit seiner Familie ermordet worden waren. Geschützt hat es die Bildreporter nicht und der Mord an den drei Journalisten ist für Sara Lovera ein Signal an die mexikanische Politik. „Die hat gerade ein Gesetz für den Schutz von Journalisten und Menschenrechtsverteidigern verabschiedet und die Botschaft ist wohl eindeutig“, erklärt die Journalistin mit bitterer Stimme.
Sie hält auch wenig von der pauschalen Erklärung von Politik und Medien, dass die Kartelle hinter all den Morden an Journalisten stecken. Zwar tobt der Krieg der Kartelle mit brutaler Härte in Mexiko, doch unter dem Deckmantel des Drogenkrieges wird auch so mancher perfider Mord aus ganz anderen Motiven begangen. „Wir haben recherchiert, dass für rund sechzig Prozent der Morde an Journalisten lokale Kaziken verantwortlich sind“, so die engagierte Frauenrechtlerin, die sich auch mit den zahlreichen Frauenmorden in Mexiko beschäftigt. Das Grundproblem sei, dass zu wenig und nicht konsequent ermittelt werde. „Wir brauchen ein neues Justizsystem“, fordert die mutige Frau. Die staatliche Untätigkeit kritisiert auch die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG). Für die ist Mexiko das gefährlichste Land der westlichen Welt für Berichterstatter. Mit der Ausrufung des staatlichen Krieges gegen die Drogenkartelle unter Präsident Felipe Calderón Ende 2006 habe sich die Situation noch verschlimmert. Insgesamt seien in den vergangenen zehn Jahren 83 Journalisten in Mexiko getötet worden, weitere 14 verschwanden spurlos. In 35 Fällen stand der Tod der Journalisten erwiesenermaßen im Zusammenhang mit ihrer Arbeit.

 

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