Ukraine im Aufbruch

Zensur abgeschafft, weniger finanzielle Mittel für staatliche Medien

Aufarbeitung und Neufindung prägen die Diskussionen nach den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine. So beschäftigt die Untersuchung des Mordes an dem Journalisten Gongadze die ukrainische Öffentlichkeit und das Ausland. Vom ersten Tag seines Amtsantritts als Staatsoberhaupt an wird Juschtschenko von Journalisten nach dem Stand der Ermittlungen befragt. Das Gerichtsverfahren wurde jedoch noch nicht eröffnet.

Äußerungen des Vizepremierministers Mykola Tomenko im Februar zur Absicht der Regierung, die Ausgaben für die staatlichen Medien drastisch zu kürzen nach dem Motto „wir zahlen Euch weniger, versucht zu überleben“ lösten heftige Mediendebatten aus. Unter anderem ist geplant, die riesige staatliche Nachrichtenagentur „Ukrinform“ drastisch zu reduzieren. Heftig in der Öffentlichkeit diskutiert wird die Etablierung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der staatliche Rundfunk ist mit seinen Programmen wenig beliebt, galt als „Hofberichterstatter“ in der Bevölkerung, und seine Einschaltquoten sind im Keller. Ungeklärt ist bisher, ob der Staatsfunk trotz des schlechten Rufs die Basis sein kann oder es eine Neugründung geben soll, wobei auch die Finanzierung dieses Vorhabens noch unsicher ist. Die finanzielle Situation der meisten Haushalte ist schwierig und es gibt auch wenig Bereitschaft in der Bevölkerung, Fernseh- und Rundfunkgebühren zu zahlen. Diskutiert wird ebenfalls, welche gesellschaftlichen Gruppen diese neue öffentlich-rechtliche Anstalt kontrollieren soll.

Die Printmedien wurden in den Regionen oft von den Behörden kontrolliert und mitfinanziert. Zieht sich der Staat konsequent aus diesem Bereich zurück, sind harte Schnitte die Folge. Viele Zeitungen würden eine solche Reform nicht überleben. Die Abschaffung der kleinen kommunalen Zeitungen, oft das einzige lokale Printmedium, ließe die Bevölkerung jedoch ohne Information über Geschehnisse in der Ukraine und über die Ländergrenzen hinaus.

Prof. Dr. Valery Iwanow, Präsident der Ukrainischen Presseakademie Kiew, spricht von einer „deutlichen und grundlegenden Veränderung“ in seinem Land. „Die Zensur und Kontrolle der Medien mit Hilfe der „Tjemniki“ (Themenweisungen und Instruktionen aus dem Präsidialamt an die Medien und Journalisten) existiert nicht mehr, und die Regierungsoffiziellen versuchen nicht mehr, die Journalisten zu beeinflussen.“ Zugleich übt Iwanow jedoch scharfe Kritik an den Journalisten: „Diese jüngsten Veränderungen haben die Gedankenwelt der Mehrzahl der Journalisten nicht erreicht. Sie haben früher gehorsam den Machthabern gedient und tun dies heute ebenso.“ Leider hätten viele Journalisten die Veränderungen in den Machtstrukturen nur als eine Änderung der Namen der agierenden Helden verstanden. Sie würden arbeiten wie gewohnt und jetzt Juschtschenko anstelle von Kutschma lobpreisen.

„Vielleicht benötigen wir etwas mehr Zeit, damit sich unsere Journalisten an eine generell kritische Haltung gegenüber den Aktivitäten jener, die an der Macht sind, zu gewöhnen. Jene Journalisten, die schon Kutschma kritisierten, sind eher zu einer unvoreingenommenen Berichterstattung bereit. Ich denke da z.B. an die Zeitung „Serkalo nedeli“, den TV-Kanal 5 und einige andere Medien.“

Nach der Ansicht von Juri Durkot, freier Journalist und Produzent aus Lviv haben dagegen „viele Journalisten die Revolution in Orange als einen Befreiungsschlag empfunden und die Prinzipien der journalistischen Ethik für sich wiederentdeckt“. Für Dorkut spielt die Trennung von Geschäft und Politik eine besonders wichtige Rolle. „Bisher war es nicht selten so, dass Privatmedien nur als Sekundärgeschäft für einen Geschäftsmann und Politiker betrachtet wurden und die Aufgabe hatten, seine Interessen zu schützen – eine ziemlich typische Situation für einen Oligarchenstaat.“ Ansonsten werde es wohl noch Versuche geben, die Medien unter Kontrolle zu stellen, und zwar von beiden Seiten, sowohl vom Staat als auch von den privaten Besitzern. „Die ukrainischen Medien werden ihre Rolle als vierte Gewalt noch erkämpfen müssen – in harten und nicht einfachen Auseinandersetzungen“, ist der Journalist überzeugt.

 

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