Belsat sendet aus Warschau mit Unterstützung Polens und der EU
Sie sind als der einzige unabhängige Sender in Belarus bekannt – und der einzige, der auf Belarussisch sendet. Doch die Journalisten von Belsat arbeiten ohne rechtlichen Schutz. Sie werden festgenommen, bezahlen Geldstrafen. Aufgeben kommt auch nach acht Jahren nicht in Frage.
Die grüne Farbe blättert ab von den Wänden im Treppenhaus, die Briefkästen am dem Hauseingang quellen über vor Werbebroschüren. Ein etwas ungepflegtes Wohnhaus im Zentrum von Minsk. Hinter der unauffälligen Wohnungstür im zweiten Stock wird geschnitten, geschrieben, gesprochen. Hier hat das Büro des einzigen unabhängigen Fernsehsenders von Belarus seinen Sitz: Belsat.
Michal Janczuk sichtet gerade das Material, das sein Kollege in der Stadt gedreht hat. Eine Protest-Kundgebung, organisiert von der Opposition. Ein Ereignis, das in den öffentlich-rechtlichen Medien nicht erwähnt wird. „Wir zeigen die Seite von Belarus, die im Staatsfernsehen nicht vorkommen darf”, sagt Janczuk. Die öffentlich-rechtlichen Sender im Land sind regimetreu. Der 42-jährige Janczuk leitet Belsat. Jahrelang arbeitete er zuvor in Polen für den Hörfunk. Als Belsat im Dezember 2007 gegründet wurde, stieg der gebürtige Weißrusse sofort ein.
Belsat ist ein transnationaler Sender. Die Reporter und Redakteure arbeiten vor Ort, während Sendestudios, Moderatoren und Redaktionsleitung in Warschau sind. Dort nutzt Belsat die professionelle Infrastruktur der polnischen öffentlich-rechtlichen Sender und die Vorteile des freien Journalismus. Das Projekt wird als ein Beitrag zur Demokratie in Belarus verstanden und von der polnischen Regierung sowie der EU finanziert. Von Warschau aus wird das Signal über Satellit gesendet. Gesendet wird täglich. Etwa ein halbe Million Stammzuschauer im 10-Millionen-Staat Belarus hat der Sender zurzeit, genauso viele greifen gelegentlich auf das Programm zu. Um neue Zuschauer zu gewinnen, weitet Belsat sein Angebot nun auch im Internet aus. Neben Belarussisch wird hier auf Russisch, Englisch und Polnisch publiziert.
Schnittplätze und Studios sind in privaten Wohnungen untergebracht, verstreut über das ganze Land. „Sie können dann nicht die ganze Ausstattung auf einmal beschlagnahmen und alle Kollegen ausschalten”, erklärt Michal Janczuk. Sie, das sind der „Sonderdienst” und die Miliz.
Kurz nachdem Belsat gegründet worden war, trat eine solche Situation ein. Alle Kameras und Computer waren weg, einige Journalisten wurden festgenommen. Die Anderen gaben nicht auf. „Wir haben mit Handys gedreht und das Rohmaterial nach Warschau geschickt. In wenigen Stunden hatten wir die Abendausgabe fertig gestellt”, erzählt Janczuk. Dieses Ereignis, glaubt er, war ihr Sieg. „Das Regime hat mitbekommen,dass sie keine Chance haben, uns vollständig zu stoppen”.
Belsat versteht sich selbst als unabhängig – nicht als oppositionell. Darauf legen die Mitarbeiter Wert. „Die Opposition ist manchmal sauer, dass wir sie nicht genug unterstützen”, lächelt Michal Janczak. „Aber wir können die Opposition nicht nur deshalb loben, weil sie Opposition ist. Ein Profi-Journalist muss die Dinge klar benennen. Wenn der Oppositionelle etwas Dummes anstellt, muss das auch gezeigt werden”. Die Reporter orientieren sich an westlichen Standards, wollen eine Situation von verschiedenen Seiten beleuchten. Was nicht immer einfach ist. Die belarussischen Oppositionellen treten gern bei Belsat auf. Eine Gegenmeinung zu bekommen ist deutlich schwieriger: Das Regime ignoriert den unabhängigen Sender, selbst gewöhnliche Presseanfragen von Belsat lassen die Behörden unbeantwortet. Er ist in Belarus nicht zugelassen. Mehrmals hat der Sender versucht, sich offiziell registrieren zu lassen – erfolglos, genauso wie die Akkreditierung der Mitarbeiter.
Das Presserecht sieht vor, dass sich nur fest angestellte Journalisten auch Journalisten nennen dürfen. Wer trotzdem journalistisch arbeitet, bricht das Gesetz, egal welche Themen er behandelt. In diesem Jahr wurden Belsat-Reporter festgenommen und zu einer Geldstrafe verurteilt, die einen Beitrag über eine Puppenausstellung gemacht oder einen Fußballspieler aus der Kreisliga interviewt hatten. „In Krisenzeiten, wie vor der Präsidentschaftswahl, liegt bei uns zu Hause immer eine gepackte Reisetasche bereit. Für den Fall, dass wir ins Gefängnis müssen”, sagt Janczuk. „Wir sind ein nützlicher Feind.” Seit der Krim-Annexion wird Belarus von russischer Propaganda überflutet. Belsat hingegen verstärkt die belarussische Identität und wirkt so der Kreml-Propaganda entgegen – das passt jetzt Lukaschenko. Aber es gibt nicht nur die große Politik. Den Zuschauern seien vor allem die Alltagsthemen wichtig: Frauenrechte, Kultur oder Wirtschaft. Staatliche Sender ließen solche Themen unter den Tisch fallen, so Janczuk. Der Sender, der mit einer kleinen Gruppe von jungen Menschen startete, ist erwachsen geworden – und professionell. 120 Mitarbeiter auf beiden Seiten der Grenze gibt es heute. „Unsere Journalisten bleiben bei uns, trotz schlechter Arbeitsbedingungen und rechtlicher Unsicherheit. Sie sehen, dass es möglich ist, schon jetzt professionell auf Belarussisch zu arbeiten und etwas für das Land zu tun”.