Johnston Press ist einer der Riesen auf dem britischen Zeitungsmarkt. 200 Lokalzeitungen fallen unter sein Dach, darunter wichtige Regionaltitel wie die „Yorkshire Post“. Aber auch führende Tageszeitungen wie „The Scotsman“ oder das „i“ gehören zum Portfolio. Johnston Press ist der viertgrößte Zeitungsverleger auf der Insel. Als im November bekannt wurde, dass der Konzern zum Verkauf steht, war das für die Beschäftigten also nicht ohne Grund ein Schlag in die Magengrube. Auch in Großbritannien gibt es eine Zeitungskrise. Ein Jobverlust ist für ausgebildete Journalist_innen somit existenzbedrohend.
Tatsächlich ist hier eine Geschichte zu erzählen. Denn Johnston Press steht einerseits für den kometenhaften Aufstieg der großen britischen Zeitungsverlage in den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg. Andererseits werden hier auch alle Probleme eines ausschließlich auf den kurzzeitigen Profit ausgerichteten Geschäftsmodells deutlich.
Eigentlich wurde Johnston Press vor 251 Jahren als ein kleines schottisches Familienunternehmen gegründet. Erst in den 1980er Jahren wagte man sich über die Grenze nach England. Das tat man dafür aber mit Verve. Innerhalb weniger Jahre wurde alles zusammengekauft, was ging. Dabei spezialisierte sich das Unternehmen vor allem auf Lokalzeitungen in kleinen Ortschaften. Im Jahr 2006 gehörten nicht weniger als 320 Titel zu Johnston Press.
Doch der Preis für dieses Wachstum war hoch und wurde mit Schulden erkauft. 2006, ein Jahr vor Beginn der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise, lagen sie bei 783 Millionen Pfund. Die Eigentümer von Johnston Press hofften darauf, dass der Anzeigenmarkt es richten würde. Der britische Lokalzeitungsmarkt lebt und stirbt mit dem Anzeigengeschäft. Und seit Mitte der 00er-Jahre stirbt er eher.
Ab 2007 brach das Anzeigengeschäft im Immobiliensegment ein. Neben der allgemeinen Krise kam die rapide Entwicklung des Onlinemarktes hinzu. Anzeigenportale im Internet übernahmen teilweise die Rolle der Lokalzeitungen. Soziale Netzwerke wurden zu einem wichtigen Werbeträger für Kleinunternehmen, die vorher Anzeigen in Lokalzeitungen geschaltet hatten.
Weiter auf Wachstumskurs trotz hoher Schulden
Trotz dieser Probleme gönnten sich die Inhaber von Johnston Press im Jahr 2016 ein weiteres Filetstück und kauften die Zeitung „i“. Dabei handelt es sich um ein landesweit verkauftes Kleinformat, welches ursprünglich zur Independent-Gruppe gehörte. Die Tageszeitungen „Independent“ und „Independent on Sunday“ wurden seinerzeit eingestellt. Nur das „i“ blieb übrig. 245.000 Exemplare gehen täglich über die Ladentische britischer Kioskbetreiber. Die Webseite wird pro Tag immerhin 4.2 Millionen Mal angeklickt. Die Bedeutung des „i“ für Johnston Press lässt sich auch daran bemessen, dass die gesamte Printauflage aller von Johnston Press produzierten Zeitungen bei 600.000 Exemplaren liegt. Das „i“ liefert dem Konzern also fast die Hälfte seiner Leserschaft.
Doch die Schuldenkrise des Konzerns konnte auch der Erfolg des „i“ nicht bewältigen. Im Juni 2019 wäre eine neue Ratenzahlung fällig. Im November 2018 erklärte Johnston Press sich dazu nicht in der Lage und nahm die Konzernaktien vom Börsenmarkt. Den Belegschaften wurde erklärt, man suche nach einem neuen Käufer, die Jobs seien aber sicher. Spätestens jetzt schrillten bei der britischen Journalistengewerkschaft NUJ alle Alarmglocken.
Keine Einzahlungen mehr in Betriebsrenten-Topf
Die nächsten Schritte der Eigentümer schienen diese Ängste zu bestätigen. Neben staatlichen Renten gibt es in Großbritannien auch Betriebsrenten. Diese sind quasi Teil des von einem Arbeitgeber an seine Angestellten ausgezahlten Lohnes. Auch bei Johnston Press gibt es ein Betriebsrentensystem. Oder besser: Es gab bis vor kurzem eines. Denn die Eigentümer haben die Verwaltung der Betriebsrenten an die dafür zuständige britische Behörde übergeben. Man wollte, oder konnte, von Arbeitgeberseite nicht mehr in diesen Topf einzahlen. Das hier vollzogene Manöver ist in Großbritannien nur dann legal, wenn andernfalls die Insolvenz drohen könnte. Seitdem sind nicht nur die jetzt bei Johnston Press beschäftigten Journalist_innen von der Krise betroffen, sondern auch alle Rentner_innen, die bereits Betriebsrenten vom Konzern bekommen.
„Die meisten derzeit bei Johnston Press Beschäftigten zahlen in einen Betriebsrentenplan ein, der nicht betroffen ist. Aber 250 derzeitige und 5000 ehemalige Beschäftigte zahlen in einen Betriebsrentenplan ein, welcher im Jahr 1999 für neue Einzahler geschlossen wurde. Dieser wird derzeit von der Regulierungsbehörde für Betriebsrenten überprüft“, erklärt NUJ-Sprecherin Sarah Kavanagh. „Sollte die Behörde die Zahlungen übernehmen, erhalten Einzahler, die bereits im Rentenalter sind, den vollen, ihnen zustehenden Betrag. Alle, die noch vor dem Rentenalter stehen bekommen 90 Prozent des Betrages ausgezahlt. Hier gibt es aber einen Maximalbetrag, den die Behörde bereit ist, zu zahlen. Über diesen Betrag hinaus gibt es nicht mehr Geld.“ Die Regulierungsbehörde hat inzwischen verkündet, für alle bestehenden Renten geradezustehen. Allerdings könnte es laut einer Stellungnahme der Behörde in „einigen Fällen“ zu Kürzungen kommen.
Verkauf an Konsortium von Hedge Fonds
Anfang Dezember nahm das „Drama“ noch eine weitere Wendung. Einer der größten Gläubiger von Johnston Press war ein amerikanischer Hedge Fond namens GoldenTree. Kurz nachdem die Betriebsrenten ausgelagert wurden, konnte Johnston Press tatsächlich als Gesamtpaket verkauft werden. Und zwar an JPI Media, ein Konsortium von Hedge Fonds. Neben einigen anderen ist auch GoldenTree mit dabei. Der Gläubiger wurde also zum Eigentümer, kurz nachdem dieser wesentliche (Renten)Kostenfaktor beseitigt wurde!
Die Journalistengewerkschaft NUJ befürchtet, dass die neuen Eigentümer keine langfristigen Interessen mit Johnston Press verfolgen, sondern eher in Heuschrecken-Manier agieren werden beispielsweise den Konzern aufspalten. „Der Verkauf hat den Kolleg_innen erst einmal viel Druck weggenommen. Aber es besteht roße Unsicherheit was den zukünftigen Kurs des Unternehmens angeht“, so Kavanagh. „Die neuen Eigentümer haben versprochen, dass sie keine signifikanten Änderungen planen. Wir informieren unsere Aktivisten in den Betrieben regelmäßig über die Informationen, die wir vom neuen Management erhalten. Und wir nutzen die Treffen mit dem Management, um Antworten auf Fragen zu bekommen, die von den Aktivisten gestellt werden. Als Gewerkschaft setzen wir uns weiterhin für größere Investitionen ein, die für höhere Löhne und mehr Personal verwendet werden sollen.“