Dem Thema Pressefreiheit wird durch die Verhaftung von Deniz Yücel in der Türkei gerade mehr Aufmerksamkeit als sonst üblich zuteil. Doch nicht nur in der Türkei verschlechtert sich die Lage, auch in vielen anderen Regionen sieht es finster aus. Dafür stehen Autokraten und Populisten vom russischen Staatschef Wladimir Putin bis zum US-Präsidenten Donald Trump.
Deniz Yücel ist Aufmacher in der Tagesschau, für seine Freilassung schalten prominente Journalisten ganzseitige Anzeigen, besorgte Bürgerinnen und Bürger bekunden per Autokorso in zahllosen Städten ihre Solidarität mit dem inhaftierten Türkei-Korrespondenten der Welt. „FreeDeniz” steht nicht nur in großen Lettern auf dem Dach und im Foyer des Axel-Springer-Hauses in Berlin – unter diesem Motto bündelt sich auch der Protest in den sozialen Netzwerken. Zu Recht, denn der Journalist mit deutschem und türkischem Pass ist lediglich seiner Arbeit nachgegangen, hat die Regierung in Ankara kritisch begleitet, hat Interviews auch im kurdischen Südosten des Landes geführt und über gehackte E-Mails von Energieminister Berat Albayrak berichtet, dem Schwiegersohn von Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Die von Erdogan seit dem Putschversuch im vergangenen Sommer durch Massenentlassungen auf Linie gebrachte Justiz wirft Deniz Yücel die Unterstützung des Terrorismus und Volksverhetzung vor. Dabei soll Yücel in seinen Artikeln für die Welt gleichermaßen Propaganda für die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und für die „Gülen-Bewegung”, der Erdogan den Putschversuch anlastet, gemacht haben. Absurd! Zwischen der PKK und dem Prediger Fetullah Gülen liegen ideologisch Welten; für beide gleichermaßen Propaganda zu machen, ist nahezu unmöglich.
Im Zuge der Solidarität mit Deniz Yücel geraten auch die anderen mehr als 150 in der Türkei inhaftierten Journalisten etwas ins Licht der Öffentlichkeit. Sie haben es dringend nötig, denn anders als bei Yücel bemüht sich bei ihnen keine deutsche Botschaft um ihr Wohlergehen. Dass autokratische Herrscher Journalisten einsperren, an der Arbeit hindern und zensieren, sind wir leider seit Jahrzehnten gewohnt. Inzwischen erleben wir aber auch in westlichen Demokratien, dass Medien pauschal verleumdet werden und Politiker nur noch mit ausgewählten Journalisten sprechen. In den Niederlanden macht der Rechtspopulist Geert Wilders das seit Jahren, und US-Präsident Donald Trump steht dem in nichts nach: Unliebsame Medien wie die New York Times oder den Fernsehsender CNN schließt er von einem Pressemeeting im Weißen Haus aus, er beschimpft die Presse seit dem Wahlkampf öffentlich und mit demonstrativer Geringschätzung. Während Trump selbst immer wieder Halbwahrheiten oder Lügen verbreitet, wirft er den Journalisten, die seine Aussagen widerlegen, die Verbreitung von „Fake News” vor. Im Wahlkampf hatte Trump zudem angekündigt, er werde Klagen gegen Medien erleichtern, um Verleumdungen zu erschweren. So funktioniert Einschüchterung.
In Deutschland hat die AfD auch schon mehrfach Journalisten von Parteitreffen ausgeschlossen und kultiviert wie Trump gezielt das Bild einer „Lügenpresse”. Die Verächter der Pressefreiheit, sie kommen immer näher.
Über den Autor
Harald Gesterkamp arbeitet als Journalist bevorzugt zu den Themen Pressefreiheit und Menschenrechte. Er ist Redakteur beim Deutschlandfunk und hat kürzlich mit „Humboldtstraße Zwei“ seinen ersten Roman veröffentlicht.