Internationale Hilfe für die Medien in Haiti
Auch die Medien wurden Opfer des Erdbebens in Haiti: Nach der Katastrophe gab es erst einmal keine Zeitungen und auch viele Radiokanäle mussten das Senden einstellen. Doch mit viel Improvisation und auch dank internationaler Unterstützung kommen die Medien so langsam wieder auf die Beine.
Joseph Guyler Delva hatte Glück: Der 43-jährige Journalist saß gerade im Auto, als die Erde zu beben begann. Um ihn herum stürzten Häuser ein und innerhalb von Sekunden bedeckte eine große Staubwolke die haitianische Hauptstadt Port-au-Prince. Auch seine Familie überlebte: Wie durch ein Wunder blieben seine Frau und seine drei Kinder nahezu unverletzt.
Weniger gut war es um sein berufliches „Kind“ bestellt: Die Räumlichkeiten der Organisation „SOS Journalistes“, die er 2005 mitbegründet hatte, waren völlig zerstört. Von der Einrichtung, den Computern und den Daten ist nichts übrig geblieben.
Auch zahlreiche Verlagsgebäude und Rundfunkstationen in Haiti waren nach dem Erdbeben unbrauchbar. Dazu kam: Mindestens vier Journalisten waren unter den schätzungsweise 200.000 Toten des Bebens. Viele Redakteure hatten selbst Opfer zu beklagen oder suchten tagelang nach Angehörigen. Erst nach einer Woche nahmen die meisten Radiostationen wieder ihren Betrieb auf. Nicht zuletzt wegen der hohen Analphabetenrate ist das Radio das wichtigste Medium in Haiti. Endlich konnten die Bewohner der Insel die lebenswichtigen Informationen erhalten: Wo gibt es Lebensmittel, welche Krankenhäuser verfügen über Medikamente? Einige Sender und Zeitungsverlage wurden aber auch völlig zerstört, so dass an einen Redaktionsalltag gar nicht zu denken ist.
Delva informierte das „Komitee zum Schutz von Journalisten“ (CPJ), das die Situation von „SOS Journalistes“ bekannt machte und Hilfe zusagte. In einem Aufruf appellierte der Verband an haitianische Medienvertreter, genau mitzuteilen, welche Unterstützung benötigt werde. Gleichzeitig startete CPJ einen Spendenaufruf. „Ziel ist es, im Interesse der Überlebenden möglichst schnell wieder funktionierende Medien und einen Informationsfluss über die aktuelle Lage herzustellen“, erklärte CPJ-Direktor Joel Simon.
Auch andere Journalistenorganisationen blieben nicht untätig. Die „Internationale Journalistenvereinigung“ IFJ organisierte ebenfalls ein Hilfsprogramm: „Es gibt unmittelbare humanitäre Bedürfnisse, aber es ist auch überlebenswichtig, das Kommunikationssystem, inklusive der Medien, schnellstmöglich wieder in Gang zu bringen“, erläutert IFJ-Generalsekretär Aidan White das Vorgehen. Der Verband nutzte seine Strukturen in der benachbarten Dominikanischen Republik, um zügig Hilfe anbieten zu können. Unter anderem wurde die verletzte Journalistin Porina Ozama – sie arbeitet für den Sender „Channel 11“ – medizinisch versorgt und in ein Krankenhaus gebracht.
Die „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) haben innerhalb weniger Tage ein Notzentrum für einheimische Journalisten aufgebaut. Dort konnten zahlreiche Medienvertreter, deren Arbeitsplätze zerstört wurden, neun Tage nach dem Beben ihre Arbeit wieder aufnehmen. „Ein großer Teil der Presselandschaft in Haiti wurde durch das Beben zerstört, und technische Mittel zur Kommunikation und Informationsbeschaffung sind Mangelware“, betont Anja Viohl von der deutschen ROG-Sektion. „Deshalb haben wir das Zentrum mit Laptops, Mobiltelefonen und Generatoren ausgestattet.“ Die kanadische Botschaft in Port-au-Prince beherbergt das Büro, das bis zu 20 Journalisten gleichzeitig Platz bietet und von Ives-Marie Chanel, einem Redakteur der haitianischen Nachrichtenagentur Mediacom geleitet wird. Das Zentrum soll auch Medienorganisationen, die sich für den Schutz von Journalisten einsetzen, eine Operationsbasis bieten und als Ort der Begegnung mit ausländischen Kollegen und als Kontaktstelle für Nichtregierungsorganisationen dienen. Dafür wurde auch ein Konferenzraum eingerichtet.
Die kanadische Mediengruppe „Quebecor“ half bei der Erstausstattung des Zentrums und sorgte unter anderem für Breitband- und Telefonverbindungen sowie für ein Audio- und Videosystem. Mittelfristig, so betont Viohl, sei aber die Unterstützung weiterer Organisationen notwendig, um die Medienlandschaft des Landes wiederherzustellen.