Wieder Morde an Journalisten in der Ukraine

In den letzten fünf Jahren wurden elf Journalisten umgebracht

Es ist leider fast schon Routine: Mehrfach hat der Europarat Verletzungen der Pressefreiheit und die oftmals lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen für Journalisten in der Ukraine angeprangert. Auch über einen Ausschluss des Landes aus der Organisation wird in Strassburg mittlerweile debattiert.

Kürzlich nun fühlte sich auch die Parlamentarische Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Eurpoa (OSZE) zu einer kritischen Stellungnahme veranlasst: Der Zustand der Pressefreiheit sei besorgniserregend, ist da zu lesen.

In der Tat: Kaum hat sich die Aufregung um den im vergangenen Herbst ermordeten Journalisten Georgij Gongadse etwas gelegt, sind in der ehemaligen Sowjetrepublik die nächsten toten Medienvertreter zu beklagen. Am 3. Juli fand Oleg Breus den Tod. Der Herausgeber des Journals „XXI vek“ (21. Jahrhundert) wurde in Lugansk vor dem Eingang seines Wohnhauses erschossen. Die Miliz verbreitete sogleich die Version, der Mord an Breus, der 33 Prozent der Aktien des städtischen Zentralmarktes hält, habe mit dessen geschäftlichen Aktivitäten zu tun. Der Chefredaktuer von „XXI vek“, Juri Jourow, sieht das anders. Grund für den kaltblütigen Mord an Breus seien, so Jourow, von der Zeitung veröffentlichte kritische Artikel über die neuen politischen Verantwortlichen in der Stadtverwaltung.

Mit Baseballschlägern erschlagen

Vier Tage später als Breus starb Igor Alexandrow, nachdem er mehrere Tage im Koma gelegen hatte. Alexandrow war Chef des Fernsehsenders TOR in Slavyansk, einer Stadt in der östlichen Industrieregion Donetsk und hatte vor allem über Fälle von Korruption und organisierter Kriminaliät berichtet. Am Morgen des 3. Juli war er vor dem Eingang des Senders von Unbekannten mit Baseballschlägern zusammengeschlagen worden und hatte dabei schwerste Kopfverletzungen erlitten.

Mit seiner Berichterstattung war der Fernsehmann bereits früher angeeckt. Infolge der Klage eines Abgeordneten, den er als „König des Wodka-Reiches von Donbass“ bezeichnet hatte, war Alexandrow 1998 zu zwei Jahren Haft und fünf Jahren Berufsverbot verurteilt worden. Zwei Jahre später zog der Abgeordnete zwar seine Klage zurück, Alexandrow stritt jedoch weiter für seine Rehabilitierung und brachte den Fall sogar vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg.

Für Alexandrows Kollegen ist unstrittig, dass ihr Chef sein berufliches Engagement mit dem Leben bezahlte. Und der Parlamentsabgeordnete Alexej Schektsow brachte es klar auf den Punkt: „Das war ein Auftragsmord, so etwas wie politische Rache. Die Frage ist nur, wer den Mord bestellt und wer ihn ausgeführt hat. Die Regierung bereitet sich auf die Parlamentswahlen im nächsten Jahr vor und will jede Organisation eliminieren, die noch versucht, eine unabhängige Stimme im Wahlkampf zu sein.“ Und Schektsows Abgeordnetenkollege, Ivan Bokyj, fügte hinzu: „Die Kennzeichen der heutigen Regierung sind Oligarchentum und Kriminalität. Das, was mit unseren Journalistenkollegen, und nicht nur ihnen, sondern auch anderen ehrenwerten Leuten passiert, ist keineswegs überraschend. Das ist die Art, wie das Regime mit solchen Leuten umgeht und das wird so bleiben, solange diese Leute an der Macht sind.“

Proteste auch der „Reporter ohne Grenzen“

Nach den jüngsten Vorfällen wurden auch die Reporter ohne Grenzen aktiv. In einem Protestbrief forderte die Organisation den ukrainischen Premierminister Anatolij Kinach auf, beim Innenministerium und der Staatsanwaltschaft persönlich zu intervenieren, um sicherzustellen, dass diese beiden Institutionen entschlossen gegen die Unterdrückung der Presse in der Ukraine vorgehe. „Denn“, so heißt es in dem Schreiben, „die Gewalt gegen Journalisten hat hier ein Niveau erreicht, das in Europa einzigartig ist.“

Doch ob die zuständigen Behörden wirklich an einer Aufklärung interessiert sind, ist zweifelhaft. Mit den Morden an Alexandrow und Breus sind in den vergangenen fünf Jahren insgesamt 11 Journalisten in der Ukraine getötet worden. Nur in einem einzigen Fall konnte eine Person des Mordes an einem Journalisten überführt werden.

Staatspräsident Kutschma dreht den Spieß um

Doch das alles ficht Staatspräsident Leonid Kutschma nicht an. Obwohl immer noch mit der Gongadse-Affäre schwer belastet, wird er nicht müde, die Fortschritte der Regierung beim Schutz der Pressefreiheit hervorzuheben. Überdies dreht er den Spieß lieber um. Die Feinde der Ukraine würden den Mord an Alexandrow dazu benutzen, um dem Ansehen des Landes zu schaden und Aufruhr unter der Bevölkerung zu schüren, sagte er unlängst. „Der Fall Alexandrow“, so der Präsident, „könnte zu einem Bürgerkrieg führen.“

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