Zu Tode gefoltert?

Turkmenische Journalistin stirbt in der Haft

Am 14. September klingelten mehrere Beamte des Ministeriums für nationale Sicherheit an der Haustür. Die drei erwachsenen Kinder der Journalistin Ogulsapar Muradowa öffneten, und ihnen wurde eine schreck­liche Mitteilung überbracht. Ihre Mutter war in der Haft gestorben. Zu den Umständen und zum Zeitpunkt des Todes machten die Behördenvertreter indes keine Angaben.

Erst nach mehreren Anläufen – und als sie schließlich in Begleitung eines Diplomaten im Leichenschauhaus eintrafen – konnten die Angehörigen den Leichnam von Ogulsapar Muradowa in Augenschein nehmen. Später berichteten sie, die Tote habe eine große Wunde auf der Stirn und mehrere Wundmale am Hals gehabt. Die Deutsche Welle berichtet, es sei eine Obduktion vorgenommen worden, in der auch innere Blutungen an Leber und Niere dokumentiert wurden. Diese könnten von Schlägen herrühren und zum Tode geführt haben. Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen befürchten, dass Muradowa zu Tode gefoltert worden ist. Übereinstimmend fordern sie eine unabhängige Untersuchung ihres Todes sowie eine Bestrafung der Verantwortlichen.
Dass die Behörden in Aschgabad diesem Verlangen nachkommen, ist unwahrscheinlich. Denn in dem autoritär ge­führten zentralasiatischen Staat werden Menschenrechtsverletzungen so gut wie nie geahndet. Nach Ansicht des „Internationalen Journalistenverbandes“ ist Turkmenistan eins der repressivsten Länder der Welt. Nur Medien im staatlichen Besitz sind zugelassen, und ausländische Journalisten bekommen nur in Ausnahmefällen ein Einreisevisum. Die Beschneidung politischer Aktivitäten, willkürliche Festnahmen sowie Schläge und Tritte in der Haft sind im Land von Präsident Saparmurad Nijasow an der Tagesordnung. Die Täter gehen straffrei aus.
Ogulsapar Muradowa arbeitete als Korrespondentin für den von den USA finanzierten Rundfunksender Radio Free Europe / Radio Liberty, der in mehreren früheren Sowjetrepubliken Programme ausstrahlt. Nach ihrer Festnahme Mitte Juni dieses Jahres warfen die Behörden Muradowa vor, gemeinsam mit anderen Teilnehmern eines Menschenrechtsseminars einen Umsturz zu planen. Nach eigenen Angaben war sie in der Untersuchungshaft unter Druck gesetzt und misshandelt worden, damit sie ihre Mitangeklagten Annakurban Amanklitschew und Sapardurdi Chadschijew beschuldigt. Die beiden arbeiteten als so genannte Stringer für westliche Medien und sind seit dem Tod Muradowas extrem gefährdet. Auch die Familien der Inhaftierten sind in Gefahr. Offenbar wurden sie an einen geheimen Ort gebracht.
Ogulsapar Muradowa wurde Ende August zusammen mit Amanklitschew und Chadschijew in einem unfairen Gerichtsverfahren verurteilt. Sie sollte sechs Jahre im Hochsicherheitsgefängnis Ovodan Depe schmoren. Doch auch nach dem Richterspruch hörten die Schikanen gegen die Journalistin nicht auf. Ogulsapar Muradowa wurde nur 58 Jahre alt.

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