„Unsymbadische“ Zeiten in Freiburg

Die „Badische Zeitung“ baut nach rückläufigem Anzeigengeschäft Personal ab

Wie kommt eine Zeitung mit einem grundsoliden Ruf und einer fast monopolartigen Wettbewerbssituation wie die „Badische Zeitung“ in Freiburg in die Verlustzone? Mit Anzeigenrückgang und gestiegenen Papierpreisen kämpfen schließlich auch andere Zeitungen. 55 Stellen, davon 35 in den Redaktionen baut die BZ ab, das sind acht Prozent der Belegschaft.

Die Lokalredaktionen in Offenburg und Furtwangen (zwei von bislang zwanzig) werden geschlossen. Die BZ hat etwa insgesamt 160 Redakteursstellen. Zwischen Schwarzwald, Hotzenwald und Oberrhein verkauft die Tageszeitung insgesamt 160 000 Exemplare, in Freiburg und Umgebung nur etwa die Hälfte davon.

Neun Millionen Mark Verlust wird die „Badische Zeitung“ voraussichtlich dieses Jahr machen. Nun rätseln BZ-Belegschaft und Medienexperten, in welchem Verhältnis allgemeine und hausgemachte Faktoren an der Krise des badischen Traditionsblattes zueinander stehen. Eigentümer von Zeitung und Badischem Verlag sind die Verlegerfamilien Rombach-Hodeige und Poppen und Ortman. Vor wenigen Jahren kauften diese einen Anteil von knapp 30 Prozent für 50 Millionen Mark vom Herder-Verlag zurück und arrondierten zugleich untereinander die Besitzverhältnisse. Der Schuldendienst dafür verschlingt Millionen.

Millionenverluste

„Kosten entstehen auch durch organisatorische Reibungsverluste bei den vielen ausgegliederten Firmen“, glaubt Franz Faißt, stellvertretender Geschäftsführer von ver.di Südbaden, zuständig für den Fachbereich Medien, Kunst, Industrie. Früher habe es zum Beispiel nur eine Zustellgesellschaft gegeben, heute gebe es acht. Auch die Auslagerung der EDV-Abteilung des Verlages hatte nicht nur positive Aspekte, der gesamte digitale Datenbestand wurde komplett vernichtet und musste mit einer Hauruckaktion und sechsstelligen Kosten per Hand wieder rekonstruiert werden.

Teuer ist auch die Verlagerung der Freiburger Lokalredaktion in die Innenstadt mit einer exorbitanten Miete (fast eine Million Mark pro Jahr). Millionen verschlangen Investitionen in die Druckerei und eine Verteilanlage. Vom geplanten Bau eines neuen Druckzentrums für rund 140 Millionen Mark ist derzeit wenig zu hören.

Ein Sparprogramm hatte die „Badische Zeitung“ schon vor vier Jahren aufgelegt, als sie bei 100 Millionen Mark Jahresumsatz 3 bis 4 Millionen Gewinn machte. Die BZ hatte mit Chefredakteur Peter Christ (heute: „Sächsische Zeitung“, demnächst: „Stuttgarter Zeitung“!) und Geschäftsführer Christian Nienhaus (heute: „Bild“-Gruppe) professionelle „Blattmacher“ angeheuert. Auch damals standen Entlassungen zur Diskussion.

Nachfolgerquerelen

Doch dann kam der BZ der umtriebige Jungverleger Michael Zäh mit seiner Gratis-„Zeitung zum Sonntag“ teils zu Hilfe, teils in die Quere. Zäh lockte mit seinem (mittlerweile gescheiterten) Projekt „anzeigenfinanzierte Qualitätszeitung“ vierzehn BZ-Redakteure zu sich und nutzte geschickt die Querelen aus, die die Entlassung des Feuilletonchefs Gerhard Jörder auslösten: Der Freiburger „Kulturrat“ und große Teile des akademischen Publikums reagierten empört, worauf die Verleger Jörder behielten und stattdessen Christ in die Wüste schickten.

Dessen Nachfolger wurde Dr. Jürgen Busche (früher FAZ, „Süddeutsche Zeitung“, „Wochenpost“). Das frühere Mitglied des Literarischen Quartetts schien den Verlegern Hodeige und Poppen prädestiniert, um das Prestige der BZ in den akademisch dominierten Villenvierteln zu heben. Workaholic Busche schrieb flächendeckend in der Politik, dem Feuilleton, und manchmal auch im Sportteil. Der unkonventionelle Konservative mit dem Hang zum Cholerischen rang den beeindruckten Verlegern en passant eine Redakteursstelle nach der anderen ab (insgesamt 20) und wertete das Feuilleton durch ein „Drittes Buch“ auf. Der Veranstaltungsanzeiger „Ticket“ und eine ebenfalls gratis verteilte Sonntagszeitung „Der Sonntag in Freiburg“ sollten die bröckelnde Leserschaft im Freiburger Kerngebiet zusammenhalten. Nun hat Busche das Handtuch geworfen. Er war nicht bereit, in der Kultur, im politischen Mantel und im Sport Entlassungen hinzunehmen.

Auf dem neuen Chefredakteur Thomas Hauser, seit 22 Jahren bei der BZ, lastet jetzt die undankbare Aufgabe, den Personalabbau „möglichst sozialverträglich“, wie er betont, durchzuführen und „die lokale Verwurzelung, und einen qualitativ hochwertigen Mantel“ miteinander zu verbinden. Hauser wird wohl den Akzent der Zeitung auf die „Regionalisierung“ verschieben. Gerüchte, wonach die „Badische Zeitung“ als Übernahmekandidat im Visier der Konzerne Holtzbrinck, Springer, Gruner + Jahr, WAZ-Verlag oder Medien-Union Ludwigshafen („Die Rheinpfalz“, „Stuttgarter Zeitung“) sind, können derzeit nicht erhärtet werden. Das Sparprogramm sei aber wohl, so heißt es hinter vorgehaltener Hand, die letzte Möglichkeit, die badische Eigenständigkeit zu sichern.

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