ARD, ZDF und Co.: Too big to fail?

Too big to fail? Ulrich Wilhelm, Frank Werneke und Thomas Kralinski (v.l.n.r.) diskutieren auf dem "Gesellschaftspolitischen Dialog" des DGB über die Zukunftsperspektiven von ARD und ZDF
Foto: Martha Richards

Sind die gebührenfinanzierten Medien ihr Geld wert?  Sind „Marken“ wie ARD und ZDF  stark genug, um sich in der wachsenden Informationsflut behaupten zu können? Wie sieht ihre Perspektive in der digitalen Gesellschaft aus? Und wie kann ein ausreichend finanzierter öffentlich-rechtlicher Rundfunk sichergestellt werden? Um diese und andere Fragen kreiste der „Gesellschaftspolitische Dialog“ , zu dem der DGB-Bundesvorstand am 27. November Medienmacher_innen, Medienpolitiker_innen und Gewerkschafter_innen eingeladen hatte.

Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk bläst europaweit ein scharfer Wind entgegen. „Was zunächst in den Türkei, Ungarn und Polen begann, kam dann immer näher“, konstatierte der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm. Spätestens die „No-Billag-Initiative“ in der Schweiz habe auch hierzulande „wie eine Art Weckruf“ gewirkt. Die Konkurrenz kapitalstarker internationaler Streamingdienste wie Amazon Prime, Netflix, demnächst auch Apple TV mit immens hohen Budgets für einzelne Produktionen schrecke ihn weniger. Auf eine entsprechende Frage von Moderator Lutz Hachmeister entgegnete Wilhelm, auf Deutschland bezogen sei das Produktionsbudget der ARD für fiktionale und dokumentarische Stoffe „mit Abstand das größte“. Die Strategie der ARD bestehe neuerdings in der Rechteteilung für größere Produktionen, wie zuletzt bei der erfolgreichen Serie „Babylon Berlin“, die von der ARD Degeto mit Streaming-Anbieter Sky koproduziert worden war.

Für Thomas Kralinski, Medienstaatssekretär Brandenburgs, dürfte sich die Debatte um den Rundfunkbeitrag in den nächsten beiden Jahren zuspitzen. Es gehe dabei auch um die Frage, wie öffentlich-rechtliche Medien künftig organisiert sein müssten, „damit sie relevant, attraktiv und über alle sozialen Schichten hinweg akzeptiert sind“. Zugleich gelte es, auf das veränderte Nutzungsverhalten des Publikums einzugehen. Wenn sich die Mediennutzung mehr und mehr ins Netz verlagere, werde es künftig weniger auf den jeweiligen Absender ankommen, sondern auf die Qualität der Inhalte. Der einzelne Sender werde weniger wichtig, entscheidend sei die Wiedererkennbarkeit als öffentlich-rechtlicher Inhalt.

Der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke rief die gemeinsam mit dem DGB im Frühjahr ins Leben gerufene Initiative zur Verteidigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Erinnerung. Dieses „starke zivilgesellschaftliche Bündnis“  unter Beteiligung von Gruppen wie der Caritas bis hin zum Lesben- und  Schwulenverband habe klare medienpolitische Forderungen erhoben: etwa gegen die Einschränkung des Telemedienauftrags und für eine angemessene Beitragserhöhung. Um die Qualitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ins allgemeine Bewusstsein zu rücken, sei „stärkere Profilarbeit“ nötig. Als positives Beispiel nannte Werneke die soeben in der ARD gelaufene „Themenwoche Gerechtigkeit“ – mit „guten, auch unterhaltsamen Stoffen, in denen die Lebenswirklichkeit von Menschen aufgegriffen wurde“.  Deutschland könne sich allemal einen Wettbewerb zweier starker öffentlich-rechtlicher Marken wie ARD und ZDF leisten, vor allem im Nachrichten- und Informationssegment. Die Akzeptanz dieser Programme sei gegenwärtig „so hoch wie seit vielen Jahren nicht mehr“. Problematisch sei allerdings, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen kaum noch erreicht würden. Das gelte für Gruppen, „die sich in einer politischen Blase bewegen“. Aber auch bei Menschen mit Migrationshintergrund bestehe die Gefahr einer Herausbildung „medialer Parallelwelten“.

ARD-Vorsitzender Wilhelm nahm die Politik in die Pflicht. Diese komme kaum noch nach mit der Anpassung des medienrechtlichen Rahmens an die medientechnologische Entwicklung. Für ARD und ZDF gehe es vor allem darum, die eigene Leistungsfähigkeit durch die Politik abgesichert zu wissen. Das gelte auch für die digitalen Auftritte: „Je mehr sich die Meinungsbildung ins Netz verlagert, desto präsenter müssen wir dort auch sein“. Dies erfordere auch eine bedarfsgerechte Finanzierung. Die Forderung mancher Medienpolitiker nach mehr Sparanstrengungen der Sender dürfe nicht zu Lasten von Inhalten gehen.

Medienstaatssekretär Kralinski  erörterte das Für und Wider einer Neuorganisation der Rundfunkfinanzierung. Die in der Rundfunkkommission diskutierte Indexierung des Rundfunkbeitrags (also die regelmäßige Anpassung an die Inflation) könne die Problematik „ein bisschen entpolitisieren, weil man nicht alle drei, vier Jahre durch die Landtage muss“. Eine Indexierung könne zudem möglicherweise das Prozedere „nachvollziehbarer“ machen und zu einer größeren Akzeptanz in der Bevölkerung führen.

Für ver.di-Vize Werneke lautet die Grundfrage: „Wollen die Länder auch künftig einen ausreichend finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk?“ Es bedürfe einer „Finanzierungsperspektive, die ausreicht, um  technologischen Wandel, um Einkommenssteigerungen für die Beschäftigen auszugleichen und um wettbewerbsfähig zu bleiben“. Er äußerte Sympathien für das „Modell einer längerfristigen Festlegung eines Finanzierungsweges“. Dies sei allerdings aufgrund der starken Präsenz der AfD speziell in einigen ostdeutschen Ländern stark „risikobehaftet“.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wolle nicht expandieren, sondern erwarte einen „Teuerungsausgleich“, resümierte ARD-Vorsitzender Wilhelm. Und untermauerte dies mit Zahlen. Die ARD habe in den Jahren 2009-2017 insgesamt 3,1 Prozent mehr Mittel aus dem Rundfunkbeitrag bekommen. Im selben Zeitraum seien die Verbraucherpreise um 10,6 Prozent gestiegen, die rundfunkspezifische Teuerungsrate sogar um 17,3 Prozent. Man sei jetzt an einem Punkt angekommen, „wo wir nicht mehr weitere Opfer anbieten konnten, die nichts mehr mit dem Programm zu tun haben“. Man müsse sonst auf Formate verzichten, für die es außerhalb des öffentlich-rechtlichen Systems keinen Ersatz gebe. Denn kein anderes Medium sei willens und in der Lage, Hör- und Fernsehspiele, politische Qualitätsformate, Korrespondentenbüros und andere öffentlich-rechtliche Programmleistungen zu erbringen. Die Medienpolitik müsse sich entscheiden: „Noch mehr Sparen ohne gravierende Einschnitte ins Programm – das geht nicht.“

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