Auf die Hetze, fertig, los!

Fast zwei Jahre ist es nun her, dass Bundesjustizminister Heiko Maas Facebook und Co. den Kampf angesagt hat. Nachdem der anfängliche Kuschelkurs inklusive Task Force allerdings nicht vom gewünschten Erfolg gekrönt war, blieb dem Minister nur noch die harte Tour: Ein Gesetz musste her. Nun ist es auf der Zielgeraden, das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“, dessen Inhalt genauso sperrig ist, wie sein Name.

Anbieter digitaler Plattformen sollen nun „offensichtlich rechtswidrige“ Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach Meldung von ihren Seiten löschen, andere rechtswidrige Inhalte innerhalb von sieben Tagen. Werden die gemeldeten Beiträge nicht fristgerecht entfernt, drohen den Plattformbetreibern Bußgelder in Höhe von bis zu 50 Millionen Euro. Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Von einem “Schnellschuss“ war da etwa die Rede, in Anspielung auf den Affenzahn, mit dem der Minister das Gesetz nun noch lieber gestern als heute durch die Instanzen jagen will. Ohne Rücksicht auf inhaltliche Verluste.

Ohne einen Dialog mit den zivilgesellschaftlichen Akteuren. Noch bevor die Experten ihre Stellungnahmen zum Gesetz eingereicht hätten, sei der Referentenentwurf zur Notifizierung der EU-Kommission vorgelegt worden, echauffierte sich etwa Constanze Kurz auf der re:publica Anfang Mai. Kritiker sehen in dem neuen Gesetz die Gefahr einer Privatisierung des Rechts. Maas will die Deutungshoheit über das, was Recht und Unrecht ist, den sozialen Netzwerken überlassen – und wirft damit die Meinungsfreiheit über Bord. Bestraft werden die nur, wenn sie rechtswidrige Inhalte nicht löschen. Ansonsten dürfen sie schalten und walten, wie es ihnen gut dünkt. Man muss kein Justizminister sein, um zu wissen, dass sie dabei im Zweifel lieber einmal zu viel als zu wenig löschen. Doch davon ist unserem Justizminister offenbar noch nichts zu Ohren gekommen. Der stellt sich taub gegenüber jeglicher Kritik und tut selbst konstruktiv vorgetragene Bewertungen des Gesetzes lieber als „pauschale Angriffe“ ab.

Er hat es aber auch wirklich nicht leicht. Erst werfen ihm diese Dauernörgler Tatenlosigkeit und Rumschwafelei vor und wenn er dann endlich etwas tut, dann ist es ihnen auch wieder nicht Recht. Dabei sind unter den Nörgelattacken durchaus ernstzunehmende alternative Lösungsansätze. Eine davon kommt aus Maas’ eigenen Parteireihen. So hat die rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin Heike Raab erst kürzlich gegenüber dem Evangelischen Pressedienst eine „Ertüchtigung“ der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia (FSM) vorgeschlagen, die dadurch weitere Aufgaben wie die staatsferne Kontrolle der sozialen Netzwerke übernehmen könnte. Dazu seien die Länder bereits in Gesprächen mit den Anbietern digitaler Plattformen, ob ein entsprechender Fonds für eine Stärkung der FSM eingerichtet werden könne. Ein ähnlich lautender Vorschlag kam auch vom Schriftstellerverband PEN. Er fordert in Analogie zur Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) ein unabhängiges Expertengremium, das über die Löschung und Sperrung von Inhalten im Netz entscheiden soll.

Freiwillige Selbstkontrolle, finanziert aus einem Fonds, in den auch die Plattformbetreiber selbst einzahlen müssten. Klingt doch eigentlich ganz gut, oder Herr Minister?

 

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Wahlsieg gegen die Pressefreiheit  

Angst und Verzweiflung. Das sind die Gefühle vieler Journalist*innen nach dem erneuten Wahlsieg des Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan (AKP) am Sonntag in der Türkei. Sind sie begründet? Was kommt als Nächstes auf die am Boden liegende Pressefreiheit zu? Und wie könnte es trotz allem weitergehen? Eine Kolumne aus Istanbul. 
mehr »

Gemeinsam gegen Hassrede im Netz

Das Bundeskriminalamt (BKA) und die Landesmedienanstalten intensivieren ihre Zusammenarbeit im Kampf gegen Hassrede und strafbare Inhalte im Netz. Ab sofort können alle Medienanstalten in Deutschland Verdachtsfälle von strafrechtlich relevanter Hassrede an die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet beim Bundeskriminalamt (ZMI BKA) melden. Bereits seit Mai 2022 arbeitet die Landesanstalt für Medien NRW eng mit dem BKA zusammen. Bis heute hat die Medienanstalt NRW knapp 700 Meldungen zugeliefert.
mehr »

Presserat berät über Döpfner-Leaks

Die Springer-Berichterstattung der vergangenen Wochen beschäftigt den Deutschen Presserat. Gleich zwei Fälle, die im Zusammenhang mit dem Springer-Verlag und der Bild-Zeitung stehen, muss der Presserat auf seiner nächsten Sitzung am 15. Juni 2023 behandeln. Grundlage für die Verfahren sind Beschwerden über die "Berliner Zeitung" und die "Zeit", die beim Presserat eingegangen sind. Beide Publikationen sollen den Pressekodex verletzt haben: Die "Zeit" den Persönlichkeitsschutz und die "Berliner Zeitung" den Informantenschutz.
mehr »

Gesetz zum Schutz von Whistleblowern verabschiedet

Nach dem Bundesstag hat heute auch der Bundesrat das neue Regelwerk zum Whistleblower-Schutz verabschiedet. Damit wurde endlich – nach anderthalbjähriger Verspätung – die Whistleblowing-Richtlinie der EU umgesetzt. Da dieser Schritt überfällig war, wird das sogenannte Hinweisgeberschutzgesetz zwar begrüßt, steht jedoch nach wie vor in der Kritik, da es keinen umfassenden Schutz für Whistleblower beinhaltet. Das Gesetz soll noch im Juni in Kraft treten.
mehr »