Aufregende Wochen ums EU-Urheberrecht

Flaggen der Mitgliedsstaaten in Straßburg vor dem Europäischen Parlament
Foto: fotolia

Die EU modernisiert das Urheberrecht: Ein Berichterstatter (SPD) tritt zurück. Das EU-Parlament hatte seine Vorlage im entscheidenden Punkt ins Gegenteil verkehrt. Auch sein CDU-Kollege findet keine Mehrheiten. Ein Beschluss wird Monat um Monat verschoben ebenso wie die Abstimmung über die Richtlinie im EU-Rat der Mitgliedsstaaten. Allenthalben gravierende Differenzen.

„Es sind relativ aufregende Wochen in Brüssel“, schrieb die Süddeutsche. „Es wird gekämpft und getrickst, als ginge es um alles oder nichts“. Beim Thema Urheberrecht? Ja tatsächlich. Denn es geht ums Geld, um viel Geld. Wer darf künftig online wo was lesen, hören oder sehen? Wer soll das bezahlen? Die Online-Dienste, die Verbraucher_innen oder keiner, weil’s „umsonst“ ins Netz gestellt wird? Und vor allem: Wer verdient daran? Die Urheber_innen und Künstler_innen, die Medien und die Unterhaltungsindustrie oder weiterhin nur die US-Internetgiganten wie Google und Facebook?

Streit tobt darum, unter welchen Bedingungen Rundfunkveranstalter ihre Online-Angebote künftig europaweit anbieten können. Die EU-Kommission will mit der „Verordnung über Online-Übertragungen von Rundfunkveranstaltern“ unter anderem ermöglichen, dass in Spanien lebende deutsche Rentner_innen heimische Serien in den Mediatheken von ARD und ZDF sehen können. Und um es einfach und günstig für die Sender zu machen, soll dafür das Herkunftslandprinzip gelten. Dann hätten EU-weite Lizenzen gleich bei Vertragsabschluss eingeheimst werden können.

Dagegen startete die Filmwirtschaft eine beispiellose Kampagne. Sie fürchtet wegen schwindender Lizenzeinnahmen um die Refinanzierung der Filmproduktion. Unterstützt von Konservativen und Liberalen bereiteten sie Tiemo Wölken, dem sozialdemokratischen Berichterstatter des Europäischen Parlaments, im Rechtsausschuss (JURI) eine Niederlage. Dabei wollte der SPD-Europaabgeordnete das Herkunftslandprinzip beschränken auf „audiovisuelle Werke, die von Rundfunkveranstaltern „in Auftrag gegeben und vollständig finanziert“ werden (M Online vom 24. November 2017).

Wölken startete einen zweiten Anlauf im EU-Parlament – und scheiterte wiederum. Mit 344 zu 265 Stimmen bei 36 Enthaltungen bestätigte das Plenum am 12. Dezember 2017 in Straßburg das vom Rechtsausschuss mehrheitlich beschlossene Verhandlungsmandat. Damit soll weiter generell das Territorialprinzip gelten, das Herkunftslandprinzip nur für „Sendungen von Nachrichten und Nachrichtenprogrammen“. Das Parlament habe eine Chance verpasst, den Bürgern in Europa Online-Inhalte leichter zugänglich zu machen, sagte Wölken nach der Abstimmung und legte sein Amt als Verhandlungsführer nieder.

Mit Wölkens Position wird sich sein noch zu wählender Nachfolger aber weiter auseinandersetzen müssen. Denn eine Woche später beschlossen die Mitgliedsstaaten ihre Verhandlungsposition: ein „begrenztes Herkunftslandprinzip“. Dies soll für Fernsehprogramme ausschließlich auf Filme und Serien angewendet werden, die von den Rundfunkveranstaltern finanziert und kontrolliert werden – unter Ausschluss von Koproduktionen mit Dritten und angekauften Filmen.

Keine Einigkeit gibt es im EU-Rat hingegen bei den zwei großen Konfliktpunkten in der „Richtlinie zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“: der Einführung eines Presseverleger-Leistungsschutzrechts und von obligatorischen Upload-Filtern auf Online-Plattformen. Im Abschlusspapier der estnischen Ratspräsidentschaft vom 13. Dezember 2017 wurden nach acht Sitzungen und sieben Kompromissanträgen zwar „erhebliche Fortschritte“ in Bezug auf die meisten Bestimmungen der neuen EU-Richtlinie konstatiert, beide Punkte müssen aber nun unter bulgarischem Vorsitz geklärt werden.

Die Differenzen sind beim Leistungsschutzrecht für Presseverleger am größten. Hier stehen sich zwei Alternativvorschläge gegenüber: eine weitgehende Unterstützung des Entwurfs von EU-Kommissar Oettinger (CDU) gegen einen Verzicht auf das neue Verlegerrecht. Stattdessen soll eine Art „Vermutungsregel“ eingeführt werden, um es Presseverlegern zu ermöglichen, gegen Urheberrechtsverletzungen im Netz vorzugehen.

Einen ähnlichen Vorschlag hatte bereits die vormalige Berichterstatterin des EU-Parlaments, Therese Comodini Cachia, im März 2017 vorgelegt, während ihr Nachfolger Axel Voss (CDU) den Presse-Leistungsschutz durchsetzen will (M Online vom 24. Oktober 2017). Weil der neue Berichterstatter dafür im Rechtsausschuss keine Mehrheit findet, wurde das für den 10. Dezember geplante JURI-Votum wieder von der Tagesordnung gestrichen. Die Abstimmung soll nun, wie Axel Voss kürzlich in Berlin erklärte, im März 2018 über die Bühne gehen.

Ob es bis dahin Einigkeit über die „sehr emotional diskutierten Themen“ geben wird? Mit dem Leistungsschutzrecht wollte die EU-Kommission erreichen, dass Geld von Google & Co. an die Presseverleger fließt. Die Online-Plattformen sollen Urheberrechtsverletzungen stärker kontrollieren (Upload-Filter) oder Lizenzvereinbarungen mit den Rechteinhabern oder Verwertungsgesellschaften abschließen. Auch dabei geht es ums Geld und wer wie viel in Zukunft bekommt. Sie dauern an, die aufregenden Zeiten in Brüssel.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Gemeinsame Standards für Medienfreiheit

In Brüssel wird der European Media Freedom Act (EMFA) bereits als "Beginn einer neuen Ära" zelebriert. Ziel der Verordnung ist es, die Unabhängigkeit und Vielfalt journalistischer Medien in der EU in vielfacher Hinsicht zu stärken. Doch wie er von den Mitgliedsstaaten  - vor allem dort, wo etwa die Pressefreiheit gefährdet ist wie Ungarn und der Slowakei - umgesetzt wird, zeigt sich erst im kommenden Sommer.
mehr »

Filmtipp: Die Saat des Heiligen Feigenbaums

Die Alten hüten die Asche, die Jungen schüren das Feuer. Konflikte zwischen den Generationen sind vermutlich so alt wie die Geschichte der Menschheit. Zumindest im Westen haben die im Rückblick als „68er-Bewegung“ zusammengefassten Proteste für tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzungen gesorgt. Angesichts des Klimawandels könnte sich das Phänomen wiederholen. Mohammad Rasoulofs Familiendrama, deutscher „Oscar“-Kandidat, beschreibt anhand der Demonstrationen im Iran, wie sich die Alten wehren.
mehr »

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »