Gebührendebatte in Großbritannien – ein Vergleich
Wie in Deutschland den öffentlich-rechtlichen Anstalten, wirft die private Konkurrenz auch in Großbritannien der BBC vor, durch eine allzu expansive Digitalstrategie den Wettbewerb zu verzerren (unser Foto: BBC-Newsroom in London). Der Erfolg der mächtigen BBC sowohl bei den traditionellen Medien Hörfunk und Fernsehen als auch mit neuen Multimedia-Diensten fiel zusammen mit einer Rezession der Werbeeinnahmen, die naturgemäß vor allem die Privaten traf. Als ab 2003 die Debatte um die neue – den deutschen Medienstaatsverträgen vergleichbare – Royal Charter begann, sah sich die BBC zu Zugeständnissen gezwungen.
„Wir wollten uns als guter kooperativer Player in der Medienindustrie profilieren, damit im Sinne einer größeren Balance alle eine faire Chance bekommen, und nicht nur die gebührenfinanzierte BBC“, bekennt Matteo Maggiore, BBC-Verantwortlicher für EU-Angelegenheiten und Internationale Politik. So löste zum Jahresbeginn der zwölfköpfige BBC Trust das Führungsorgan Board of Governors ab. Der Trust-Vorsitzende – die Mitglieder werden von der Regierung für fünf Jahre ernannt – ist zugleich Vorsitzender der BBC. Das Executive Board sorgt für die praktische Umsetzung der vom Trust vorgegebenen Unternehmensziele.
Auch auf der Insel haben sich die Verhandlungen über die Höhe der Rundfunkgebühr – in Großbritannien heißt sie Licence Fee – mit der Zunahme der innenpolitischen Kontroversen in ein Politikum verwandelt. Dass das Prinzip einer Gebührenfinanzierung vorerst erhalten blieb, verdankt die BBC ausgerechnet der letzten Labour-Regierung unter Tony Blair. Also einer Regierung, die seinerzeit mit dem Public Broadcaster in heftigem Clinch wegen der Berichterstattung über den Irak-Krieg stand. Trotz starken konservativen Gegenwinds gelang es Medienministerin Tessa Jowell 2005, den Versuch der Tories, die BBC stärker an die staatliche Leine zu legen, abzuwehren.
Zu den „Reform“vorschlägen der Konservativen gehörte nicht nur der Plan, einen Teil der Gebührengelder auch anderen Sendern zukommen zu lassen. Seit einiger Zeit gibt es in diesen Kreisen Überlegungen, die Gebühren durch Abonnements, Sponsorengelder und Werbung zu ersetzen. Mit der Royal Charter bleibt die Gebührenfinanzierung der BBC mindestens bis zum Jahr 2016 erhalten. Schon jetzt beginnt allerdings – auch da gibt es deutliche Parallelen zu Deutschland – eine Debatte über alternative Finanzierungsmodelle.
Freiwillige Selbstbeschränkung
Gänzlich ungeschoren kam die BBC indes nicht davon. Bereits im Herbst 2005 hatte sich die Senderleitung, um Planungssicherheit zu erhalten, für eine regelmäßige Gebührenerhöhung von 2,3 Prozent über der Inflationsrate stark gemacht. Nach Protesten der konservativen Opposition und dem Nationalen Industrieverband revidierte die BBC-Spitze ihren Vorschlag um einen halben Prozentpunkt. Das im Frühjahr dieses Jahres schließlich vom Parlament beschlossene neue, für sieben Jahre gültige Licence-Fee-Agreement lässt nicht nur jede Bindung an die Inflationsrate vermissen. Zugleich wird die BBC dazu verdonnert, die sozialen Kosten der Digitalisierung – den so genannten digital switchover – selbst aus dem Gebührenetat zu tragen. Dazu gehört etwa die Erstattung der Dekoderkosten für den Empfang digitalterrestrischen Fernsehens an sozial schwache Haushalte. Jeder Haushalt mit einem TV-Gerät ist verpflichtet die Licence Fee zu erwerben. Sie wird im Auftrag der BBC über einen Dienstleister, die kommerzielle Firma Capita Business Limited, eingeholt und liegt derzeit bei knapp 200 Euro pro Jahr je Haushalt. Das entspricht in etwa der Höhe der deutschen Rundfunkgebühr. Wobei diese Kosten in Großbritannien allein für TV bezahlt werden. Das Radio ist kostenlos empfangbar.
Zum Prinzip der freiwilligen Selbstbeschränkung der BBC gehört auch die Akzeptanz eines „Public Value Tests“ für alle neuen oder stark veränderten Services. Dabei wird jeder Service nach Kriterien wie Reichweite, Qualität und Wirkung auf den Wert abgeklopft, den das neue Angebot für den Gebührenzahler hat. Der erste Test beschäftigte sich mit dem Ende Juli von der BBC präsentierten so genannten i-Player. Dabei handelt es sich um ein Computer- Programm, das die Zuschauer in die Lage versetzt, einen großen Teil der BBC-Sendungen der vergangenen sieben Tage auf ihrem PC herunter zu laden. Ein Service, der in manchem an die vom ZDF bereits angebotene, von der ARD projektierte „Mediathek“ erinnert.
Der Test dauerte etwa sechs Monate. Er bestand zum einen aus der Überprüfung des Managementvorschlags durch den BBC Trust, zum anderen aus einer Marktanalyse durch das Office of Communications, kurz: Ofcom. Das Ofcom ist seit dem Communications Act 2003 für die bislang zersplitterte Regulierung im Bereich der elektronischen Kommunikation Großbritanniens zuständig. „Wir haben die Aufgabe, sicher zu stellen, dass die BBC nicht allzu sehr im kommerziellen Bereich wildert“, sagt Ofcom-Vorstandsmitglied Ian Hargreaves.
Infolgedessen musste die BBC nach entsprechenden Eingaben der privaten Konkurrenz einige Kompromisse eingehen. Ursprünglich wollte der Sender seinen Zuschauern komplette Serienstaffeln für bis zu 13 Wochen zum Download anbieten. Das Ofcom vertrat die Ansicht, eine so weit gehende Regelung zeitsouveräner Abrufdienste könnte der BBC gegenüber der privaten Konkurrenz erhebliche Wettbewerbsvorteile verschaffen und empfahl, das entsprechende Zeitfenster auf 30 Tage zu begrenzen. Auch musste die BBC starke Abstriche beim Download-Angebot für Spielfilme und Sportsendungen machen. Man darf gespannt sein, ob das britische Modell des „Public Value Tests“ auch bei den kommenden Staatsvertragsverhandlungen in Deutschland Pate stehen wird.