Von Manfred Kloiber |Was haben der 20. KEF-Bericht zur finanziellen Situation der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die handfesten politischen Auseinandersetzungen über die Erdogan-Satiren von Extra 3 und von Jan Böhmermann miteinander zu tun? Sehr viel – denn die Kritik an der türkischen Regierungsspitze zeigt, wie meinungsfreudig und unabhängig ein starker und in seiner Existenz gesicherter öffentlich-rechtlicher Rundfunk sein kann.
Kreative Autor_innen haben den Finger in eine tiefe politische Wunde gelegt. Ein mutiger Moderator hat es darauf ankommen lassen und einen Konflikt geschürt, der endlich ausgetragen werden muss. Selbstbewusste Redakteur_innen haben die Programme und die notwendigen Mittel dafür verantwortet – bringen eine wichtige gesellschaftspolitische Diskussion voran. Respekt – das ist alles andere als duckmäuserische Lügenpresse oder Staatsfunk. Das ist unabhängiger Rundfunkjournalismus vom Feinsten.
Doch diese Freiheiten werden bedroht von einem medienpolitischen Gezänk über die Höhe des Rundfunkbeitrags, das für ein so reiches und demokratisch so gefestigtes Land wie Deutschland nur noch unwürdig ist. Mitten drin: Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfes der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (KEF). Sie plädiert in ihrem 20. Bericht für eine weitere Senkung des pro Haushalt fälligen Beitrags auf 17,20 Euro – 30 Cent weniger als bisher.
Damit destabilisiert sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk weiter. Sie übt einen finanziellen Druck auf die Anstalten aus, der weder sachlich noch politisch geboten ist und die Qualität der allermeisten Programme bedroht. Die Entwicklung auf dem globalen Medienmarkt verlangt von den Sendern des öffentlich-rechtlichen Systems immer vielfältigere Angebote. Zielgruppen müssen bedient, große und sündhaft teure Sportevents übertragen, Kunst, Kultur und Wissenschaft ambitioniert vermittelt werden. Und alles nicht nur auf den klassischen Wellen in Radio- und Fernsehen, sondern auch mit neuen Internetangeboten und auf Social-Media-Plattformen. Das alles kostet sehr viel Geld. Doch statt Investitionen in gute Köpfe und hervorragendes Programm zu unterstützen, predigt die KEF mantramäßig ihr Stoßgebet von Personalabbau, Betriebsrentenkürzung und Wirtschaftlichkeit. Sie geht sogar soweit, dass sie in Fragen der Altersversorgung tarifpolitische Forderungen aufstellt und sie mit Mittelsperrung in Höhe von 100 Millionen Euro versucht durchzudrücken. Ein nie da gewesener und gefährlicher Eingriff in die Tarifautonomie von Gewerkschaften und Anstalten.
Schon jetzt ist klar – diesen Druck werden die Anstalten nicht mehr lange durchstehen. Schon jetzt sind die Sparzwänge in den Funkhäusern gewaltig. Festangestelltes Personal wird zu Hunderten abgebaut und durch freie Mitarbeiter_innen mit geringeren sozialen Schutz und Verdienstmöglichkeiten ersetzt. Leiharbeiter werden einfach vor die Tür gesetzt. Freie Autor_innen werden weggespart, viele von ihnen werden von ihrer Arbeit nicht mehr leben können.
Selbst die KEF hat inzwischen verlauten lassen, dass der Rundfunkbeitrag in der übernächsten Beitragsperiode wahrscheinlich auf über 19 Euro steigen werde. Wie aber will die KEF dieses Hin- und Her erklären? Würde stattdessen auf eine Senkung des Beitrags verzichtet, dann fielen die ohnehin schon dramatischen Einschnitte in die Programme der Sender wahrscheinlich ein wenig milder aus. Und gleichzeitig müsste die folgende Beitragsanhebung nicht ganz so drastisch sein.
Doch angesichts der vielen populistischen Klagen gegen den Rundfunkbeitrag vor allem aus Kreisen der Wirtschaft und der üblen Stimmungsmache innovations- und phantasieloser Zeitungs- und Zeitschriftenverleger gehen die Medienpolitiker lieber in Deckung. Statt dem Rundfunk eine Entwicklungsgarantie zu geben, ihm auch die Entfaltung im digitalen Raum zu ermöglichen, wollen sie den Rundfunk offenbar lieber beschränken. In den Hinterzimmern einiger Staatskanzleien wird bereits über eine Neubewertung des Auftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diskutiert, womöglich um einer angemessenen Beitragssteigerung aus dem Weg zu gehen.
Diese Strategie hat verheerende Wirkung auf die öffentlich-rechtlichen Programme: Sie signalisiert den Macher_innen, dass sie als eine der wenigen wirklich kritischen Instanzen von der Politik nicht mehr gewollt sind. Der AfD jedenfalls kann so wenig Rückgrat der Medienpolitik nur recht sein. Sie plädiert schon jetzt für einen steuerfinanzierten Staatsfunk, der wenig politischen Ärger macht und bei Bedarf – wie in Griechenland geschehen – auch einfach mal dichtgemacht werden kann. Ob die Gesellschaft das auch will, darf getrost bezweifelt werden.