Anachronismus Medienaufsicht

Mit denkbar knapper Mehrheit wurde der SPD-Politiker Marc Jan Eumann am 4. Dezember zum neuen Direktor der Landesanstalt für Medien und Kommunikation (LMK) Rheinland-Pfalz gewählt. Die besonderen Umstände dieser Wahl deuten auf Parteibuchwirtschaft in besonders schamloser Form hin. Ein Beispiel von vielen, das dringenden Reformbedarf in der Privatfunkaufsicht signalisiert.

Mit gerade mal 19 von 34 Stimmen wurde Eumann von der LMK-Versammlung, dem Aufsichtsgremium der Medienanstalt auf den Direktorenposten gehievt, eine Stimme mehr als nötig. Das allein macht noch keinen Skandal. Mehrheit ist Mehrheit – so läuft es nun mal in der Demokratie. Der Haken: Das Wahlprozedere selbst trug – vornehm ausgedrückt – eher vordemokratische Züge. Eine öffentliche Ausschreibung des Jobs gab es nicht. Eine Findungskommission besorgte die „Auswahl“ und erkannte nur einen Kandidaten für geeignet. Dessen Identität blieb bis zur Wahl geheim. Debatte und Wahl fanden hinter verschlossenen Türen statt. Die Initiativbewerbung eines anderen formal qualifizierten Kandidaten wurde aus formalen Gründen nicht zugelassen.

Dass ein SPD-Politiker in einem SPD-regierten Bundesland vom SPD-Freundeskreis der regionalen Medienanstalt zum Chef gekürt wird, ist erstmal keine Überraschung. Dass Mehrheiten knallhart nach der politischen Farbenlehre organisiert und durchgesetzt werden – so what! Die anderen machen es schließlich genauso. So weit, so vorhersehbar. Mit Marc Jan Eumann trifft es auch keinen völlig abgehalfterten Politiker, dem lediglich von seinen Parteifreunden ein lukrativer Versorgungsposten zugeschanzt wird. Der Mann ist – anders als andere, die sich in vergleichbaren Positionen tummeln – kompetent: Immerhin koordinierte Eumann seit 2000 als SPD-Fraktionsvorsitzender im nordrhein-westfälischen Landtag die Medienpolitik seiner Partei. Und bis zur Abwahl der rot-grünen Regierung unter Hannelore Kraft im Mai 2017 kümmerte er sich als Staatssekretär für Medien um Erhalt und Erweiterung der regionalen Medienvielfalt.

Allerdings kümmerte er sich engagiert auch um die korrekte politische Besetzung wichtiger Ämter in seinem Einflussbereich. Wie etwa bei der Kür des neuen Direktors der Landesanstalt für Medien (LfM) Nordrhein-Westfalen im Jahr 2016. Da galt es, die Wiederwahl des von den Genossen ungeliebten amtierenden Direktors und CDU-Mannes Jürgen Brautmeier zu verhindern. Das von Rot-Grün unter Federführung Eumanns aus dem Boden gestampfte novellierte  NRW-Landesmediengesetz enthielt praktischerweise den Passus, wonach der künftige Chef der LfM Volljurist zu sein hatte. Mit dieser „Lex Brautmeier“ war der Abgang des alten Direktors – er ist promovierter Historiker – faktisch erzwungen.

LfM-Direktor, dies ein weiterer Kernpunkt der NRW-Gesetzesnovelle, darf auch nicht sein, wer innerhalb der letzten 18 Monate vor Übernahme dieses Jobs einer Regierung oder einem Parlament angehört hat. Spätestens hier bekommt die Wahl Eumanns zum LMK-Chef in Rheinland-Pfalz ein intensives Geschmäckle. Gemessen an den von ihm selbst in NRW durchgesetzten Kriterien wäre er dort als Kandidat nicht in Frage gekommen. Wie sagt der Volksmund? Was kümmert mich mein dussliges Geschwätz von gestern? Die patzig-genervte Reaktion Eumanns gegenüber einer forsch nachfragenden Deutschlandfunk-Reporterin belegt, dass zumindest Spurenelemente von Schuldbewusstsein oder Scham vorhanden sind. Politische Integrität sieht indes anders aus. Der Vorgang ist somit geeignet, die um sich greifende Politiker-Verdrossenheit punktuell zu verstärken.

Anstelle des verhinderten CDU-Mannes Brautmeier wurde im Sommer 2016 in NRW übrigens Tobias Schmid zum neuen LfM-Direktor gekürt. Ausgerechnet Schmid, der Bereichsleiter Medienpolitik bei der RTL-Gruppe, zugleich Vorstandschef des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT). Der Cheflobbyist von RTL und in Personalunion des gesamten Privatfunks als Leiter einer Behörde, deren Hauptjob die Aufsicht über den Privatfunk ist? Das klingt bizarr und ist es auch. Zwar sei Schmid fraglos ein medienpolitischer Experte, monierte seinerzeit die Grüne Tabea Rößner, mit seiner Wahl werde allerdings der „Bock  zum Gärtner“ gemacht. Die Organisation Lobbycontrol  urteilte: „Der Interessenkonflikt ist offenkundig, schließlich berührt die Kontrolltätigkeit der Landesmedienanstalt direkt die Interessen von RTL und privatem Rundfunk.“ Und ein Staatsrechtler wunderte sich, wieso der Gesetzgeber in diesem Fall für aktive Politiker eine Karenzzeit von 18 Monaten vorschreibe, während er jenen den fliegenden Wechsel ohne jedwede Karenzzeit ermögliche, die zuvor zentrale Leitungsfunktionen im Rundfunk wahrgenommen hätten. Dennoch ging der Vorgang erstaunlicherweise ohne größeres Mediengetöse über die Bühne.

Sollte es daran liegen, dass einer breiteren Öffentlichkeit das Wirken dieser Kontrollgremien eher unbekannt und vermutlich gleichgültig ist? Das wäre ein Fehler: Die vom Bundesverfassungsgericht geforderten Prinzipien Staats- und Gruppenferne betreffen nicht nur den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sondern auch die den Privatfunk beaufsichtigenden Landesmedienanstalten. Diese werden schließlich mit zwei Prozent des Rundfunkbeitrags einigermaßen üppig alimentiert. Erst vor einem Jahr diagnostizierte der sächsische Landesrechnungshof der dortigen Landesmedienanstalt SLM, sie sei „überfinanziert“, betreibe eine Politik überhöhter Vergütungen und verschwende Mittel für Untersuchungen, die „keine praktische Relevanz“ erkennen lassen.

Erinnert sei auch an die peinliche Posse um die Neubesetzung des Direktorenamtes bei der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB). Dort musste der langjährige Direktor Hans Hege zwei Jahre länger als beabsichtigt auf seinem Posten ausharren, ehe nach einem dilettantisch geführten Berufungsverfahren eine Nachfolgerin gekürt war.

All diese Vorgänge schreien nach einer Debatte über die Rolle und Funktion der Medienanstalten. Aufgrund mangelnder Sanktionskompetenzen haftete ihnen früh das Image von Papiertigern an. Ging den Sendern eine Entscheidung der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt gegen den Strich, wechselten sie auch schon mal zu einer anderen. Wie etwa Sat.1, das sich nach einem Konflikt mit der LMK vor fünf Jahren einfach zur Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein ummeldete.

Fazit: Die föderal organisierte kleinteilige Medienaufsicht hierzulande ist hoffnungslos überfordert, von egoistischen Standortinteressen dominiert und in Zeitalter von Google und Co. schlicht zum medienpolitischen Anachronismus verkommen. Eine gründliche Reform erscheint überfällig.

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

Die unangemessene Provokation

Sie haben es wieder getan. Zum zweiten Mal nach 2020 verweigern die Ministerpräsidenten den öffentlich-rechtlichen Anstalten die von der KEF empfohlene Anpassung des Rundfunkbeitrags. Gegen diesen abermaligen Verfassungsbruch ziehen ARD und ZDF erneut vor das Bundesverfassungsgericht. Gut so! Denn nach Lage der Dinge dürfte auch dieses Verfahren mit einer Klatsche für die Medienpolitik enden.
mehr »

Komplett-Verweigerung der Rundfunkpolitik

Nachdem die Ministerpräsident*innen am heutigen Donnerstag zur Rundfunkpolitik beraten haben, zeichnet sich ein düsteres Bild für die öffentlich-rechtlichen Medien, ihre Angebote und die dort Beschäftigten ab. Beschlossen haben die Ministerpräsident*innen eine Auftrags- und Strukturreform und einen ab 2027 geltenden neuer Mechanismus zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags. Nicht verabschiedet wurde jedoch der fällige Rundfunkbeitragsstaatsvertrag.
mehr »