Der „Zeitungspirat“ ist untergetaucht

Verleger Michael Zäh hat mit seinen ehrgeizigen Projekten in Freiburg Schiffbruch erlitten/ZuS mit neuer Redaktion und neuer Ausrichtung

Freiburgs Freunde der „Zeitung zum Sonntag“ (ZuS) müssen Trauer tragen. Seitdem die neuen Haupteigentümer des Blattes, die Offenburger Verleger Peter Reiff („Offenburger Tageblatt“) und Wolfgang Obleser („Stadtkurier“ und „Guller“), am 1. Oktober die alte ZuS-Redaktion gefeuert und das Blatt der Medienagentur Kresse & Discher („Business in Baden“) übergeben haben, ist nur noch die Hülle die alte.

Für den neuen ZuS-Redaktionsleiter Ulf Tietge kein Problem: „Die Verleger haben uns gesagt, was sie erwarten, wir sind Dienstleister und richten uns danach.“ Bisher sei die ZuS „tendenziös“, mit Blick auf ein „linksalternatives Publikum geschrieben worden.“ Solches Herzblut will der neue Chef nicht verspritzen: „Wenn ich dieses Publikum verliere und dafür den Rest gewinne – okay“.

Schon in den ersten beiden Ausgaben hat die neue Redaktion so geschrieben, wie es dem Publikum in den rot-grünen Villenvierteln bestimmt nicht gefällt und zum Beispiel maliziös gefragt, warum die Friedensbewegung nicht gegen Osama bin Laden und stattdessen gegen die Bomben der USA auf die Strasse ginge. Der Redaktionswechsel sei „eine klare Absage an unser inhaltliches Konzept, sie wollten uns ausbooten“, behauptet Ex-Chefredakteurin Elisabeth Schmidt. „Eine rein wirtschaftliche Entscheidung“ dementiert Gerhard Müller, Geschäftsführer der „ZZ-Zeitungsgesellschaft“, der die ZuS jetzt gehört, zugleich Anzeigenleiter im Reiff-Verlag.

Qualitätsanspruch

Der Wechsel in der Redaktion ist der (vorläufige) Tiefpunkt einer vierjährigen Geschichte, die im November 1997 als bejubelte Neuheit in der Presselandschaft begann: „Eine rein anzeigenfinanzierte Zeitung mit Qualitätsanspruch auf dem Markt verankern“, wollte Jungverleger Michael Zäh (43). Der Magister der Philosophie, Fußballtrainer und Anzeigenverkäufer, hatte einen furiosen Start, als das örtliche Monopolblatt „Badische Zeitung“ seinen allseits beliebten Feuilletonchef entlassen wollte und die ganze Kulturszene in Aufruhr brachte. Ein halbes Jahr später stieg der Verlag Gruner+Jahr als Teilhaber ein und lancierte Regionalausgaben in Karlsruhe und Heilbronn. Doch die Ehe zwischen Klein- und Großverlag endete abrupt im September 1999 und die Regionalausgaben wurden eingestellt. Immerhin tilgten die Hamburger großzügig die Einstiegsverluste von rund 10 Millionen Mark.

Um die zu große Redaktion – immerhin fast 30 Redakteure – halten und seinen Traum vom „zweiten Zeitungshaus“ in Freiburg zu verwirklichen, begann Self-made-Verleger Zäh ein riskantes Spiel, das er ohne potenten Partner nur verlieren konnte. Eine kostenlose „Abendzeitung“ (zwei Mal die Woche) verursachte hohe Verluste und fraß den Erlös aus dem Börsengang (ca. 2,5 Millionen) des mittlerweile zur Aktiengesellschaft umgewandelten Zäh Verlages auf. Kurz darauf kündigte Zäh sinnigerweise in der „Welt“ an, eine Tageszeitung im Abonnement herauszubringen, die jedoch Anfang 2001 nach nicht einmal drei Monaten wieder eingestellt werden musste. Nur knapp 6000 Abonnenten wollten sie haben, trotz „Yellow-Card“ Paket mit lukrativen Werbegeschenken. Die Anzeigenerlöse blieben bescheiden.

Verlegerischer Dilettantismus

Zäh musste die nach wie vor gratis verteilte „Zeitung zum Sonntag“ im April an die Offenburger Verleger verkaufen und für seine Verlags AG Ende Juni Insolvenzantrag stellen. Elf Millionen Mark Forderungen haben über 500 Gläubiger angemeldet, darunter zahlreiche freie Journalisten, die ihre Honorare nicht bekommen haben. Zusammen mit den 10 Millionen von Gruner und Jahr und dem eingesammelten Aktienkapital hat Zäh in vier Jahren etwa 25 Millionen auf den Kopf gestellt. Zu holen ist nichts, der Insolvenzverwalter hat „Massearmut“ angemeldet. Zuletzt noch 30 Redakteure und Verlagsangestellte mussten den Gang zum Arbeitsamt antreten.

Wie konnte es zu diesem Scherbenhaufen kommen? „Hier haben sich ausgezeichneter Journalismus und gnadenloser verlegerischer Dilettantismus gepaart“, vermutet der Freiburger Rechtsanwalt Hans-Albert Stechl. „Wir sind keine Kaufleute und hatten anderes im Kopf als Zahlen“, verteidigt sich Ex-ZuS-Herstellungsleiter Peter Blöcher. Andererseits wollen die bis zuletzt treuen Mitarbeiter „kein Tribunal“ gegen Michael Zäh. An rechtzeitigen Warnungen, auch seitens der Journalistenverbände, hat es freilich nie gefehlt, profilierte Leitartikler verließen das Blatt entnervt, als der Weg in das Fiasko sich abzeichnete. Der Verleger, der „das Wunder von Freiburg“ beschwor und sich gerne als „Zeitungspirat“ feiern ließ, ist auf Tauchstation gegangen. Bis zuletzt hatten Zäh und andere Eigner hohe Beträge in die Aktiengesellschaft zugeschossen. Zwei Kapitalerhöhungen fanden statt, ohne dass eine Zwischenbilanz vorlag. Wenn aber nur durch immer neue Zuschüsse die drohende Zahlungsunfähigkeit einer Firma nur hinausgeschoben wird, könnte auch eine verbotene Insolvenzverschleppung vorliegen. Die Staatsanwaltschaft hat die Akte Zäh bereits auf dem Tisch.


  • Heinz Siebold lebt und arbeitet als freier Journalist in Freiburg und leitet das net.work Presseteam.
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