Die neue Feminale

„Focus Iran“ beim ersten gemeinsamem Internationalen Frauenfilmfestival in Köln

Wie Löwinnen hatten sie um ihre Existenz gekämpft. Aus Spargründen mussten die beiden wunderbaren unabhängigen Internationalen Frauenfilmfestivals „femme totale“ (Dortmund) und „Feminale“ (Köln) fusionieren. Doch realitätstüchtig, wie Frauen nun einmal sind, haben sie selbst aus ihrer Niederlage noch das Beste gemacht. Das neue gemeinsame Internationale Frauenfilmfestival Dortmund / Köln, ging mit politischer und kultureller Sprengkraft in Köln an den Start.

Alles drehte sich um künstlerische und journalistische Freiheit. Im Vordergrund stand das Sonderthema des Festivals „Focus Iran“. Einen starken, solidarischen Eindruck hinterließen die iranischen Filmemacherinnen beim Publikum. „Wie schafft ihr es bloß, trotz Zensur mit Frauenfilmen derart präsent zu sein“, fragte eine algerisch-stämmige Journalistin aus Frankreich. Sie schlug vor, den emanzipatorischen Schwung der iranischen Regisseurinnen zu nutzen und ein orientalisches Netzwerk zu bilden.
In Podiumsdebatten ging es allerdings vor allem auch um den Umgang mit der Zensur, dem sich jeder iranische Populärfilm unterwerfen muss. Filme dürfen in iranischen Kinos nur gezeigt werden, wenn die Frauen in allen Szenen verschleiert sind und keine Liebesszenen enthalten, berichtete die renommierte iranische Filmemacherin Tahmineh Milani. Das sei „eisernes Gesetz“. So wie man in England auf der linken Straßenseite fahre, müssten sich Frauen im iranischen Film verhüllen. Und zwar selbst in jenen Szenen, die im Haus spielen, wo real der Tschador gar nicht getragen werden muss.
Milani vermittelte mit ihrer Filmkomödie „Cease Fire“ (zu Deutsch: Feuer Einstellen) jedoch den Eindruck, dass es iranischen Frauen sowieso derzeit weniger um die Thematisierung weiblicher Erotik geht. Vielmehr tobt ganz offensichtlich der alltägliche Geschlechterkampf. In den Ehen kriselt es. Lautete das Motto der westlichen Frauenbewegung einst „Unter dem Pflaster liegt der Strand“ so heißt es bei den Iranerinnen nun „Unter dem Schleier gährt der Widerstand“. Die Hauptdarstellerin würde also vermutlich auch nicht vor der Kamera ihren Liebsten küssen, wenn der Zensor es nicht verbieten würde. Stattdessen wird temperamentvoll Geschirr zerdeppert, um Frauenrechte zu verteidigen. Ehemänner werden mit scharfzüngigen Wortgefechten in den Wahnsinn getrieben. Beispielsweise geht es dabei darum, dass er doch bitteschön seinen Aschenbecher selber zur Fernsehcouch holen sollte.
Die Zensur im Iran sei einschneidend, jedoch nicht einzig Spezialität islamischer Staaten, meinte die Exiliranerin und Fernsehautorin Afsar Sonia Shafie, die in der Schweiz lebt und über die subtilere und weniger offensichtliche Zensur im Schweizer Fernsehen berichtete. Dort würde nur anders argumentiert: „Das verkaufe sich nicht gut“. Schränke im Iran die fundamentalistische Religion die Pressefreiheit ein, so sei es in westlichen Ländern das Kalkül des Marktes. Die Schlussfolgerung Shafies: Freie Meinungsäußerung wird nirgendwo auf dem Silbertablett serviert: „Überall muss um freie und wahrhaftige Berichterstattung gekämpft werden“.
Im Wettbewerb wurde „On a Friday Afternoon“ von Mona Zandi Haghighi mit besonderem Lob bedacht. Obgleich das Ende des Films für westlich sozialisierte Frauen nicht unbedingt nachvollziehbar ist: Einem Vater verzeihen, der seine Tochter verstoßen hat, und sie anschließend nicht einmal im Gefängnis besuchte? Obgleich doch die „Schuld“, die diese „auf sich geladen hat“, einzig darin besteht, von ihrem Onkel missbraucht worden zu sein! Doch das „Happyend“ der Familienharmonie und Vergebung ist kein Ergebnis der Zensur, sondern von der Regisseurin gewollt. Freilich wurde darüber kontrovers debattiert: In Manijeh Hekmats Spielfilm „Womens Prison“ wird etwa gezeigt, dass iranische Frauen sich durch staatliche Repression wenig beeindrucken lassen. Doch bekanntermaßen fällt die Auseinandersetzung mit der eigenen Familie immer am schwersten. Gerade in Ländern, in denen die Familientradition viel intensiver gepflegt wird als hierzulande.
Das Mekka für Lesben ist indes aus nahe liegenden Gründen eher nicht im „Focus Iran“ zu finden. Kult für die Szene ist der amerikanische Streifen „Loving Annabelle“ von Katherine Brooks ein flotter Streifen aus dem Mädcheninternat in Anlehnung an „Mädchen in Uniform“ (1931), jedoch mit äußerst freizügigen Liebesszenen. Auch in Jan Dunns britischen Film „Gypo“, geht es um die Liebe von Frau zu Frau: Die junge Osteuropäische Migrantin Tasha fühlt sich zur resoluten, aber etwas schrägen englischen Familienmutter Helen hingezogen. Tasha gibt ihrer Liebespartnerin Anschauungsunterricht in Sachen Lebenslust – trotz all ihrer Probleme mit Aufenthaltsstatus und rassistischer Gewalt.

Grausamkeit original

Einen ungewöhnlich politisch brisanten Dokumentarfilm über den Tschetschenienkrieg präsentierte das Festival in seiner Kategorie „Panorama“. In diesem Programm wurden, außerhalb des Wett­bewerbs, aufgrund einer weltweiten Ausschreibung eingesandte Neuentdeckungen gezeigt. Zum Beispiel der niederländische Film „Three Comrades“ der russischen Regisseurin Masja Novikova. Sie skizziert die Geschichte dreier ehemals in Grosny lebender Freunde – zwei von ihnen starben im Krieg. Das Besondere an diesem Film ist, dass er zum Teil aus originalem Videomaterial besteht. Gedreht ist es vom im Krieg umgekommenen Reporter Ramzan Mezidow, der während der Kriegsjahre für Grosny TV, aber auch für die ARD gearbeitet hat. Novikova gelingt es, in ihrem Film zu verdeutlichen, mit welcher Grausamkeit der Kriegsterror in den Alltag der Zivilbevölkerung einbrach.
Sie zeigt in ihrer Dokumentation, wie zwei junge Frauen ihren Liebespartner verlieren. Und wie alle persönlichen Träume, Hoffnungen und Lebenspläne von drei jungen Männern plötzlich in sich zusammenbrechen. Durch die Schilderung der Lebenssituation konkreter Menschen – in der Zeit vor, während und nach dem Krieg – schaffen die Bilder in Novikovas Dokumentarfilm eine andere emotionale Bindung zum Zuschauer als anonyme Nachrichtenbilder. Die Message: Die Menschen, die dort gestorben sind und ge­litten haben, sind wie wir; nicht einfach Opfer eines fernen Krieges. Sie liebten Rock­musik; waren jung, intellektuell und rebellisch und sie hätten nicht im Entferntesten daran geglaubt, jemals einen Krieg erleben zu müssen; Novikova würde ihren Film gern auch im deutschen Fernsehen zeigen – und sei es nur aus Respekt vor der ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja, die sie gut kannte.
Und wie geht es den Festival-Organisatorinnen Beate Preisler (Köln) und Silke Räbiger (Dortmund) und ihrem Team, die all diese spannenden Filme und internationalen Trends der Frauenbewegung nun zukünftig gemeinsam ausgraben und präsentieren? Immerhin müssten die Festival-Leiterinnen nicht, wie zuvor, „immer mal wieder zeitweise in die Arbeitslosigkeit abtauchen“, so war zu erfahren. Doch professionelle Honorarkräfte wie Stefanie Görtz und Betty Schiel, die das Festival mit ihrem organisatorischen Know-How von der Vorbereitung über die Pressearbeit bis zur Moderation gestalten, sind immer noch gezwungen, von Festival zu Festival zu tingeln, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Zwischen einem Job und dem nächsten gibt es immer wieder arbeits- und erwerbslose Zeiten.

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