Eine Freiheit, die nur einigen gehört?

Komponist Matthias Hornschuh
Foto: GEMA

Geistiges Eigentum ist im Plattformkapitalismus kein Thema, Urheberrechte fair zu vergüten auch nicht. Das macht die Brisanz der EU-Richtlinie aus. Die Debatte über die Urheberrechtsreform wird verzerrt. Es geht nicht um Uploadfilter. Es geht um Lizenzen, die Plattformen für die Nutzung von Werken abschließen sollen. Es geht um faire Bedingungen für Urheber, auch für YouTuber.

Vor kurzem deckte jemand in einer Facebook-Gruppe auf, was für ein Menschenschlag das ist, der – unbegreiflicherweise – die EU-Urheberrechtsrichtlinie fordert und stützt. Ganz klar: alte Männer, für die das Internet gleichbedeutend sei mit E-Mail und Porno.

Ich meldete spontan Bedenken an, ob es denn fair sei, diese intimen Details über das Mediennutzungsverhalten meiner Kollegen und mir öffentlich zu machen. Doch bleiben wir ernsthaft: Ein Aspekt dieser Kategorisierung erschien mir, gelinde gesagt, bedenklich: Abgesehen von der Frage, ab wann ein Mann als „alt“ gilt (über dreißig, über 35?): Sollten denn diese Personen kein legitimer Teil derjenigen sein, die über das Digitale mitzureden haben? Anders gesagt: Sollte dieses Netz, welches vehementen Forderungen und Zuschreibungen zufolge organischer und untrennbarer Teil unserer Welt ist, nicht auch die Welt alter Männer über dreißig sein? Sein dürfen, ja: müssen?

Drohgebärden durch Anonymus?

Wenn es so ist, dass diejenigen, die derzeit protestierend auf die Straße gehen, sich vor allem anderen für die Freiheit einsetzen – und ich habe keinen Anlass das zu bezweifeln –, müsste der bedingungslose Anspruch auf diese Freiheit nicht ohne Anschauung von Person, Alter, Geschlecht, Ethnie gewährleistet sein?

Was ist das für eine Freiheit, die nur einigen gehört? Was ist das für ein Freiheitskampf, der Bombendrohungen gegen einen Parlamentarier in Kauf nimmt? Drohgebärden durch Anonymus? Der sich vollständig auf eine Handvoll zentraler angstbesetzter Begriffe stützt und keinerlei Dialektik zulässt? Der bedingungslos die Sach- und die Beziehungsebene über den Haufen wirft und seine Triebkraft aus der Verunglimpfung von Einzelpersonen zieht?

Mir ist bewusst, dass spätestens an dieser Stelle die Kritiker der Richtlinie Einspruch erheben: Moment, ihr habt uns doch als Bots bezeichnet.

Nein. Eben nicht. Aber man will es sie glauben machen. In der F.A.Z. wurde im heißen Sommer 2018 das auffällige Missverhältnis der Zahlen beschrieben: Irrwitzige Mail- und Tweet-Mengen standen da so gut wie nicht stattfindender Demobeteiligung gegenüber, was den Schluss zuließ, es handele sich wohl nicht um eine Graswurzel-, sondern um eine Kunstrasenbewegung. Die Zahlenverhältnisse haben sich verändert, und ich kenne niemanden, der das bestreiten wollte. So wie ich übrigens auch niemanden kenne, der kritisieren wollte, wenn Menschen in einer Demokratie für Freiheit demonstrieren.

Eine Kampagne wie bei Trump und beim Brexit

Der netzaffinen Jugend allerdings zu erzählen, man habe sie als Bots verunglimpft, um sie zu mobilisieren, das ist Teil des infamen Spiels, das es im Anschluss an diesen ganzen Wahnsinn aufzuarbeiten gelten wird. Dabei wird es um sehr viel mehr gehen als nur ums Urheberrecht. Die Parallelen des Campaignings zu Trump und Brexit springen einen geradezu an. Es geht längst um die Demokratie und in diesem Zusammenhang um die Regeln für deren öffentliche Räume. Diese Hoheit liegt zurzeit bei genau denjenigen amerikanischen Konzernen, um deren Regulierung es aktuell in Brüssel geht. So ein Zufall?

Matthias Hornschuh

arbeitet als freischaffender Komponist in Köln. Er engagiert sich an den politischen Schnittstellen von Kultur, Medien, Digitalem und Politik, u.a. als Vorsitzender des Berufsverbands mediamusic e.V., als Mitglied im Aufsichtsrat der GEMA, in der Initiative Urheberecht und bei ver.di. Der Text ist die schriftliche Fassung eines Impulses im Rahmen des Medienbrunchs der Initiative Urheberrecht in der Berliner Akademie der Künste am 23.03.2019.


Dieser Beitrag wurde zuerst am 26. 3. 2019 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung online veröffentlicht.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

Die unangemessene Provokation

Sie haben es wieder getan. Zum zweiten Mal nach 2020 verweigern die Ministerpräsidenten den öffentlich-rechtlichen Anstalten die von der KEF empfohlene Anpassung des Rundfunkbeitrags. Gegen diesen abermaligen Verfassungsbruch ziehen ARD und ZDF erneut vor das Bundesverfassungsgericht. Gut so! Denn nach Lage der Dinge dürfte auch dieses Verfahren mit einer Klatsche für die Medienpolitik enden.
mehr »

Komplett-Verweigerung der Rundfunkpolitik

Nachdem die Ministerpräsident*innen am heutigen Donnerstag zur Rundfunkpolitik beraten haben, zeichnet sich ein düsteres Bild für die öffentlich-rechtlichen Medien, ihre Angebote und die dort Beschäftigten ab. Beschlossen haben die Ministerpräsident*innen eine Auftrags- und Strukturreform und einen ab 2027 geltenden neuer Mechanismus zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags. Nicht verabschiedet wurde jedoch der fällige Rundfunkbeitragsstaatsvertrag.
mehr »