Einigung auf Reform des Telemedienauftrags

Der Streit darüber, was öffentlich-rechtliche Sender im Netz dürfen, scheint entschieden. Sender,  Verleger und Medienpolitiker  haben sich auf Eckpunkte für einen neuen Telemedien-Staatsvertrag geeinigt.  Demnach bleibt es beim Verbot der „Presseähnlichkeit“ öffentlich-rechtlicher Online-Angebote. Die Regeln für eine Verweildauer der Angebote sollen dagegen gelockert werden. Künftige Konflikte soll eine außergerichtliche Schiedsstelle klären.

Die Neuregelungsvorschläge für das Telemedien-Gesetz wurden im Anschluss an die Ministerpräsidentenkonferenz am 14. Juni in Berlin vorgestellt. Die Sender erklären sich bereit, das Verbot der Presseähnlichkeit zu akzeptieren.  Künftig soll bei den öffentlich-rechtlichen Angeboten im Netz der Schwerpunkt auf audiovisuellen Inhalten liegen. Weiterhin uneingeschränkt möglich sind „Angebotsübersichten, Schlagzeilen, Sendungstranskripte, Informationen über die jeweilige Rundfunkanstalt und Maßnahmen zum Zweck der Barrierefreiheit“.

„Wir haben wichtige Zugeständnisse zur Gestaltung der Angebote gemacht“, räumte ARD-Vorsitzender Ulrich Wilhelm ein. Zugeständnisse an die Verleger, die ARD und ZDF seit langem vorwerfen, durch ihre starke Text-Präsenz im Netz ihr digitales Geschäftsmodell zu gefährden. Gegen ein Urteil des Kölner Landesgerichts zugunsten der Verleger in Sachen Tagesschau-App ist derzeit sogar noch eine Beschwerde des NDR beim Bundesverfassungsgericht anhängig.

Die Verlegerseite begrüßte die Einigung. Sie sei eine „gute Voraussetzung, um das duale Mediensystem in Deutschland zu stabilisieren“, frohlockte Mathias Döpfner, Springer-Vorstandschef und zugleich Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Der „faire Interessenausgleich“ und die „klare Positionierung“ ermöglichten es den öffentlich-rechtlichen Sendern, „sich nun noch entschlossener auf die großen Wettbewerber im Bewegtbildmarkt  zu konzentrieren“.

ZDF-Intendant Thomas Bellut pries das Ergebnis als „wichtigen Schritt auf dem Weg in eine digitale Medienordnung“ und äußerte Verständnis für die Nöte der Verleger: „Die beitragsfinanzierten Rundfunkanstalten sollten den Verlagen den Freiraum für neue Geschäftsmodelle lassen – im gemeinsamen Interesse der Qualitätsmedien.“

Zum Gesamtpaket gehören auch neue, liberalere  Bestimmungen über die Verweildauer der in den Mediatheken präsenten Sendungen. Die bisherigen Fristen  – die so genannte 7-Tage-Regel – entfallen. Künftig dürfen auch Lizenzproduktionen – etwa europäische Filme und Serien, nicht jedoch US-amerikanische – in die Mediatheken eingestellt werden.

Angesichts der relativen Unbestimmtheit der neuen Regelungen ist jedoch weiterhin mit Auseinandersetzungen zu rechnen. Diese sollen künftig jedoch nicht vor Gerichten, sondern vor einer gemeinsamen paritätisch besetzten Schiedsstelle ausgetragen werden. Die Idee einer solchen Clearing-Stelle geht auf einen Vorschlag von Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue zurück.

„Nach langem Ringen sitzen heute nur Gewinner am Tisch“, konstatierte Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz und Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder. Die Neuregelung ermögliche den Sendern, „eine notwendige und zeitgemäße Weiterentwicklung ihrer Angebote vorzunehmen“. Gleichzeitig werde sie auch „den Interessen anderer Marktteilnehmer gerecht“.

Die Reaktionen auf die Reformpläne fallen durchaus unterschiedlich aus. Tabea Rößner, Medienpolitikerin der Grünen Bundestagsfraktion, erkennt in den vorgestellten Neuerungen „alles andere als eine Grundlage für ein zeitgemäßes und modernes Internetangebot. Das Verbot der Presseähnlichkeit werde nicht aufgehoben, sondern „eher noch manifestiert“. Die anvisierten Vorgaben für die inhaltliche und formale Gestaltung der öffentlich-rechtlichen Angebote seien ein „Eingriff in den Kernbereich der Programmautonomie“, mithin verfassungsrechtlich fragwürdig.  Das gelte auch für die paritätisch zu besetzende Schlichtungsstelle. Diese sei höchst problematisch, „denn danach bestimmen nunmehr Pressevertreter mit über die Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Auftrags“. Ihr Fazit: Die geplanten Regelungen legten den Sendern Ketten an und liefen daher auf einen „Rückschritt für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ hinaus.

Auch ver.di  hatte sich am 13.6. gemeinsam mit 23 anderen Organisationen für eine echte Weiterentwicklung des Telemedienauftrags ausgesprochen. Zu einer „wirklich zukunftsgerechten Reform“  gehörten die Streichung gesetzlich vorgeschriebener Löschfristen, des Kriteriums der Presseähnlichkeit und des Sendungsbezugs sowie die Beschränkungen bei den Archiven. Zu der heutigen Entscheidung der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten kommentierte der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke zudem: „Endlich haben sich die Länder auf eine Reform des Telemedienauftrags einigen können. Das ist die gute Botschaft. Aber was dabei herausgekommen ist, verkennt die wahren Gegebenheiten im Netz und bleibt gedanklich in der anlogen Welt stecken“

In die gegenteilige Richtung gehen Forderungen des Privatsenderverbands VAUNET (früher VPRT).  Dem Verband ist jede Liberalisierung der bisherigen Regelungen für die Mediatheken von ARD und ZDF ein Dorn im Auge. Eine längere Verweildauer öffentlich-rechtlicher Produktionen im Netz sei ein „reales Bedrohungsszenario“ für das Geschäftsmodell der Privaten, äußerte unlängst VAUNET-Vorstandschef Hans Demmel.  Ein definitives Ende des Konflikts zwischen den beteiligten Parteien scheint somit nicht in Sicht. Falls die Länderparlamente dem Beschluss der Ministerpräsidenten zustimmen, kann es voraussichtlich Anfang 2019 in Kraft treten.

Bis Ende 2018 geklärt werden sollen auch zwei andere medienpolitische Baustellen: das künftige Finanzierungsmodell der Öffentlich-Rechtlichen und ihr Programmauftrag. Darum kümmert sich eine Ende Januar gegründete Arbeitsgruppe der Länder, zu der Bayern, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Hamburg, Sachsen und Thüringen gehören.  Ginge es nach den Vorstellungen dieser AG mit dem sperrigen Namen „Neufassung der Beauftragung“, würde der Rundfunkbeitrag künftig an die Inflationsrate gekoppelt und alle zwei Jahre automatisch erhöht. Die nächste Beitragserhöhung stünde dann zu Beginn der nächsten Gebührenperiode ab 1. Januar 2021 an.

Wie hoch sie ausfällt, ist einstweilen ungeklärt.  Die Länder gehen bei ihren Überlegungen nicht vom derzeit geltenden Monatsbeitrag von 17,50 Euro aus, sondern von 17,20 Euro. Diese Summe hatte die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) den Ländern vorgeschlagen, weil nach ihrer Bedarfsrechnung ARD, ZDF und Deutschlandradio nicht mehr benötigten. Die Länder zogen es jedoch vor, den Beitrag nicht zu senken, um die 2021 wohl fällige Erhöhung nicht allzu drastisch ausfallen zu lassen. Den aus der Differenz von 30 Cent resultierenden Überschuss dürfen die Sender erst von 2021 an ausgeben.

Eine Indexierung des Rundfunkbeitrags hätte den Vorteil, das alle vier Jahre einsetzende politische Gerangel der Länder um die konkrete Finanzierung der Sender zu beenden. Die KEF würde allerdings bei dem neuen Modell  an Kompetenzen einbüßen. Anstatt selbst aufgrund einer Prüfung der Bedarfsanmeldungen der Sender die Beitragshöhe vorzuschlagen, dürfte sie künftig nur noch kontrollieren, ob ARD, ZDF und Deutschlandradio vernünftig wirtschaften. KEF-Vorsitzender Heinz Fischer-Heidlberger warnte in diesem Zusammenhang bereits vor „Schnellschüssen“.

Nach den Vorstellungen der Länder-AG sollen die Sender überdies mehr Eigenverantwortung erhalten.  Als programmliche Schwerpunkte schweben den Reformern demnach vor allem Information, Bildung und Kultur vor. Im Rahmen des bewilligten und indexierten Budgets sollen die Sender dann selbst entscheiden dürfen, welche und wie viele Kanäle sie in Fernsehen, Radio und Internet veranstalten. Die Reaktion  auf diese Überlegungen fällt einstweilen verhalten aus. Man werde, so ARD-Vorsitzender Ulrich Wilhelm, „den Vorschlag der Ländergruppe beurteilen, wenn er uns vorliegt“.

***Aktualisiert am 18.06.2018***

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