Das Europäische Parlament hat der Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt mit Mehrheit zugestimmt. Für die Initiative stimmten 348 Abgeordnete, 274 waren dagegen, 36 enthielten sich. Änderungsanträge, die Artikel zum Presseverleger-Leistungsschutzrecht und zur Haftung von Online-Plattformen zu streichen, kamen erst gar nicht zur Abstimmung.
In Straßburg wurde über das Ergebnis der Trilog-Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der EU-Kommission zur Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt vom 13. Februar 2019 abgestimmt. Hauptkonfliktpunkte waren auch hier die Neuregelungen für Online-Plattformen (Artikel 13, jetzt 17) und das neue Presseverleger-Leistungsschutzrecht (Artikel 11, jetzt 15). Gerade diese beiden Punkte wurden von einer Lobbyschlacht nicht gekannten Ausmaßes begleitet (siehe auch M Online vom 12. September 2018). Zehntausende Menschen hatten noch am 23. März 2018 in 50 Städten in Deutschland gegen die ihrer Meinung nach drohende Einführung von Upload-Filtern protestiert, während Künstlerinnen und Künstler, Urheberinnen und Urheber sich mit einem Appell „JA zur EU-Urheberrechtsrichtlinie“ an die Europaabgeordneten gewandt hatten, der Richtlinie ihre Stimme zu geben und den Weg frei zu machen für einen fairen Umgang zwischen den Plattformen, Kreativen, Rechteinhabern und Nutzerinnen und Nutzern.
Die Reform zielt auf die großen Online-Plattformen wie Google, Facebook, Twitter, auf denen User große Mengen Texte, Bilder oder Musikstücke hochladen, um sie zu teilen. Diese urheberrechtlich geschützten Werke sollen über Verwertungsgesellschaften lizenziert und vergütet werden. Künftig sollen nicht mehr Nutzer*innen selbst haftbar sein für eventuelle Schadensersatzansprüche, sondern die Plattformen. Sie sollen aktiv gegen Rechtsbrüche vorgehen oder sich um Lizenzen bemühen, von denen dann auch die Urheber*innen profitieren sollen.
Ausgenommen durch den Kompromiss, der durch Deutschland und Frankreich erreicht wurde, sollen junge und sehr kleine Unternehmen sein, die am Markt noch nicht erfolgreich sind. Auch private und nicht-kommerzielle Projekte, wie zum Beispiel Wikipedia, das sich einen Tag aus Protest abschaltete, sollen von den Regeln nicht betroffen sein.
Sogenannte Upload-Filter können eine technische Lösung zur Durchsetzung von Urheberrechtsansprüchen im Netz sein. Bereits heute überprüfen große Plattformen wie YouTube oder Facebook automatisch hochgeladene Inhalte auf mögliche Urheberrechtsverstöße und sortieren Verdachtsfälle aus. Für die Gegner der Gesetzesvorlage sind die Upload-Filter der Hauptkritikpunkt. Mehr als fünf Millionen Unterschriften haben sie gesammelt, gegen den entsprechenden Artikel der Richtlinie, der Upload-Filter allerdings nicht explizit verlangt. In diese Technik zu investieren, so die Kritiker, werde für viele Plattformen jedoch die einzige Möglichkeit bleiben, sich gegen mögliche Rechtsansprüche abzusichern.
Das neue Presseverleger-Leistungsschutzrecht (Artikel 15) umfasst ausdrücklich keine „bloßen Hyperlinks, neben denen einzelne Wörter stehen“. Es soll jetzt für zwei Kalenderjahre gelten und es ist ausdrücklich festgeschrieben, dass Journalist*innen an den Erträgen angemessen und proportional beteiligt werden müssen. Durch den neuen Artikel 12 wird die europagesetzliche Grundlage für die Beteiligung der Verlage an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften gelegt. Die neuen Artikel 14 bis 16 enthalten eine Reihe von neuen Rechten für Urheber*innen, so ein Auskunftsrecht über die Verwertung ihrer Werke und die damit erzielten Erlöse, an denen sie angemessen beteiligt werden müssen, sowie ein Rückrufrecht.
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) sieht in der vom Europäischen Parlament verabschiedeten Richtlinie zum Urheberrecht „einen notwendigen Schritt für die Durchsetzung besserer Vergütungen der Urheberinnen und Urheber sowie der ausübenden Künstlerinnen und Künstler“. Mit der Richtlinie werde der Anspruch der Kreativen auf angemessene und verhältnismäßige Vergütung europaweit vorgegeben. „Gewerkschaften und Verbände werden befähigt, ihre Mitglieder auch in Sachen Urheberrecht effektiv zu vertreten. Urheber*innen und ausübende Künstler*innen können nun kollektiv am Verhandlungstisch sitzen, und zwar auf Augenhöhe mit Verlagen und anderen Verwertern. Das macht die Durchsetzung einer angemessenen Vergütung erst möglich“, erklärte der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke zu den Regelungen zum Urhebervertragsrecht. „Nun ist die Bundesregierung gefordert, die europäische Regelung auch national umzusetzen und dabei die Rechtsposition der Kreativen nachhaltig zu verbessern, auch gegenüber den Verwertern.“ Erfreulich sei die Absicherung des deutschen Modells der gemeinsam von Autoren und Verlagen geführten Verwertungsgesellschaften. Deren Bedeutung würde durch die Richtlinie noch einmal gesteigert.
Die Richtlinie bedarf noch der Zustimmung des Europäischen Rates, der an der Aushandlung des Papiers beteiligt war.
Kolumne auf Kunst und Kultur Online:
http://kuk.verdi.de/aktuell/meinung-was-man-von-der-poltik-erwarten-darf-2399/
Mehr Hintergrund auch hier auf M Online:
Interview mit Valentin Döring, ver.di-Bereichsleiter Kunst und Kultur