Fachleute statt Politiker?

Rundfunkpolitische Vorschläge der schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD)

Großen öffentlichen Widerhall fand Ihr Vorschlag, Politiker und Politikerinnen aus den Rundfunkräten zu verbannen.

Simonis: Ganz so brutal war ich nicht. Ich halte es für vernünftig, die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sichern, wie sie in acht Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes festgelegt ist. Dazu gehört meiner Meinung nach, aus den Rundfunkaufsichtsgremien die Politiker rauszunehmen, denn es spricht nicht gerade für Staatsferne, wenn in den Aufsichtsratsgremien Politiker sitzen.

Sie haben Ihren Vorstoß nicht allein mit der Forderung nach Staatsferne begründet, sondern auch mit der mangelnden Professionalität von Politikern und Politikerinnen in den Aufsichtsgremien.

Ich will niemandem absprechen, nach einer gewissen Zeit Kenntnisse und Professionalität erreicht zu haben. Mir kam es bei meinem Vorschlag vor allem auf die Politikferne an. Die entscheidenden Fragen, die Rundfunk ausmachen, sind das Geld und die Inhalte. Aber wir dürfen die Gebühren nicht festlegen, denn das macht laut Verfassungsgericht eine eigene Kommission, die KEF, deren Spruch wir nur weitergeben. Und wir dürfen nicht ins Programm hineinreden und auf Inhalte Einfluss nehmen, auch das sagt das Verfassungsgericht. Dann sollten wir in der Konsequenz auch nicht Mitglieder der Gremien sein.

Aber die Verbände wollen Sie in den Gremien behalten?

In Schleswig-Holstein schlagen Verbände Personen vor, und die Verbände stehen dafür gerade, dass Fachleute kommen, zum Beispiel in die Unabhängige Landesrundfunkanstalt (ULR). Berufen wird durch das Parlament. Und wenn eine falsche Person benannt wird, die falsche Entscheidungen trifft, dann bin nicht mehr ich es, die die Entscheidung zu verantworten hat, sondern dann sind es die, die nach dem Gesetz das Sagen gehabt haben.

In Ihrem Vorschlag für eine andere Zusammensetzung der Rundfunkräte haben Sie nicht die Idee aufgegriffen, auch Vertreter und Vertreterinnen des Publikums in die Aufsichtsgremien zu berufen.

Wer – bitte – ist das Publikum, und wodurch zeichnet sich das Publikum aus? Wer ist legitimiert, aus der breiten Masse des Publikums Vertreter vorzuschlagen? Es hat keinen Zweck, jemanden zu entsenden, der nur einen schönen Nachmittag verbringen will. Sondern das müssen Fachleute sein, die von Rundfunkpolitik wirklich Ahnung haben.

Kompetent, was Inhalte, Technik, Abläufe in Rundfunkanstalten anbelangt, sind viele Mitglieder der Belegschaft.

Wenn jemand mit einem solchen Modell käme, kann man es sich angucken. Ich lehne es nicht von vornherein ab. Es muss nur sicher gestellt werden: unabhängige Kontrolle, aus Sachverstand genährt, kein eigennütziges Interesse, und Verantwortlichkeit gegenüber der Öffentlichkeit.

Sie wollen in die Rundfunkaufsicht neue Elemente aufnehmen, zum Beispiel Selbstverpflichtungserklärungen der Rundfunkanstalten. Wie stellen Sie sich das vor?

Die Idee haben wir aus der Verwaltungsmodernisierung bei uns entwickelt. Dabei gibt es Selbstverpflichtungen, bestimmte Standards auf jeden Fall einzuhalten. Durch Controlling, nicht mehr durch Kontrolle, wird sicher gestellt, dass sich die Beteiligten an die eigene Selbstverpflichtung halten. Ich habe erfahren, dass ARD und ZDF Selbstverpflichtungen eingehen und sich einem Controlling aussetzen wollen. Wenn man allerdings eine Selbstverpflichtung erarbeitet, geht das nicht nach dem Motto: Der Chef oben unterschreibt den Zettel, schickt ihn zurück, und dann ist die Sache erledigt. Sondern im Hause muss, so wie bei uns, die Selbstverpflichtung miteinander diskutiert werden, von unten nach oben, von oben nach unten. Jeder muss diese Selbstverpflichtungen kennen. Das ergibt übrigens schöne Möglichkeiten für Personal- und Betriebsräte, sich zu beteiligen und darauf hinzuweisen, was geht und was auf keinen Fall geht.

Als Teil einer Rundfunkreform sehen Sie auch eine Vereinfachung der Erhebung der Rundfunkgebühren. So treten Sie wie der bayerische Medienminister Erwin Huber (CSU) dafür ein, aus der Rundfunkgebühr je Gerät quasi eine Haushaltsgebühr zu machen. Außerdem wollen Sie ein neues Verfahren zur Festsetzung der Rundfunkgebühren, nämlich deren Indexierung. Wie soll das gehen?

Wir waren zuletzt in einer ziemlich schwierigen Lage: Der sächsische Landtag wollte den neuen Rundfunkgebührenstaatsvertrag nicht durchgehen lassen. Deshalb unser Vorschlag: Wir machen zusammen mit der KEF eine Indexierung. Die Grundausstattung des Jahres X ist das Basisjahr. Dann bildet man einen Preisindex, der die Steigerung von Personalkosten, für technische Neuerungen, für Online-gehen und dies und das umfasst. Um diesen Prozentsatz oder absoluten Betrag darf dann die Gebühr Jahr für Jahr steigen. Aber darüber nicht. Das würde bedeuten, dass kein Parlament mehr gezwungen würde, einer Gebührenerhöhung zuzustimmen, für die die Wähler und Wählerinnen ihre Abgeordneten vor Ort verhauen, ohne dass diese sagen könnten, ob die Erhöhung gerechtfertigt ist oder nicht. Wenn sich im Lauf der Zeit die Ausgangslage des Jahres X sehr stark verändert, könnte die KEF – die das Controlling über den Prozess hat -, den Index anheben. Die KEF kann jederzeit sagen: Da ist eine Entwicklung eingetreten, die haben wir nicht vorausgesehen.

Wird bei der kommenden Sitzung der Ministerpräsidenten und der Ministerpräsidentin wirklich eine Reform das Ergebnis sein oder doch wieder ein Reförmchen?

Nach dem, was die Rundfunkreferenten der Staatskanzleien festgestellt und erarbeitet haben, wird es eine Reform. Und auch der Punkt, dass Politiker nicht in den Gremien sein sollen, wird eines Tages Allgemeingut werden. Wenn nämlich wichtige Entscheidungen des privaten Rundfunks in einer zentralen Kommission der Landesmedienanstalten getroffen werden, wird auch die Frage, in welchem Gremium sitze ich und was habe ich da zu sagen, vollkommen uninteressant. Wie in Zukunft Beiräte und Kontrollräte aussehen werden, kann ich im Moment noch nicht sagen. Aber Veränderungen kommen schneller, als wir denken. Denn die neuen Kabelbetreiber, neue Technologien und was noch an neuen technischen Möglichkeiten kommt, werden nicht morgen, nicht übermorgen, aber überübermorgen die Rundfunklandschaft verändern. Und dann werden sich Fragen nach Einflüssen neu stellen.


  • Fragen: Friedrich Siekmeier
nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

KI beinflusst Vielfalt in den Medien

Künstliche Intelligenz kann journalistische Texte in verschiedene Sprachen übersetzen und damit viel mehr Nutzer*innen ansprechen. Gleichzeitig kann sie aber auch Stereotype, die in diesen Texten enthalten sind, verfestigen. Gefahren und Chancen von KI-Anwendungen im Journalismus standen im Fokus der diesjährigen NxMedienkonferenz der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM), die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.
mehr »

ARD & ZDF legen Verfassungsbeschwerde ein

Nachdem die Ministerpräsident*innen auf ihrer Jahreskonferenz Ende Oktober keinen Beschluss zur Anpassung des Rundfunkbeitrags ab 2025 fassten, haben heute ARD und ZDF Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt die Initiative.
mehr »

AfD als Social Media Partei überschätzt

Eng vernetzt mit dem extrem- und neurechten Vorfeld und gezielt provozierend mit rassistischem Content: Die Landtagswahlkämpfe der AfD in Sachsen, Thüringen und Brandenburg waren von einer hohen Mobilisierung geprägt, auch über die sozialen Medien. Eine aktuelle Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS) in Frankfurt am Main zeigt nun aber: die Auftritte der AfD auf Social Media sind weit weniger professionell als zuletzt häufig kolportiert und es gibt deutliche regionale Unterschiede.
mehr »