Kontroverse medienpolitische Lösungssuche bei „ver.di im Gespräch“
In der aktuellen Debatte um die Modernisierung des deutschen Rundfunkrechts hat sich ver.di in Kooperation mit dem Mainzer Medieninstitut mit einer Diskussionsveranstaltung zu Wort gemeldet. Sie bot im SWR-Landesfunkhaus eine Plattform für konstruktive Diskussionen. Vor allem der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag stand bei „ver.di im Gespräch“ zum Thema „Bilder und Töne – alles Rundfunk?“ Ende April in Mainz im Mittelpunkt.
Ver.di-Vize Frank Werneke konnte zur Eröffnung einen taufrischen Beschluss des Bundesvorstandes der Gewerkschaft vorlegen, der inzwischen auch mit einem Brief an alle Ministerpräsidenten unterwegs ist. Darin wird der März-Entwurf zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag besonders in den Regelungen zu Telemedien kritisiert. Wernekes Aufforderung, „ver.di im Gespräch“ nicht als Floskel zu sehen, sondern als Plattform für „strittige, kontroverse und nachhaltige“ Debatten zu nutzen, erfüllte sich in den folgenden Stunden. Die Mainzer SWR-Landesstudioleiterin Simone Sanftenberg wies auf die Folgen der digitalen Umbrüche hin. Angesichts sich verändernder Berufsbilder forderte sie „journalistische Qualität“ ein: „Multimedialität bedeutet nicht multimediale Alleskönner“.
Praktische Demonstrationen von aktuellen Medienangeboten halfen in Mainz, die Diskussion nicht nur theoretisch zu führen, weil sie verdeutlichten, was Konvergenz heute konkret bedeutet. Robert Amlung stellte die ZDF-Mediathek vor, die mit 9,4 Millionen Abrufen im März 2008 die Zugriffszahlen in einem Jahr um 40 Prozent gesteigert hat. Martin Liss von Mobile 3.0 skizzierte die Pläne des neuen Plattformbetreibers für mobilen Rundfunk und räumte „Startprobleme“ für das Gemeinschaftsunternehmen des südafrikanischen Naspers-Konzern mit den Verlagen Holtzbrinck und Burda ein. Frank Syré berichtete vom Online-Portal zoomer.de, das zwar Mitmachplattform sein will, aber mittels Redaktion nicht alles der Community überlassen will. „Wir sind und bleiben Presse im Internet“, sagte Hans-Jürgen Jakobs als Chefredakteur von sueddeutsche.de und plädierte für eine Kombination von „hohem journalistischem Anspruch durch Recherche“ mit „unterhaltsamem Geschichtenerzählen“ sowie mit multimedialer Gestaltung.
Genau diese Konvergenz, das Aufeinandertreffen der verschiedenen Angebote und Veranstalter im Internet, stellt für die Medienpolitik eine echte Herausforderung dar. Immerhin sind Rundfunk und Presse bisher völlig unterschiedlich geregelt, Telemedien noch nicht mal exakt definiert. Das soll schrittweise geändert werden und außerdem „müssen zwingend bis April 2009 die Zusagen Deutschlands an die EU“ im Gebühren-Beihilfe-Streit umgesetzt werden, sagte Prof. Dieter Dörr. Der Chef des Mainzer Medieninstituts plädierte u.a. „für externen Sachverstand bei der Ermittlung von Marktverträglichkeit im 3-Stufen-Test“. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollte dies nicht als Bedrohung, sondern „Chance zur Selbstjustierung“ nutzen.
Das kritisierte SWR-Justitiar Hermann Eicher, der im Streitgespräch mit dem Mainzer Staatskanzleichef Martin Stadelmaier auf eine „1:1-Umsetzung“ der EU-Vorgaben im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag insistierte. Der Chef des bei Rundfunk federführenden Bundeslandes räumte „Klärungsbedarf beim bisherigen Arbeitsentwurf“ ein, verwies aber darauf: „Wir gehen nicht über Brüssel hinaus“. Es gehe um eine „zukunftssichere Regelungsreform“. Für die sei eine „rein technisch-wirtschaftliche“ Betrachtung des Privatrundfunks ungenügend, mahnte Thomas Langheinrich als Präsident der LfK. Wichtig sei auch die Rolle von Plattformen, Suchmaschinen und Medien-/Kommunikations-Infrastruktur für Angebotsvielfalt im Interesse der Nutzer, sagte der derzeitige Chef aller 14 deutschen Landesmedienanstalten.
Bei der Abschlussrunde von „ver.di im Gespräch“ äußerte Tobias Schmid als Vizechef des Privatfunkverbandes VPRT Unverständnis über das „Geschrei von ARD und ZDF“ angesichts der ihnen in den neuen Rundfunkstaatsverträgen eingeräumten Privilegien und Spielräume. Auch der Chef der SPD-Medienkommission Marc Jan Eumann sieht eher eine „Stärkung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“, wenn er sich auf seine Kernkompetenzen besinne und größeren programmlichen Mehrwert biete. Entsprechende Entwicklungschancen in Rundfunkstaatsverträgen werde es durch „schrittweise Reformen“ geben, versicherte Rainer Robra als Chef der Staatskanzlei Sachsen-Anhalts. „Es kommt jetzt auf den Feinschliff an“, mahnte ver.di-Vize Werneke.
Nachtrag: Das erste Medienecho auf „ver.di im Gespräch“ glänzte mit Ignoranz oder Fehlern. So verzichtete epd in zwei Meldungen auf die Nennung der Veranstalter. Die FR schrieb sogar vom „9. Mainzer Mediengespräch“ und dichtete dies Veranstaltungsmoderator Uli Röhm vom ver.di-Arbeitskreis Medienpolitik an. Wenigsten hatte die FR genug Rückgrat, den „Quoten, Klicks und Kohle“-Streifen von SWR-Chefreporter Thomas Leif am gleichen Abend im Ersten als „schamlose Propaganda“ zu qualifizieren.
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