Informationsfreiheitsgesetz im Auswärtigen Amt nur schwer durchsetzbar
Bei Pressekonferenzen von Ministern werden Journalisten zuvorkommend behandelt. Ganz anders sieht es aus, wenn sie in deren Ministerien Akteneinsicht nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) beantragen. Die erste Hürde besteht darin, dass gegen Ablehnungen seitens oberster Bundesbehörden, also auch der Bundesministerien, kein Widerspruch eingelegt werden kann. Wer weiterkommen will, muss vor dem Verwaltungsgericht Berlin klagen. Das verursacht erhebliche Kosten und führt zu einer Zeitverzögerung, was den Klageweg für die meisten Journalisten unmöglich macht.
Anfang 2010 waren beim Verwaltungsgericht Berlin 29 Klagen und ein Eilantrag anhängig. In 21 Verfahren ist das Land Berlin Beklagte, in acht Verfahren die Bundesrepublik Deutschland. Inhaltlich handele es sich, so das Gericht, um einen „bunten Strauß“ unterschiedlichster Auskunftsbegehren. Die Urteile, die es schon gibt, fallen überwiegend restriktiv aus.
Mindestens zwei Klagen richten sich gegen das Auswärtige Amt (AA). Ein Doktorand, der Akten zur Sektensiedlung Colonia Dignidad in Chile sehen wollte, bekam eine Ablehnung.
Wenn der Inhalt solcher Akten, die jünger als 30 Jahre seien, bekannt würde – so das AA –, sei dies geeignet, die deutsch-chilenischen Beziehungen gravierend zu belasten und „Unruhe und Verunsicherung der derzeitigen Bewohner“ der Siedlung auszulösen, denn dort halten sich rechtskräftig verurteilte Führungsmitglieder der ex-Colonia Dignidad wegen Haftverschonung auf. Aber genau deren Anwesenheit löst Dauerkonflikte und Spaltungen in der Siedlung aus. Opfer und Täter laufen sich täglich über den Weg. (VG Berlin, AZ: VG 1 K 892/09)
Eine weitere Ablehnung betrifft einen Antrag auf Akteneinsicht zu „verschwundenen“ politischen Gefangenen in Argentinien. Der Antragsteller wollte Akten aus den Jahren 1998/99 zu einem „Major Peirano“ einsehen, einem argentinischen Geheimdienstler, der in den Räumen der Deutschen Botschaft in Buenos Aires mit den Angehörigen dieser „Verschwundenen“ verhandelt hatte. Es war ein offenbar mit diesen Angehörigen abgesprochenes, aber hochriskantes Verfahren. Als es zum Skandal kam, leugnete die Bundesregierung diese Zusammenarbeit zunächst, gab sie dann aber zu. Der damalige Bundespräsident Herzog versprach, so die Zeitungsmeldungen von damals, Einsicht in die Archive. Heute argumentiert das AA, eine Auswertung und Veröffentlichung der Akten sei „zum gegenwärtigen Zeitpunkt dazu angetan, das bilaterale politische Verhältnis zu Argentinien nachteilig zu beeinflussen“. Ein „Bekanntwerden von amtlichen Informationen vor Ablauf von 30 Jahren“ könne „als eine Einmischung in innerstaatliche argentinische Angelegenheiten betrachtet“ werden. Die argentinische Regierung öffnet ihre Archive, aber die deutsche zieht sich auf unüberprüfbare Empfindlichkeiten der argentinischen Seite zurück. Zudem enthalten die Akten Verschlusssachen, so das AA, und die Voraussetzungen für diese Einstufung lägen aktuell noch vor. Diese Behauptung ist unplausibel, aber für den Antragsteller nur auf dem teuren und langwierigen Rechtsweg überprüfbar. (VG Berlin AZ: VG 1 K 1.10)
Triviale Vorgänge werden zu Staatsgeheimnissen
Alle Bundesbehörden bieten Unterlagen, die sie nach ihrem Ermessen zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht mehr brauchen, dem Bundesarchiv in Koblenz an, das dann entscheidet, was vernichtet und was als Archivgut im Bundesarchiv Koblenz aufgehoben wird. Bis zu diesem Moment unterliegen die Dokumente dem IFG, ab da dem Bundesarchivgesetz (BArchG). Um die Ministerien zu entlasten, wurden in den sechziger Jahren bei Bonn, bei Berlin und in Freiburg (für militärische Unterlagen) drei Zwischenarchive eingerichtet, über die die Bundesbehörden Verfügungsgewalt haben und die deshalb dem IFG unterliegen.
Eine weitere Hürde: Für das AA gelten Ausnahmeregelungen. Es behält und verwaltet fast alle Akten. Sie liegen im politischen Archiv des AA, zu dem ein Hintereingang des Gebäudekomplexes führt. Sie werden zwar nach den Regeln und der Benutzungsverordnung des Bundesarchivs in Koblenz geführt. Das AA argumentiert aber, es brauche alle seine Archivalien (mit Ausnahme von Beständen des „alten Amtes“, also bis 1945) zur Pflege der auswärtigen Beziehungen und sei anderen Staaten gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichtet. Nach Auslegung des AA unterliegen Dokumente dem IFG, solange sie im Umlauf in den Referaten (vorderer Gebäudeteil) sind, und ab dann dem BArchG (hinterer Gebäudeteil). Das AA vergibt Signaturen ZA (=Zwischenarchiv), die aber Jahrzehnte zurückreichen. Diese Akten, die ebenfalls im politischen Archiv des AA liegen, werden nach dem BArchG behandelt. Wer Akteneinsicht beantragt, müsste eigentlich den jeweiligen rechtlichen Status der Akten kennen.
Bei Anträgen nach dem IFG kann das AA verweigern, wenn es um Verschlusssachen o.ä. geht oder außenpolitische Belange gegen eine Freigabe sprechen. Von dieser Möglichkeit macht das AA häufig Gebrauch. Es macht jahrzehntealte, eher triviale Vorgänge zu Staatsgeheimnissen und hat qua Amt eine Interpretationsmacht, die Benutzer nur schwer brechen können. Die Berliner Rechtsanwältin Petra Isabel Schlagenhauf, die einen Kläger gegen das AA vertritt, will das nicht gelten lassen: „Die Rechtssprechung gesteht zwar der Fachbehörde, in diesem Fall dem AA, ein gewisses Heimrecht der Interpretation von unbestimmten Rechtsbegriffen wie der Belastung der internationalen Beziehungen usw. zu, sie stellt aber auch klar, dass derartige unbestimmte Rechtsbegriffe durch die Gerichte voll überprüfbar sind. Das ist wichtig, weil die Behörden im allgemeinen dazu tendieren, Wertungen in diese Beurteilungen aufzunehmen, die – konfrontiert mit allgemein zugänglichen Quellen – einer kritischen Nachfrage nicht standhalten. Der Eindruck des Versuchs einer Geheimniskrämerei seitens der Behörden ist oft nicht von der Hand zu weisen.“