Knappe Mehrheit für Intendanten Raue

Ein neuer Mann an der Spitze des nationalen Hörfunks: Stefan Raue, Chefredakteur des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) wurde am 8. Juni in Köln zum Intendanten des Deutschlandradios (DLR) gewählt. Mit 26 Ja-Stimmen bei neun Gegenstimmen und einer Enthaltung fiel die Wahl denkbar knapp aus. Das Ergebnis bedeutete genau die Zwei-Drittel-Mehrheit, die der Kandidat benötigte.

MDR-Chefredakteur Stefan Raue ist ab 1. September Intendant des Deutschlandradios
Foto: MDR/Marco Prosch

Raue tritt die Nachfolge von Willi Steul an, der Ende vergangenen Jahres seinen Rückzug von der Intendanz angekündigt hatte. Steuls zweite Amtszeit hätte regulär erst Ende März 2019 geendet. Er hatte seinen vorzeitigen Rückzug mit der zugespitzten Debatte über die Perspektiven des öffentlich-rechtlichen Rundfunks begründet. Der Sender benötige daher in der kommenden Beitragsperiode einen „eingearbeiteten Intendanten“.

Bis zuletzt war die Wahl Raues im Hörfunkrat umstritten. Das lag weniger an seiner Person als am Wahlverfahren. Ursprünglich waren vier Kandidaten im Gespräch gewesen, darunter der amtierende DLR-Programmchef Andreas-Peter Weber. Die acht Mitglieder des Verwaltungsrats (VR) hatten nach einer kurzen Findungsphase zuletzt aber Raue als einzigen Kandidaten vorgeschlagen. Sehr zum Missfallen mancher Räte, die nicht lediglich den Wahlvorschlag  des VR unter Vorsitz des ZDF-Intendanten Thomas Bellut absegnen wollten. Dem Vernehmen nach wurde dieses Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung unmittelbar vor der Wahl abermals heftig kritisiert. Der Verwaltungsrat habe daraufhin zugesagt, künftig bei solchen Gelegenheiten den Hörfunkrat an der Arbeit der Findungskommission zu beteiligen.

Im Vorfeld der Wahl hatte es auch Kritik am üblichen parteipolitischen Geschacher gegeben. Namentlich der Chef der Stuttgarter Staatskanzlei, Klaus-Peter Murawski argumentierte, die Verfahrensweise widerspreche der Interpretation von Politikferne, wie sie vom Bundesverfassungsgericht formuliert worden sei. Er habe nichts gegen Herrn Raue, wurde der Rundfunkrat der Grünen Ende April von der FAZ zitiert, „aber dieses Muster, der jetzige Intendant war ein Schwarzer, deshalb muss jetzt ein Sozialdemokrat dran, sollten wir durchbrechen“. Zu einer „Denkzettelwahl“ kam es indes nicht. Raue wurde im ersten Wahlgang gekürt – mit der knappsten aller möglichen Mehrheiten.

Stefan Raue wurde 1958 in Wuppertal geboren. Von 1987 bis 1990 arbeitete er als Reporter beim WDR. Weitere berufliche Stationen: Politikredakteur und Chef vom Dienst bei RIAS TV und  TV-Redakteur der Deutschen Welle. 1995 ging er zum ZDF, wo er zuletzt stellvertretender Leiter der „heute“-Redaktion war. 2011 übernahm er die Chefredaktion des MDR in Leipzig.

Raue tritt sein neues Amt  am 1. September an. Zum Deutschlandradio gehören der Deutschlandfunk in Köln, Deutschlandfunk Kultur in Berlin sowie der digitale Deutschlandfunk Nova (Köln).

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Trumps digitaler Medienpranger

Donald Trump verfolgt mit seinen Attacken auf Medien und Journalist*innen drei Hauptziele: Ablenkung von eigenen Verfehlungen, Bindung seiner rechten Unterstützer*innen und Selbstbereicherung. Große Medienkonzerne unterstützen ihn, um eigene Profitinteressen zu fördern. Das Resultat ist eine Bedrohung von Pressefreiheit und Demokratie.
mehr »

Ein Plädoyer fürs Zuhören

Zuhören, Gehörtwerden, den Dialog auf Augenhöhe führen – das sind Schlagworte unserer Zeit, Leerformeln der politischen Rhetorik. Mit dem Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen sprachen wir über journalistisches Zuhören, BigTech und den Sofortismus der Sozialen Medien.
mehr »

Presse-Versorgung hält hohes Zinsniveau

Die Vertreter*innenversammlung der Versicherten der Presse-Versorgung hat beschlossen, die Gesamtverzinsung für das Jahr 2026 im dritten Jahr in Folge beizubehalten. Damit behauptet die Presse-Versorgung erneut ihre Spitzenposition im deutschen Lebensversicherungsmarkt.
mehr »

Digitale Mobilität als Machtfaktor

Smartphone, Social Media und Plattformen – wie werden Menschen durch mobile, vernetzte Medientechnologien sichtbar, und wer oder was bleibt unsichtbar? Welche Rolle spielen dabei Geschlechter- und Machtverhältnisse? Über diese Fragen diskutierten Medienforscher*innen  auf der Tagung „Bilder in Bewegung, mit Bildern bewegen: Gender, Macht und Mobilität“ in Tübingen.
mehr »