Lohnender Widerstand

Senderfusion RBB: Trotz Teilerfolg kritische Lage für Freie

Eines war allen Mitarbeitern von ORB und SFB, angestellten wie freien, von Anfang an klar: Bei einer Fusion von zwei Vollsendern würde Arbeit wegfallen. Besonders die Freien bangten von Anfang an um ihre Beschäftigungsmöglichkeiten. Als die Intendanz im Oktober 2003 eine neue Dienstanweisung in Umlauf brachte, wurde die Angst existenziell. Schien es doch, dass ein probates Mittel gefunden worden sei, sich unliebsamer Mitarbeiter auf einfache Weise zu entledigen. Mit Unterstützung der Gewerkschaften hat die Bewegung „rbbprotest“ gezeigt, dass Widerstand nicht vergeblich ist.

Kurz vor Weihnachten nahm die Geschäftsleitung teilweise von ihren Plänen Abstand. Die Weiterbeschäftigung von Freien, die sechs Jahre und länger beim Sender sind, ist vorerst gesichert. Inhalt der formal schon lange vorhandenen, vor allem in Berlin jedoch kaum praktizierten Anweisung war es, Prognoseregelungen und Zwangspausen ab 2004 strikt umzusetzen. Besonders beim SFB war der Anteil der Freien, die länger als sechs Jahre dabei waren, sehr hoch. Ihnen hätte bei Inkrafttreten der Dienstanweisung eine halbjährige Sperrfrist gedroht – Rückkehr ungewiss. Über die Weiterbeschäftigung hätte ein Verständigungsverfahren entschieden, an dem die oder der Betroffene nur indirekt beteiligt gewesen wäre.

Mit dem Kampfgeist der Freien hatte die Geschäftleitung kaum gerechnet: Im November schlug die Geburtsstunde von rbbprotest, einer Bewegung, die den Argumenten der Freien Gehör verschaffen sollte. Immer mehr Betroffene schlossen sich an, Anfang Januar standen über 600 Personen auf der Liste, Festangestellte erklärten sich solidarisch. Bei der ersten Vollversammlung Ende November wurde ein Team zur Verhandlung mit der Geschäftsleitung gewählt.

rbbprotest vertrat klare Ziele: Rücknahme der Dienstanweisung, verbunden mit der Zusage, Tarifverträge auszuhandeln, die auf Sperrzeit und Prognose verzichten, bis dahin keine Verschlechterung des rechtlichen Status der freien Mitarbeiter. Immer wieder drangen die Freien darauf, dass die Geschäftsleitung endlich mit den Vertretern von verdi, djv und rbbprotest in offenen Dialog treten solle.

Neue Rahmenverträge

Mit konsequenter Wiederholung ihrer Forderungen, Medienpräsenz und internen Aktionen vertraten die Protestler ihre Sache. In der Folge schien die Geschäftsführung in ihrem Glauben erschüttert, dass man sich freier Mitarbeiter im Handstreich entledigen könnte, machte schrittweise Zugeständnisse. Kurz vor Weihnachten ein erster Erfolg: Die Geschäftsleitung erklärte, dass Beschäftigungsverhältnisse auch nach sechs Jahren nicht aus juristischen Gründen beendet seien, wenn Bedarf bestehe und die Voraussetzungen freier Mitarbeit erfüllt seien. Neue Rahmenverträge sollten die Weiterbeschäftigung ermöglichen. Eine Prüfung durch Gewerkschaftsjuristen beschied den Verträgen Unbedenklichkeit – bei einem von ver.di gesponserten Frühstück am 22. Dezember unterzeichneten zahlreiche Freie in der Masurenallee die neuen Verträge.

Entspannt zurücklehnen kann sich dennoch niemand, die Atmosphäre zwischen den Kontrahenten bleibt kühl. „Die Geschäftsleitung ist es nicht gewohnt, mit uns zu sprechen. Sie tut sich nach wie vor schwer damit“, sagt Jürgen Schäfer, einer der gewählten Sprecher von rbbprotest und ver.di-Vertreter. Zudem habe es den Anschein, dass in der Geschäftsleitung einige beleidigte Racheengel säßen. Bei einem Treffen mit dem Redakteursrat habe es geheißen, dass man mit Personen, die einen so unverschämten Ton anschlügen wie die Vertreter von rbbprotest, nicht länger zusammenarbeiten wolle. Wegen einer Presseerklärung ohne Impressum habe die Geschäftsleitung sogar das Landeskriminalamt eingeschaltet.

Hauptziel der Protestler bleibt ein dauerhafter Dialog mit der Intendanz. „Wir wünschen ein institutionalisiertes Verfahren, das regelmäßige Kontakte vorsieht“, sagt Schäfer. Die Verhandlungsführer der Gewerkschaften, die rbbprotest von Anfang an unterstützten, schlugen einen runden Tisch nach Vorbild des ZDF vor. Dort sitzen Vertreter der Geschäftsleitung, Programmverantwortliche und Betroffene zusammen. Angestrebt werde ein partnerschaftlicher Umgang miteinander. Beispielsweise sollten Verständigungsverfahren im Beisein der betroffenen Freien laufen, statt über ihre Köpfe hinweg. Vonseiten der Freienvertretung wolle man jeden Einzelfall betrachten und genau prüfen.

Konkrete Ziele

Inzwischen hat sich rbbprotest in „rbbpro Freienvertretung“ umbenannt und will mit dem neuen Namen Kompromissbereitschaft signalisieren. Sprecher aus allen Abteilungen sollen ordentlich gewählt, konkrete Ziele formuliert werden.

Nächstes Etappenziel sind die anstehenden Tarifverhandlungen. Neben einer verbindlichen Honorarstruktur wollen die Freien eine Regelung, die dem Einzelnen Planungssicherheit für seine Beschäftigung gibt. Die Forderung nach Abschaffung von Prognoseregelungen und Sperrfristen besteht weiter.

 

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