Noch mehr Gratis-Blätter in Deutschlands Großstädten?

Norwegischer Konzern plant offenbar neue kostenlose Tageszeitungen

Vor einem guten Jahr hatte er in Köln den „Zeitungskrieg“ ausgelöst („M“ berichtete in 1-2/00ff.): Der norwegische Schibsted-Konzern mit seiner Gratiszeitung „20 Minuten Köln“.

Jetzt haben die Norweger offenbar vor, ähnliche kostenlose Blätter auch in anderen deutschen Großstädten auf den Markt zu bringen. Das meldet das Branchenblatt „Der Kontakter“. Der wichtigste Schritt in diese Richtung scheint jedenfalls vollzogen: Über seine Schweizer Tochter hat der Mischkonzern die „20 Minuten Holding Germany AG“ mit Sitz in Berlin gegründet. Geld spielt vermutlich keine Rolle: Wie „Der Kontakter“ herausfand, will Schibsted 77 Millionen Euro investieren. Immerhin werden derzeit über eine Personalberatung schon „kompetente und engagierte Menschen“ für „ein neues, national verbreitetes Medium gesucht, das die Möglichkeiten der klassischen und der neuen Medien miteinander verbindet“. Im Gespräch sind die Städte Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt (Main) und München. Wann diese oder andere Städte nach Köln in den umstrittenen Genuss der kostenlos an Straßenbahnhaltestellen ausliegenden Blätter kommen werden, ist noch völlig offen.

Denn möglicherweise will man erst einmal einen wichtigen Termin abwarten: Am 16. März ist die Hauptverhandlung angesetzt, bei der die Klagen der Verlage Springer und NevenDumont gegen den Gratis-Konkurrenten verhandelt werden. NevenDumont (u.a. „Kölner Stadt-Anzeiger“ und „Express“) und Springer (u.a. „Bild-Köln“) hatten nämlich nach den ersten verlorenen Prozessen gegen den direkten Konkurrenten ihrer Boulevardblätter mit den eigenen Gratisblättern „Kölner Morgen“ und „KölnExtra“ gekontert, so dass Köln seit einem Jahr die einzige Stadt Deutschlands mit drei kostenlosen Tageszeitungen ist. In den Kölner Redaktionskreisen weiß man offiziell nichts von den Plänen der Norweger, die, so ein Insider „mit Laptops und Handys durch die Gegend rasen und ihre Geschäfte machen und eine eher dürftige Informationspolitik gegenüber den Mitarbeitern betreiben“. Unübersehbar ist freilich, dass sich „20 Minuten Köln“ nach anfänglich sehr seriösem Anstrich zunehmend boulevardisiert. Als Boris Becker die uneheliche Vaterschaft an einem Londoner Baby zugab, titelte „20 Minuten Köln“ mit „Boris: Ich war drin“ mit Abstand am schlüpfrigsten. Die ausgeguckte Zielgruppe der 14 bis 25-jährigen soll damit angeblich stärker angesprochen werden. Der Aufsichtsrat der neuen Berliner Holding, Ekkehard Kuppel, räumt einstweilen einen eher bescheidenen Erfolg der Kölner Ausgabe ein. Hauptproblem, so Kuppel gegenüber dem „Kontakter“, sei, dass Konkurrenzverlage versuchten, „mit Haken und Ösen den Wettbewerb zu unterbinden“. Die Karten werden nach dem 16. März sicherlich neu gemischt.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Breiter Protest für Rundfunkfinanzierung

Anlässlich der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten (MPK) in Leipzig fordert ver.di die Fortführung des Reformdiskurses über die Zukunft öffentlich-rechtlicher Medienangebote und über die Strukturen der Rundfunkanstalten. Die notwendige Debatte darf die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten jedoch nicht daran hindern, ihren vom Bundesverfassungsgericht zuletzt im Jahr 2021 klargestellten Auftrag auszuführen: Sie müssen im Konsens die verfassungsmäßige Rundfunkfinanzierung freigeben.
mehr »

Games: Welcome to Planet B

Die Bürgermeisterin muss sich entscheiden: Soll zuerst ein Frühwarnsystem vor Springfluten eingerichtet oder neue Möglichkeiten zum Schutz vor Hitze geplant werden? Und sollen diese neuen Schutzmaßnahmen besonders günstig oder lieber besonders nachhaltig sein? Was wie Realpolitik klingt ist ein Computerspiel. Denn immer mehr Games setzten sich auch mit Umweltthemen auseinander.
mehr »

Der Rotstift beim Kinderfernsehen

ARD und ZDF halten es nicht für sinnvoll, wenn die Bundesländer im Reformstaatsvertrag einen fixen Abschalttermin für das lineare Programmangebot des Kinderkanals KiKa festlegen. Die lineare Verbreitung zu beenden, sei „erst dann sachgerecht, wenn die weit überwiegende Nutzung eines Angebots non-linear erfolgt“, erklärten ARD und ZDF gemeinsam auf Nachfrage. „KiKA bleibt gerade für Familien mit kleinen Kindern eine geschätzte Vertrauensmarke, die den Tag linear ritualisiert, strukturiert und medienpädagogisch begleitet.“
mehr »

Neue Perspektiven für Klimajournalismus

Besondere Zeiten brauchen einen besonderen Journalismus – ein Motto, dass das im Juli gelaunchte deutschsprachige Medienprojekt „Neue Zukunft“ nicht aus werbestrategischen Gründen ausgegeben hat. Die Klimakrise und die Klimagerechtigkeitsbewegung erhalten in vielen Medien der Schweiz, Österreichs und Deutschlands ihrer Meinung nach nicht genügend Aufmerksamkeit. Gerade Gerechtigkeitsfragen erhöhen den Handlungsdruck im Zusammenhang mit den Folgen menschlichen Raubbaus an Ressourcen und Umwelt.
mehr »