Nur noch „Präventions- und Krisenradio“

Kritik an Naumann-Papier zur Deutschen Welle

Auf heftige Kritik der Betroffenen sind die Vorstellungen der Bundesregierung zur Reform der Deutschen Welle gestoßen. Redakteursausschuss und IG Medien warnen vor einer Gefährdung der grundgesetzlich garantierten Unabhängigkeit des Rundfunks.

Stein des Anstoßes sind die „Überlegungen zur Neugestaltung des deutschen Auslandsrundfunks“, die der Beauftragte der Bundesregierung für die Angelegenheiten der Kultur und der Medien (BKM), Michael Naumann, Ende Juli den Rundfunkreferenten der Länder zur Diskussion vorgelegt hat. Das Positionspapier sieht eine stärkere Zusammenarbeit der Deutschen Welle (DW) im Fernsehbereich mit ARD und ZDF vor. Diese Kooperation könne „für ein attraktives ,best-of-Programm‘ sorgen“, das mit täglichen Nachrichtenmagazinen der beteiligten Sender ausgestattet sein sollte. Im Hörfunkbereich wünscht sich der Bund eine stärkere Zusammenarbeit der DW mit dem DeutschlandRadio. Auch hält er die Einrichtung eines Online-Angebots für „Ausländer mit Informationsinteressen in wirtschaftlicher, beruflicher und politischer Hinsicht“ für denkbar. Heikel wird das Papier, wo der Bund in unverhüllter Form außenpolitische Zielvorstellungen der geplanten Neupositionierung des Auslandsrundfunks preisgibt. So heißt es, Programmangebote, die auf aktuelle Krisensituationen und Informationsdefizite in bestimmten Regionen reagierten, müssten sich „bei journalistischer Unabhängigkeit hinsichtlich der konkreten Inhalte an politischen Leitentscheidungen ausrichten“. Auch die Absicht des Bundes, das Hörfunkangebot der DW (29 fremdsprachige Radioprogramme) „vorrangig“ als „Präventions- und Krisenradio“ zu definieren und gesetzlich festzulegen, geht in diese Richtung. Als Argument wird in dem Papier auf andere Auslandssender verwiesen, bei denen es üblich sei, „Vorgaben zu machen, welche regionalen Schwerpunkte und Zielgebiete bedient werden sollen“.

Für den Redakteursausschuss der DW stehen die Vorstellungen des Bundes in „direktem Gegensatz“ zur grundgesetzlich garantierten Unabhängigkeit der Medien, eine Grundfeste der Demokratie und deren Außenpolitik. In einem Positionspapier des Gremiums heißt es dazu: „Es dürfte schwer fallen, etwas zu vermitteln, was man selbst offenbar nicht praktiziert.“ Die Funktionsbeschreibung des DW-Hörfunks als „Krisen- und Interventionsradio“ bezeichnen die Redakteure als „zu kurzfristig und auch zu oberflächlich“. Eher sei Prävention angebracht: „Will man krisenhaften Entwicklungen in totalitären Systemen entgegenwirken, muss man im Äther längst glaubwürdig sein, wenn die Krise ausbricht.“ Andernfalls bleibe „lediglich die Rolle des Frontbeobachters“. Zugleich kritisiert der DW-Redakteursausschuss die „undifferenzierte Sparpolitik“ der Bundesregierung, die „bereits auf mittlere Sicht Bedeutung und Gewicht der Stimme Deutschlands auf den globalen Medienmärkten“ gefährde. Er fordert die Regierung auf, das BKM-Papier zurückzuziehen.

Auch die IG Medien äußerte sich in einer ersten Stellungnahme kritisch zum Konzept des Bundes. Darin heißt es, „die Intention nach mehr politischem Einfluss auf das Programm“ werde „allzu deutlich formuliert“. Für die IG Medien ergebe sich daraus, dass der künftige Auslandsrundfunk als öffentlich-rechtlicher Sender mit Kontrollgremien gebildet werde, „so dass eine staatsfreie Programmerstellung ermöglicht wird“. Auch der Programmauftrag des künftigen Auslandsrundfunks müsse sich an den bewährten Maßstäben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks orientieren. „Auf keine Fall darf der Auslandsrundfunk zu einer Abspielstation von bereits produzierten Beiträgen verkommen.“ Für die IG Medien sei überdies „unabdingbar“, dass der Reorganisationsprozess des Auslandsrundfunks „nur mit den heute bei der Deutschen Welle Beschäftigten und nicht gegen sie durchgeführt wird“. Das beziehe sich „sowohl auf den Erhalt qualifizierter Arbeitsplätze als auch auf die mögliche Neudefinition der Arbeitsorganisation“. Daher befürworte die IG Medien ein „Bündnis für Arbeit und Programm der Deutschen Welle sowohl zwischen den Tarifparteien als auch im Verhält-nis betrieblicher Arbeitnehmerinteressensvertretung / Geschäftsleitung Deutsche Welle“.

Weitere aktuelle Beiträge

Proteste bei TiKTok in Berlin

Rund 150 Beschäftigten der Trust and Safety-Abteilung (Content-Moderation) von TiKTok und einem Teil der Beschäftigten aus dem Bereich TikTok-Live (rund 15 Beschäftigte) in Berlin droht die Kündigung. Das  chinesische Unternehmen plant die Content-Moderation künftig verstärkt durch Large-Language-Models (Künstliche Intelligenz) ausführen zu lassen und die Arbeit an andere Dienstleister auszulagern. Dagegen protestierten heute vor der TikTok-Zentrale in Berlin Beschäftigte und Unterstützer*innen.
mehr »

Der Clickbait mit den miesen Botschaften

„Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler“, nach diesem Motto bewertete einst Helmut Thoma, der kürzlich verstorbene ehemalige RTL-Chef, den Erfolg von Programmformaten. Dieses für private Sender typische Prinzip findet inzwischen seine Fortsetzung in immer mehr digitalen Nachrichtenportalen. Das untermauert eine Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (MPIB) in Berlin nach der Auswertung von 40 Millionen Schlagzeilen.
mehr »

Halbzeit bei der UEFA Frauen-EM

UEFA-Women’s Euro 2025 heißt das Turnier nach dem Willen des Europäischen Fußballverbands. Bei den Männern wird auf die geschlechtsspezifische Eingrenzung verzichtet. Möglichweise ein Relikt aus den Zeiten, als das Kicken selbstverständlich eine maskuline Sportart war, vermeintlich ungeeignet für die „zarte Weiblichkeit“. 
mehr »

Dokumentarfilme: Näher an der Wahrheit

Das bekannte Archiv–Storytelling in Dokumentationen befindet sich im Wandel. Und das ist auch notwendig: Weg von stereotypen Erzählmustern, hin zu ganzheitlichen Betrachtungen. Bislang unbekanntes Archivmaterial  spielt darin eine wesentliche Rolle. Beispiele dafür gab es  auf der Sunny Side of the Doc im französischen La Rochelle zu sehen, wo die internationale Doku-Branche zusammenkam.
mehr »