Radiozoff in Sachsen

Symbolbild: 123rf/M

Der Bundesverband Freier Radios (BFR) kritisiert die Entscheidung der Sächsischen Landesmedienanstalt (SLM), dem privaten WSW Radio eine Lizenz als Nichtkommerzielles Lokalradio (NKL) zu erteilen. Mit diesem Beschluss, der auch mit der Gewährung entsprechender Fördermittel verbunden sei, verschiebe der SLM-Medienrat die „Grenzen des Mediensystems“. Die SLM wollte sich auf Nachfrage zunächst nicht dazu äußern.

Laut Mitteilung des BFR führe die Entscheidung zur „Konkurrenz zwischen privatwirtschaftlichen und partizipativen Akteur*innen der Medienlandschaft“. Weiter heißt es: „Sie verringert längerfristig die mediale Vielfalt, durch Verringerung der Chancen für echte NKL und Aufweichung der an diese gestellten Qualitätsansprüche.“ Der Medienrat erhebe sich hier quasi zum Gesetzgeber, „indem er Grundsätze der sächsischen Medienlandschaft verschiebt“.

Privatradio mutiert zu Nichtkommerziellem Lokalradio

Mark Westhusen, geschäftsführender BFR-Vorstand, sagte auf Anfrage, der SLM-Medienrat unterlaufe mit dieser Förderungsentscheidung die bisher in der Medienanstalt gültigen Entscheidungskriterien zwischen kommerziellen und nichtkommerziellen Veranstaltern. Damit entstehe ein Anreiz für privatwirtschaftliche Anbieter, ihr Geschäftsmodell nicht weiterzuentwickeln, sondern ganz aufzugeben und gestützt auf öffentliche Förderung die bisherige marktwirtschaftliche Produktion fortzusetzen. Das Nachsehen hätten diejenigen Anbieter, die die bisherigen höheren Ansprüche an gefördertes nichtkommerzielles Radio erfüllten.

Die SLM fördert Nichtkommerzielles Lokalradio aus Mitteln des Rundfunkbeitrags, und zwar mit einer Übernahme der Sende- und Leitungskosten sowie zusätzlich mit jährlich 100.000 Euro. Ein Betrag, der seit 2017 nicht erhöht wurde und bisher laut BFR „weitgehend gleich zwischen den beantragenden Radios aufgeteilt“ wurde. Investiert werden diese Gelder „sowohl in die Koordination von Ehrenamt und mehr mediale Teilhabe als auch in die technischen Grundlagen der Radios“. 

Im Dezember 2022 legte Sachsen für die Jahre 2023 und 2024 ein Programm von jeweils zwei Millionen Euro zur Förderung aller lokaljournalistischen Angebote im Land auf. Von diesem Fördertopf wurden jährlich jeweils 300.000 Euro für Nichtkommerzielles Lokalradio reserviert. Im laufenden Jahr 2023 kommen sechs Veranstalter in den Genuss einer Förderung: Radio Blau (Leipzig), Radio T (Chemnitz) Colo Radio (Dresden), Radio Zett (Radio-Initiative Dreiländereck) sowie die Uni-Radios mephisto 97,6 (Leipzig) und Radio NNiCC (Chemnitz).

SLM: Fördermittel können alternativ eingesetzt werden

Seit der Überarbeitung der SLM-Förderrichtlinie für den lokalen und regionalen nichtkommerziellen Rundfunk im Jahr 2020 gewährt die Landesmedienanstalt den Antragstellern „mehr Spielraum bei der Beantragung und Umsetzung von Fördergeldern“. Unter anderem „können Mittel, die im laufenden Förderzeitraum für andere als die ursprünglich beantragten Zwecke benötigt werden – unter Einhaltung einer wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung sowie konkreter Voraussetzungen – alternativ eingesetzt werden“, heißt es auf der SLM-Homepage. Man sei zu der Einschätzung gelangt, „dass diese Mischung aus flexibler Handhabung und Steuerung das Anliegen, dass der nichtkommerzielle Rundfunk in Sachsen die hiesige Programm- und Meinungsvielfalt…bereichert, praxisnah unterstützt“, wird da Rüdiger Steinmetz, Sachverständiger des Medienrats, zitiert.

Für BFR-Vorstand Mark Westhusen spiegelt die aktuelle Förderentscheidung des Rates dagegen eher die „mangelnde Fachlichkeit“ und den „fehlenden Blick“ der SLM für die Tragweite ihres Handelns. Die Radio WSW GmbH erhielt im Frühjahr 2023 eine Zulassung zur DAB+-Verbreitung des Hörfunkprogramms Radio WSW zur Versorgung von Dresden und vier weiterer Landkreise. Das Privatradio hatte zuvor bereits seit 1999 analogterrestrisch über UKW gesendet. Bei einer von der SLM beauftragten Programmanalyse von 19 sächsischen Hörfunkveranstaltern war unsauberes Geschäftsgebaren einzelner Sender moniert worden. So wurde auch Radio WSW angelastet, Promotions-Beiträge zu übernehmen, „die unter dem Vorwand, Verbraucherhinweise zu geben, vor allem werbliche Absichten verfolgen“. 

Hinter dem nun bewilligten Antrag auf Lizenzumwandlung steht wohl vor allem die Absicht, in einem zunehmend schwierigeren wirtschaftlichen Umfeld mit öffentlichen Rundfunkgeldern ein nicht mehr funktionierendes Geschäftsmodell zu retten. Das räumte Radio-WSW-Chef Frank Haring im Dresdner Medienblog „Flurfunk“ Ende Juni ganz unverblümt ein. Es sei doch „absurd, wenn man inzwischen für ein NKL-Projekt mehr Geld bekommen kann, als man in einem lokalen Markt wie Weißwasser für ein lokales Radio mit Werbung erlösen kann“, so Haring. Bislang sei Radio WSW ein Formatradio mit täglicher Morgensendung, aber insgesamt wenig Wortanteil gewesen, heißt es aus der Redaktion. Mit der Umwandlung zum NKL werde man „den Fokus auf weit mehr lokalen Inhalt ausrichten“, wird Chefredakteur Jan Kaufhold im „Flurfunk“ zitiert.

Die SLM mochte sich auf Nachfrage zu den Entscheidungsgründen für diese ungewöhnliche Umwidmung eines kommerziellen Privatradios zu einem nichtkommerziellen Lokalradio noch nicht äußern.  Erst „nach Beendigung der laufenden Verwaltungsverfahren“ wolle man darauf eingehen, „voraussichtlich Ende nächster Woche“.

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