Bundestagsbeschluss zum Urhebervertragsrecht unter Einfluss einer massiven Verwerterkampagne
Nach monatelange öffentlichen und internen Auseinandersetzungen, Lobbyismus en gros und en détail hat der 14. Deutsche Bundestag auf seiner 214. Sitzung am 25. Januar 2002 das „Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern“ beschlossen. In den drei Tagen davor wurde an der Novelle noch einmal kräftig gefeilt – zum Nachteil derjenigen, deren Verhandlungspositionen bei Verträgen durch das Gesetz gestärkt werden sollte.
Beim Endspurt um die Verabschiedung des Gesetzes wurde es dann richtig dramatisch. Die Kampagne der sich selbst als „Kulturwirtschaft“ titulierenden Unternehmerverbände der Zeitungs-, Zeitschriften- und Buchverlage sowie des privaten Rundfunks erreichte mit ganzseitigen Zeitungsanzeigen und Fernseheinblendungen einen Höhepunkt, der folgerichtig seinen Widerhall im redaktionellen Teil fand. Engagierte Urheber, ihre Gewerkschaften und Verbände versuchten mit ihren bescheideneren Mitteln – Argumenten, Pressemitteilungen, Faxen und E-Mails – gegenzuhalten.
Wortbruch und Machtwort
„Wortbruch“ warf man dem Bundeskanzler und seiner Justizministerin vor, von den Medien – wen wundert’s? – begierig aufgegriffen. Was war passiert? Nachdem die Verwerterseite durch ihre beispiellose Kampagne und das Einspannen der sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Clement und Gabriel für ihre Belange bereits weitreichende Abstriche am Regierungsentwurf erreicht hatte, fühlte man sich durch die von Ministerin Herta Däubler-Gmelin am 15. Januar vorgelegten Gesetzesformulierungen in zwei, drei Punkten um den Lohn der Lobbyarbeit betrogen.
Es wäre müßig im Rückblick auf Details einzugehen, denn wenige Tage später waren sie ausgemerzt. Zwar wurden sie am 22. Januar vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien noch so bestätigt, doch der Rechtsausschuss am Mittwoch, 23. Januar, hatte bereits eine andere Vorlage. Dazwischen – so kolportieren es die Medien – soll Bundeskanzler Gerhard Schröder ein „Machtwort“ gesprochen haben.
Ob es diese „kleine Runde“ am Dienstagabend beim Kanzler war oder die Drohungen von Clement und Gabriel, das Gesetz im Bundesrat zu torpedieren, oder das Wanken in den Reihen der Bündnisgrünen, die eine zu starke Belastung der kleinen Verlage befürchteten – egal, was letztlich den Ausschlag gab, für die Urheber hat sich das immer weitere Abrücken vom Reformziel nochmals negativ ausgewirkt.
Einschnitte an allen Säulen der Reform
Von den drei Säulen der ursprünglichen Konzeption des Urhebervertragsrechts hat keine das Gesetzgebungsverfahren unbeschadet überstanden:
Das Recht, Langzeit-Verträge wenigstens nach dreißig Jahren zu kündigen, taucht nicht mehr auf. Der gesetzliche Anspruch auf eine „angemessene Vergütung für jede Nutzung“ wurde auf einen schwerer durchsetzbaren Anspruch auf Vertragsänderung gestutzt.
Und die Möglichkeit, Branchenstandards für angemessene Vergütungen durch „gemeinsame Vergütungsregeln“ zwischen Urheber- und Verwerterverbänden zu schaffen, wurde noch zuletzt stark eingeschränkt, da nun das Ergebnis eines Schlichtungsverfahrens nicht mehr verbindlich ist, wenn ihm eine Partei widerspricht. Außerdem werden – wie von der NRW-Landesregierung beantragt – auch noch die Kosten dieses Schlichtungsverfahrens dem Antragsteller, also in aller Regel den Urheberverbänden, auferlegt.
Freiwillige Regelungen unter Praxisvorbehalt
Die so abgespeckte Urheberrechtsnovelle erhielt am 25. Januar im Bundestag nicht nur die Stimmen der Koalitionsfraktionen und der PDS, sondern auch die eines Großteils der CDU / CSU – und der Mehrheit der FDP-Fraktion. Ein PDS-Entschließungsantrag über weitergehende Reformziele beim Urheberrecht wurde von den anderen Fraktionen abgelehnt.
„Kommando zurück“ und „Verlage setzten sich durch“ war der Tenor der Medienberichterstattung. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) feierte besonders den „Wegfall der Zwangsschlichtung“. Die Verlegerverbände müssten nun allerdings ihre öffentlich erklärte Bereitschaft, gemeinsame Vergütungsregelungen freiwillig zu vereinbaren, in der Praxis einlösen. Das unterstrichen in der Bundestagsdebatte nicht nur Abgeordnete von SPD und Grünen, sondern auch Rainer Funke (FDP). Justizministerin Herta Däubler-Gmelin: „Wenn es auf freiwilliger Basis und im Konsens der Beteiligten nicht funktioniert, werden wir weitergehende Regelungen ins Auge fassen.“
Jetzt Verhandlungen über Vergütungsregelungen
Die Gewerkschaft ver.di und andere Urheberverbände haben das Zurückweichen der Bundesregierung vor der Kampagne der Medienunternehmen öffentlich heftig kritisiert. Trotz der „vertanen Chance“ – so ver.di-Vorsitzender Frank Bsirske und DGB-Vorsitzender Dieter Schulte in einer gemeinsamen Erklärung – wollen sie die deutlichen Verbesserungen nutzen, die die Reform gegenüber der bisherigen Gesetzeslage bringt. DJV und ver.di haben die Verwerterseite bereits am 25. Januar aufgefordert, im Rahmen des Zulässigen unverzüglich in Verhandlungen über gemeinsame Vergütungsregelungen einzutreten.