Die Debatte über eine Werbereduzierung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist in vollem Gange. Während einige Landesregierungen den schrittweisen Ausstieg forcieren, wehren sich die Sender aus Angst vor Mindereinnahmen. Zugleich müssen die Anstalten in diesen Tagen ihren Finanzbedarf für die nächste Beitragsperiode bei der zuständigen Kommission anmelden. Über Konsequenzen eines Werbeverbots und die Politik der KEF wurde bei einer ver.di-Tagung lebhaft diskutiert.
„Der öffentlich-rechtliche Rundfunk unter Druck: Erfüllt die Finanzierung (noch) ihren Zweck?“ war die Veranstaltung Ende Mai beim Hessischen Rundfunk in Frankfurt am Main überschrieben. Und HR-Intendant Helmut Reitze wollte gleich zu Beginn keinen Zweifel aufkommen lassen: Aufgabe von ARD und ZDF sei ein umfassendes Angebot aus Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung. Zur Finanzierung trüge auch die Werbung bei, die immerhin etwa fünf Prozent der Einnahmen ausmache. Wer sie striche, würde die Beitragsstabilität gefährden. Darüber hinaus sei für ihn die Annahme, keine Werbung sorge für mehr Qualität, falsch: „Die Vorstellung, die Tagesschau wird besser, wenn davor die Werbung entfällt, hat nichts mit der Programmwirklichkeit zu tun“, so Reitze. Sein Fazit: „Das eigentliche Ziel ist, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk an Relevanz verlieren soll.“
„Vielfaltverengende Wirkung“
„Gäbe es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht, man müsste ihn erfinden“, entgegnete Marc Jan Eumann, Staatssekretär in der nordrhein-westfälischen Landesregierung – um im Anschluss zu begründen, warum NRW eine schrittweise Reduzierung der Fernsehwerbung beim WDR im Rahmen der anstehenden Novelle des WDR-Gesetzes anstrebe. Neben der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten „vielfaltverengenden Wirkung“ von Werbung sei die gelungene Beitragsumstellung mit deutlichen Mehreinnahmen ein guter Zeitpunkt, um die Finanzierungsquellen zu überdenken. Zudem drängten ARD und ZDF selbst die Politik zum Handeln: Wenn sie in einer Stellungnahme mit hochwertigen Zielgruppen argumentierten, die die Werbewirtschaft woanders nicht erreichen könne, sei das „die größte Entgleisung des Systems“. Ihre Aufgabe sei es eben nicht, attraktive Werbeflächen bereitzustellen.
Dass auch die SPD-geführte Landesregierung Rheinland-Pfalz für weniger Werbung eintritt, bekräftigte Staatssekretärin Jacqueline Kraege. Ob es aber dazu kommen wird, blieb offen. Ihr Widerpart Axel Wintermeyer, Chef der hessischen Staatskanzlei, erklärte für die CDU-geführten Länder, im Sinne der Beitragsstabilität keine Werbereduzierungen anzustreben.
Strittige KEF-Vorgaben
Mit dem Auftritt des KEF-Sachverständigen und ehemaligen Präsidenten des Landesrechnungshofs Sachsen-Anhalt, Ralf Seibicke, geriet die Politik der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs in den Fokus der Diskussion. Die KEF hatte mit Vorgaben zu Personaleinsparungen oder zur Absenkung des Altersversorgungsniveaus für massive Kritik gesorgt. Seibicke betonte dabei, dass man sich als unabhängiges Gremium begreife, dessen Hauptkriterium das Prinzip der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sei. Als Vergleichsgrundlage diene der öffentliche Dienst.
Dies blieb nicht unwidersprochen. Andreas Wolf, Personalratsvorsitzender beim ZDF, hielt den öffentlichen Dienst als Maßstab ungeeignet, da die Sender im nationalen und internationalen Wettbewerb stünden. Die Sparauflagen der KEF führten deshalb lediglich zur Auslagerung von Aufgaben, was am Ende nicht preiswerter sei. Karin Alles, HR-Personalratsvorsitzende, stellte die Kompetenz der KEF infrage zu entscheiden, wie die Sender arbeiteten und daraus Personalvorgaben abzuleiten. Seibicke widersprach: Der öffentliche Dienst sei sehr wohl ein geeigneter Vergleichsmaßstab – entgegen dem privaten Rundfunk mit seinen kaum vorhandenen Tarifstrukturen. Auch verwies er darauf, dass nicht die KEF für das Anmeldeverhalten der Anstalten zuständig sei, die oft selbst Einsparungen anstrebten.
Eingriff in die Tarifautonomie?
Deutliche Kritik erntete Seibicke für die von der KEF vorgeschriebene Absenkung der Altersversorgungsansprüche. Andreas Bohne, Vorsitzender von ver.di im ZDF, hielt es für einen Eingriff in die Tarifautonomie, wenn den „Tarifparteien das Ergebnis von Verhandlungen“ vorgeschrieben werde. Auch für den stellvertretenden ver.di-Vorsitzenden Frank Werneke sei dies „hart an der Grenze“. Er betonte, dass Tarifstrukturen immer das Ergebnis von Kräfteverhältnissen seien. Seibicke verwies jedoch darauf, dass mehrere Anstalten trotz mehrfacher Hinweise versäumt hätten gegenzusteuern – mit der Folge, dass der Handlungsdruck jetzt enorm sei.
Werneke forderte die Anstalten vor dem Hintergrund von Stellenabbau, Arbeitsverdichtung und wachsenden Onlineaktivitäten auf, künftig ihren wirklichen Finanzbedarf bei der KEF geltend zu machen. Auch wenn er das bisherige Beitragsmoratorium für richtig halte, kündigte Reitze abschließend für den HR eine höhere Beitragsanmeldung in der anstehenden KEF-Runde an.