SAT.1 profiliert sich als Hauptstadtsender

„Konzentration der Kräfte“ im neuen Medienzentrum – Jährlich für über 350 Millionen Mark Produktionen in Berlin

„Nach 15 Jahren sind wir endlich ein richtiges Unternehmen geworden“, resümiert Jürgen Doetz, SAT.1-Geschäftsführer Medienpolitik und Kommunikation. Der Stoßseufzer des Moderators der ersten Stunde beim Kabelpilotprojekt Ludwigshafen gilt dem eigenen Sender, der mit der Eröffnung des neuen Medienzentrums am Gendarmenmarkt am 30. August endgültig in der Hauptstadt angekommen ist.

Zwar zeigt SAT.1 schon seit 1987 in Berlin Präsenz, war aber bislang mit der Sendezentrale föderalistisch an Mainz sowie mit Nachrichten und Sport an Hamburg gefesselt. Rechnet man noch die anderen fünf Standorte für Regionalreports und das Bonner Büro dazu, war das bundesweite Vollprogramm republikweit verstreut wie kein anderer Veranstalter.

Nach n-tv als Spartensender hat sich mit SAT.1 der zweite bundesweite TV-Kanal in Berlin angesiedelt. Kein Wunder, daß zur Einweihung während der Internationalen Funkausstellung prominente Gästen – darunter Leo Kirch höchstpersönlich – ins neue Medienzentrum strömten. Für 225 Millionen Mark sind im Stadtzentrum am Gendarmenmarkt an drei Straßenzügen zehn Gebäudeteile hinter denkmalgeschützten Fassaden teils restauriert, teils komplett neu gebaut worden. Mittendrin in der Oberwallstraße liegt auch das neue Pro Sieben Hauptstadtstudio. Auf der Größe von fünf Fußballfeldern verteilt über acht Ebenen werkeln bei SAT.1 künftig fast 1000 Beschäftigte.

Weitere 55 Millionen Mark flossen laut SAT.1-Finanzgeschäftsführer Marius Schwarz in den „modernsten Fernsehkomplex Europas“. Im größten Studio in der Jägerstraße mit 150 Sitzplätzen wird schon seit 13. August die Sportsendung „ran“ produziert. Im Gegensatz zu den realen Zuschauern dort kommt die Kulisse im Nachrichten-Studio zwei aus dem Großrechner: Jeder beliebige Hintergrund kann in das 235 Quadratmeter große virtuelle Studio eingeblendet werden. In das dritte Studio ziehen im Oktober das Boulevardmagazin „Blitz“ von den Räumen an der Gedächtniskirche und die Hauptstadtnachrichten aus der gemieteten Etage bei n-tv um. Ab Frühjahr 2000 komplettieren Spätnachrichten nach der Harald-Schmidt-Show das SAT.1-Programm, kündigt SAT.1-Programmgeschäftsführer Fred Kogel an.

Herzstück des Medienzentrums ist die Technikzentrale, in der die Glasfaserkabel mit einer Länge des vierfachen Erdumfangs zusammenlaufen. Nonlineare Schnittsysteme ermöglichen bald vollständig digitale Produktion – flexibel, kostengünstig und personalsparend. Das fertige Programm wird derzeit noch nach Mainz geschickt – bis zum Umzug der Sendezentrale Mitte nächsten Jahres nach Berlin.

Noch keine Kooperation mit Kirch jr.-Firmen in Berlin

Ursprünglich sollten auch der private Lokal-Sender TV.Berlin und das Privatradio Hundert,6 ins SAT.1-Medienzentrum am Hausvogteiplatz mit einziehen.

Doch die beiden Unternehmen von Kirch junior werden am Fernsehturm auf dem Alexanderplatz ein eigenes kleines Medienzentrum einrichten. Eine Kooperation wie ab Oktober in München zwischen dem SAT.1-Regionalfenster und tv.münchen sieht Fred Kogel für Berlin „erst in einer zweiten Stufe“. Derzeit sei man noch bei „Stufe Eins, der Konzentration unserer Kräfte in Berlin, bei der wir uns zunächst selbst zusammen finden und Synergien organisieren“. Parallel dazu gründete SAT.1 seine 100prozentige Tochter Berlin Produktion, die laut Kogel „später auch für andere Medienunternehmen Dienstleister“ sein soll.

Außerdem wurde der Verkaufsbereich Sales & Services ausgelagert, der als Media 1 ebenfalls andere Veranstalter wie private Ballungsraumsender vermarktet. Zugleich sorgt das für die renditewichtige Zweit- und Drittverwertung von SAT.1-Programmvorräten. Trotz Umzugskosten nach Berlin erwartet SAT.1 laut Finanzgeschäftsführer Schwarz für dieses Jahr 30 Millionen Mark Gewinn. Den Aufwärtstrend soll auch der im nächsten Jahr laut Kogel um 20 bis 25 Millionen Mark auf etwa 1,425 Milliarden Mark erhöhte Produktionsetat nicht bremsen.

Unzufrieden ist die SAT.1-Führung aber noch mit dem „für Investitionen unfreundlichen Klima“ in der Hauptstadt und dem Brandenburger Umland. Im Programmbereich „produzieren wir in Berlin über 20 Fernsehformate für derzeit etwa 350 Millionen Mark jährlich. Umgekehrt machen die hier erlösten Werbeeinnahmen nur 1,4 Prozent des Gesamtwerbeerlöses des Senders aus“, sagt Programmchef Fred Kogel. In einem Offenen Brief hat er sich zusammen mit Film- und TV-Produzenten, darunter Regina Ziegler und Nico Hoffmann, und anderen Medienmanagern wie dem Potsdamer Studio-Babelsberg-Chef Friedrich-Carl Wachs an die beiden Landesregierungen gewandt. Ihre Hauptforderung: Eine zentrale Anlaufstelle für Film- und Fernsehproduktionen. Während man an „anderen Medienstandorten mit dem roten Teppich empfangen“ werde, dominiere in Berlin das „Linoleum der Vorzimmer“ bei der hinderlichen Odyssee durch die Instanzen.

Die Kritik haben sich Brandenburgs Landeschef Manfred Stolpe (SPD) und Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) zu Herzen genommen und prompt im Wahlkampf Versprechungen gemacht. Schon zur Eröffnung des Medienzentrums hatte Diepgen SAT.1 statt den SFB als „neuen Hauptstadtsender“ gelobt. Mit seiner Millionenbeteiligung bei der Fördereinrichtung Filmboard Berlin-Brandenburg und der Beteiligungszusage als erster großer Sender für die Deutsche Mediathek am Potsdamer Platz gebe „der Privatsender dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein Beispiel“.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

Komplett-Verweigerung der Rundfunkpolitik

Nachdem die Ministerpräsident*innen am heutigen Donnerstag zur Rundfunkpolitik beraten haben, zeichnet sich ein düsteres Bild für die öffentlich-rechtlichen Medien, ihre Angebote und die dort Beschäftigten ab. Beschlossen haben die Ministerpräsident*innen eine Auftrags- und Strukturreform und einen ab 2027 geltenden neuer Mechanismus zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags. Nicht verabschiedet wurde jedoch der fällige Rundfunkbeitragsstaatsvertrag.
mehr »

KI: Menschen wollen Regeln

Rund drei Viertel der Menschen in Deutschland sorgen sich einer Umfrage zufolge um die Glaubwürdigkeit der Medien, wenn Künstliche Intelligenz (KI) im Spiel ist. 90 Prozent der Befragten fordern dazu klare Regeln und Kennzeichnungen. Dies ergab eine am Mittwoch in Berlin veröffentlichte Studie der Medienanstalten. Für die repräsentative Erhebung "Transparenz-Check. Wahrnehmung von KI-Journalismus" wurden online 3.013 Internetnutzer*innen befragt.
mehr »