Eine Übersicht über aktuelle Urteile und Entscheidungen
„Copy Kills Music“
Köln. Durch ins Internet gestellte Raubkopien von CDs hat die Musikbranche nach eigenen Angaben 1999 ein Umsatzvolumen von 220 Millionen Mark verloren. Möglich wird das problemlose Herunterladen von Musik aus dem Web durch das Dateiformat MP3. Der Name steht für das Datenkompressionsverfahren MPEG Layer 3 (siehe M 4/1999). Gegen diese Verletzung der Urheberrechte von Komponisten, Textern, Musikern und Phonobranche wurde im August auf der Kölner Musikmesse Popkomm ’99 die Initiative „Copy Kills Music“ (Kopien töten die Musik) gestartet.
Der Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft hat eine spezielle „Task Force“ zum Aufspüren illegaler Musik im Internet eingerichtet. Mehr als 500 solcher Web-Seiten hat die „Internet-Polizei“ bis Ende Oktober in diesem Jahr bereits schließen lassen. Wie die deutsche Vertretung der International Federation of the Phonographic Industry (IFPI) mitteilte, erhalten illegale Anbieter eine kostenpflichtige Abmahnung. „Das geht bis 2000 Mark und deckt gerade die Anwalts- und Schreibkosten“, sagte IFPI-Sprecherin Andrea Rothaug gegenüber dpa.
Abgabe für CD-Brenner
München. Im Auftrag der deutschen Verwertungsgesellschaften hat die GEMA als Geschäftsführerin der „Zentralstelle für private Überspielungsrechte“ (ZPÜ) gegen Hewlett-Packard ein Verfahren vor der Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt in München einleiten lassen. Damit wollen die Verwertungsgesellschaften erreichen, daß HP als bedeutender Hersteller von CD-Brennern für diese Geräte eine Urheberabgabe zahlt.
Im deutschen Urheberrecht sind solche Abgaben vorgesehen, um Kopien von Werken (Musik, Bücher, Artikel) für den privaten Gebrauch zu ermöglichen, ohne daß die Urheber und Rechteinhaber leer ausgehen. Solche Abgaben gibt seit langem beispielsweise für Kassettenrecorder oder Fotokopiergeräte. Vor der Münchner Schiedsstelle geht es um den Betrag von 20,50 Mark pro seit dem 1. Januar 1998 verkauften Standard-CD-Brenner. Da seit diesem Datum rund eine Million Geräte europaweit verkauft wurden, ergäbe sich allein aus diesem Zeitraum eine Gesamtsumme von etwa 20 Millionen Mark, die größtenteils an Rechteinhaber im Bereich der Musik fließen würde.
Natürlich will der Konzern nicht zahlen und beruft sich darauf, daß die CD-Brenner nicht primär zum Zwecke des Kopierens von Tonträgern, sondern von Informationen und Daten eingesetzt würden. HP selbst wirbt allerdings für die Geräte damit, daß Audio-Daten, also Musik, auf CD-Rohlinge gespeichert werden können. Einen Teilerfolg im Kampf gegen die Musikpiraterie hat die GEMA kürzlich gegen die Hersteller von MP3-Playern erzielt. Diese werden künftig eine Abgabe von fünf Mark pro Gerät leisten.
Artikelverbreitung im Internet gestoppt
Paris/Lyon. Nach einem ersten positiven Urteil vom Februar 1998 gegen die Zeitung „Dernières Nouvelle d’Alsace“ und den Sender „France 3“ (M 4/1998) hat die französische Gewerkschaft Syndicat National des Journalistes (SNJ) weitere gerichtliche Erfolge für ihre Mitglieder gegen die ungenehmigte und unhonorierte Verwertung von Zeitungsartikeln in elektronischen Medien erreichen können.
Im April 1999 untersagte das Tribunal de Grande Instance de Paris der Zeitung „Le Figaro“ bei Androhung einer Strafe von 10.000 Francs pro Tag, weiterhin Artikel ohne Zustimmung der Journalisten im Internet oder per Minitel – ein in fast jedem französischen Haushalt vorhandenes Btx-Gerät – zu verbreiten und beauftragte einen Experten damit, die Entschädigungssumme für die klagenden Journalisten zu ermitteln.
Am 21. Juli 1999 erstritten vier Journalisten vertreten durch das SNJ vor dem Regionalgericht in Lyon ein Urteil gleichen Inhalts gegen die Zeitung „Le Progrès“. Bei Zuwiderhandlung wurde eine Strafe von 5.000 Francs pro Tag festgelegt.
Elektronische Zeitungsarchive nur mit Autorenzustimmung
New York. Verlage dürfen Artikel freiberuflicher Autoren nicht ohne deren Zustimmung in elektronische Zeitungsarchive aufnehmen. So entschied der 2nd U.S. Circuit Court of Appeals im September 1999. Geklagt hatte die National Writers‘ Union (NWU) gegen die Verlage von „New York Times“, „Newsday“ und „Time Magazine“ sowie die Firmen University Microfilms International und Mead Data Central Corp. Die Verlage hatten die elektronische Datenbank-Verwertung ihrer Zeitungsarchive an Anbieter wie den Branchenführer Lexis-Newis verkauft. Das Gericht urteilte, daß hierfür bei Freelancern eine ausdrückliche vertragliche Einräumung von elektronischen Rechten Voraussetzung ist und die Autoren eine Vergütung erhalten müssen.
Professoren-Polemik gegen EU-Richtlinie
Brüssel/Paderborn. Eigentlich sollte die bedeutende EU-Richtlinie zur Harmonisierung des Urheberrechts noch unter deutscher Präsidentschaft am 21. Juni 1999 vom Europäischen Ministerrat beschlossen werden. Doch der Rücktritt der EU-Kommission, massives Lobbying von Computer- und Telekommunikationskonzernen und veränderte Schwerpunktsetzung auf deutscher Regierungsseite ließen den Zeitplan platzen. Unter finnischer Ratspräsidentschaft ging es dann mehr um den „Sprachenstreit“.
Die Gegner der Urheber-Richtlinie aber mobilisieren weiter. Ihnen hat sich jetzt auch der Präsident der deutschen Gesellschaft für Informatik angeschlossen. Mit der Richtlinie werde der freie Austausch von Ideen und die Entstehung der Wissensgesellschaft behindert, warnte der Professor auf dem Informatikertag im Oktober in Paderborn als Vertreter einer eher gut verdienenden Berufsgruppe, für die Publizieren fürs wissenschaftliche Renommee und nicht für den Lebensunterhalt notwendig ist.
Besserer Urheberschutz auch in Russland
Moskau/Brüssel. Ausländische Urheberrechte sollen künftig in Russland besser geschützt werden – zumindest im Bereich der Musik. Wie die EU-Kommission Mitte Oktober in Brüssel mitteilte, wurde mit Russland Einigkeit darüber erzielt, dass Musikproduktionen auch aus den Jahren vor 1995 dem Urheberrecht unterliegen sollen. Russland hat bisher nur die Aufnahmen seit 1995 geschützt, während in der EU russische Produktionen bis 1943 zurückreichend Urheberschutz genießen.
Kein MAI in der WTO?
Seattle. Das von internationalen Konzernen und den USA geforderte Multilaterale Investitionsabkommen MAI, das im Dezember vorigen Jahres im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vor allem am Widerstand Frankreichs gescheitert war (M 1-2/1999), scheint auch in der Welthandelsorganisation WTO nicht zustande zu kommen. Mit dem Abkommen sollten ausländischen Investoren weltweite Privilegien eingeräumt und unter anderem Urheberrechte wie normale Investitionen behandelt werden.
„Das MAI ist vorbei“, erklärte WTO-Generalsekretär Mike Moore vor den stärksten MAI-Lobbyisten, der internationalen Unternehmervereinigung „Trans Atlantic Business Dialogue“ (TABD), am 28. Oktober in Berlin. Auf der WTO-Ministerkonferenz vom 30. November bis 3. Dezember in Seattle hat die Weltorganisation ohnehin genug andere Konflikte zu lösen.
- Die Zusammenstellung besorgte Rüdiger Lühr