SDR/SWF-Kon-Fusion

Wohin geht der Rundfunk im wilden Süden?

Voreiliges Intendantenpapier zur Neuordnung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Südwesten/Beschäftigungspakt beim Südwestfunk – Landesweite Arbeitsgruppe der IG Medien

Vor wenigen Tagen hat die landesweite IG-Medien-Arbeitsgruppe, bestehend aus VertreterInnen der Geschäftsführenden Verbandsvorstände des Südwestfunks und des Süddeutschen Rundfunks, Rundfunkratsmitgliedern beider Sender, VertreterInnen des Hauptvorstandes und Landesbezirkes und des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Stuttgart zusammengesessen und die Positionen der IG Medien für eine Neuordnung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Südwesten zusammengetragen. Dabei wurden Eckwerte festgelegt zu einer von der Gewerkschaft gewünschten Rundfunkverfassung eines möglichen neuen Senders, Zusammensetzung der Rundfunkgremien, Mitbestimmung der Beschäftigten bei den Programmen, Sicherung aller Arbeitsplätze und der bislang in beiden Sendern bestehenden Tarifverträge.

Ein großer Wunschkatalog, den die IG Medien rechtzeitig zu den Verhandlungen der Ministerpräsidenten, Beck aus Rheinland-Pfalz und Teufel aus Baden-Württemberg, im Oktober den Politikern, Parteien und Rundfunkverantwortlichen vorlegen will, um ihren Beitrag zur Neuordnung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Südwesten zu leisten.

Seit Anfang August das schnell gestrickte Intendantenpapier für eine Fusion von SDR und SWF durch die Ludwigshafener „Rheinpfalz“ bekanntgeworden ist, vergeht kein Tag, an dem sich nicht der eine oder andere Bürgermeister, badischer oder württembergischer Provenienz, für einen jeweiligen Standort oder Intendantensitz in Rheinland-Pfalz, Baden oder Württemberg starkmacht. Politische Kleinstaaterei ohne medienpolitische Grundsätze.

Die IG Medien hat sich mit schnellen Stellungnahmen zurückgehalten. Das Papier der Intendanten Peter Voss und Hermann Fünfgeld ist in der Tat zwiespältig. Viele Programmverantwortliche beim Südwestfunk, ebenso wie die Rundfunkrats- und Verwaltungsratsmitglieder, sehen sich im völligen Einklang mit den Grundsätzen des Intendantenpapiers. Nicht so der Verwaltungsrat und die Beschäftigten beim Süddeutschen Rundfunk. Insbesondere die Hörfunkpläne in dem Voss-/ Fünfgeld-Papier stoßen auf großen und berechtigten Unmut. Alle Beschäftigten haben Sorgen um ihre Arbeitsplätze in der Zukunft.

So klug es von Seiten der Intendanten war, politische Vorgaben für die Verhandlungen der beiden Ministerpräsidenten in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zu geben, so falsch war es, sich in die Programmhoheit einer Anstalt zu begeben, die noch gar nicht begründet ist und die den dann dort programmverantwortlichen Gremien und Beschäftigten zusteht. Auch hier wird die IG Me-dien Position beziehen. An erster Stelle steht für die IG Medien selbstverständlich die Sicherung aller Arbeitsplätze an allen Standorten beim Südwestfunk und beim Süddeutschen Rundfunk, sowohl in Rheinland-Pfalz als auch in Baden-Württemberg einschließlich der bestehenden Tarifverträge.

Beschäftigungspakt beim SWF

Diese Arbeit wurde schon während der laufenden Tarifverhandlungen von der IG Medien und den beiden Senderverbänden der IG Medien bei SDR und SWF aufgenommen. Der Südwestfunk spielt den Vorreiter: Am 13. September, dem Tag der Neuwahl des Intendanten Peter Voss beim Südwestfunk, verkündete der Betriebsverband der IG Medien SWF den Beschäftigungspakt.

„Niemand kann bis zum Jahr 2000 betriebsbedingt gekündigt werden“. Gleichzeitig sind bescheidene Tariferhöhungen bis zum Jahr 1999 vorgesehen. Die Gewerkschaften haben schweren Herzens Einkommensbegrenzungen zugestimmt. Auf über 70 Millionen DM haben die Beschäftigten beim Südwestfunk verzichtet. Für den Bestand ihrer Arbeitsplätze, aber auch für den Bestand des Senders. Viele Wirtschaftssünden der Vergangenheit beim Südwestfunk (Millionenbeträge wurden in Neubauten zementiert), aber auch eine nicht nachvollziehbare Gebührenfestlegung seitens der Kommission zur Ermittlung des Finanzaufkommens des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (KEF) und deren Sparpostulate, daß die ARD in den kommenden Jahren jeweils 2 Prozent Personal zu sparen hat, führten beim Südwestfunk dazu, daß er entweder 400 Arbeitsplätze bis zum Jahr 1999 beseitigt oder das Äquivalent von 70 Millionen im Etat als gespart aufweist.

Intendant Peter Voss hat die Gewerkschaften zum Beschäftigungspakt geladen und diese haben nach langer und ausführlicher Diskussion und Verhandlung zugestimmt: Für das Halbjahr 1996 und für die ersten sechs Monate 1997 erhalten die Einkommensgruppen 1 bis 7 beim Südwestfunk eine Einmalzahlung von 600,- DM. Höhere Gehaltsgruppen gehen dabei leer aus. Allein diese Einmalzahlung, die bei künftigen Gehaltserhöhungen nicht mehr in der Lohntüte auftaucht, spart in den Folgejahren dem Sender viele Millionen DM.

Aber die Beschäftigten sind auch in den kommenden Jahren bescheiden: Ab 1. Juli 1997 gibt es für weitere zwölf Monate eine lineare Gehaltserhöhung für alle in Höhe von einem Prozent, ab dem 1. Juli 1998 für weitere zwölf Monate eine lineare Gehaltserhöhung von zwei Prozent. Bis zum 31. Dezember 2000 dürfen die dann erfolgenden Gehaltserhöhungen drei Prozent nicht übersteigen.

Unter diesen Bedingungen gibt der Sender die juristisch vebindliche tarifvertragliche Zusage, daß alle Beschäftigten des Senders, auch die ausgeliehenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, bis zum 31. Dezember 2000 aus betriebsbedingten Gründen nicht entlassen werden können. Dies gilt auch für etwaige Rechtsnachfolger des Südwestfunks.

Hier genau liegt bei dem Tarifvertrag der juristische Hase im Pfeffer. Sollte es im öffentlich-rechtlichen Rundfunksüden zu einer Neuordnung der Senderlandschaft kommen, kann es passieren, daß eine neue Anstalt gegründet wird. Für diesen Fall hätten alle bislang geltenden Tarifverträge und Vereinbarungen keine Geltung mehr. Um diesem Faktum vorzubeugen, haben die Gewerkschaften mit der Geschäftsleitung des Südwestfunks vereinbart, daß sich sowohl der Intendant als auch der Verwaltungsrat bei allen politischen Parteien und Regierungen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz dafür einsetzen, daß in einem neuen Staatsvertrag einer neuen Rundfunkanstalt eine Formulierung aufgenommen wird, daß die bestehenden Tarifverträge von Süddeutschem Rundfunk und Südwestfunk Gültigkeit haben, ebenso der beim Südwestfunk geschlossene Beschäftigungspakt. So lange die Gewerkschaften mit einer neuen Anstalt keine neuen Tarifverträge ausgehandelt haben, sollen die bisherigen Tarifverträge der beiden alten Rundfunkanstalten Geltung haben.

Da im Rundfunkrat des Südwestfunks mittlerweile der ehemalige Personalchef des Südwestfunks und jetzige Justizminister des Landes Baden-Württemberg, Ulrich Goll, Sitz und Stimme hat, sind die Gewerkschaften recht zuversichtlich, daß diese politische Verpflichtung des Intendanten und des Verwaltungsrates des SWF auch ihre Verwirklichung findet.

Verhandlungen beim SDR

Wo bleibt dabei der Süddeutsche Rundfunk? Leider wurde die Frage der Beschäftigungssicherung seitens der Geschäftsleitung des SDR zum Beginn der Tarifverhandlungen nicht sehr ernst genommen. Ja, es gab geradezu Informationslücken zwischen den Geschäftsleitungen von SWF und SDR.

Hinzu kommt, daß der Süddeutsche Rundunk in den vergangenen fünf Jahren schon erheblich Personal abgebaut hat und gegenwärtig mit einer Mann- und Frauschaft arbeitet, die nicht mehr weiter zu reduzieren ist. Der Süddeutsche Rundfunk hat satte 11,5 Millionen Gewinn im vergangenen Geschäftsjahr zu verbuchen. Grund genug für die Beschäftigten, bei der Geschäftsleitung anzumahnen, daß nach den fünf mageren Jahren ein Gehaltsjahr folgen sollte, bei dem nicht nur der Abschluß des öffentlichen Dienstes Maßstab für den Geldbeutel fällig sein sollte.

Dies sieht die Geschäftsleitung des Süddeutschen Rundfunks bislang noch anders. Nach dem Abschluß des Südwestfunks hat sich der Betriebsverband des Süddeutschen Rundfunks von seinen Gremien die Zustimmung geben lassen, ebenfalls über einen Beschäftigungspakt beim SDR zu verhandeln, allerdings mit anderen Quoten und Zahlen als der Abschluß beim Südwestfunk. Der höhere SDR-Gewinn muß sich mindestens in höherer Einmalzahlung beim Süddeutschen Rundfunk ausdrücken.

Turbulente Zeiten vorhersehbar

Vorläufig abschließend sei gesagt, daß dem wilden Süden in den kommenden Wochen rundfunkpolitisch recht turbulente Zeiten bevorstehen. Sollte der Beschäftigungspakt bei einer Neugründung von den Politikern vernachlässigt werden, ist es aus mit den friedlichen Zeiten an Oos und Nekkar. Dann wird die IG Medien handfeste Aktivitäten einleiten – in- und außerhalb der Sender. Auch mit Unterstützung des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

Es sei noch einmal festgestellt: Eine Fusion von SDR und SWF ist weder wirtschaftlich noch medienpolitisch sinnvoll. Dies räumen auch namhafte Parteienvertreter aus dem baden-württembergischen Landtag ein. Allerdings betonen sie, das, was vor einem Jahr noch Geltung gehabt hätte, sei mittlerweile durch die Fusions-Wünsche der Politiker so verselbständigt und ins öffentliche Spiel gebracht worden, daß man von einer Fusion des SDR und des SWF, ob sie nun sinnvoll ist oder nicht, nicht mehr herumkommen werde. Tolle Rundfunkkonfusion. So wird das Volk regiert.

 

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