Die Gebührendebatte – ein immer wiederkehrendes Ritual
Vor kurzem lief als rundfunkhistorische Reminiszenz eine alte Ausgabe des Polit-Magazins „Panorama“, noch unter der Leitung von Gert von Paczensky. Eines der Themen: Bild attackiert die Gebühren für die öffentlich-rechtlichen Sender. Das war Mitte der 60er Jahre des vorherigen Jahrhunderts. Seither veranstaltet der Springer-Verlag mit gewisser Regelmäßigkeit dieses Ritual und gibt sich nicht einmal viel Mühe, die Wortwahl zu ändern.
Geändert hat sich allerdings, dass die publizistische Front um einiges breiter geworden ist. Am Populismus der Gebührengegner nähren sich jetzt auch viele Medienredaktionen in den Printmedien. Seit fast alle großen Verlage den ideologischen Kampf gegen die öffentlich-rechtlichen Sender aufgenommen haben, zeigt sich, dass auch einige Medienjournalisten sich nach der Eigentümer-Melodie richten: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“
Den Auftakt machte diesmal die Zeit. Sie interpretierte die Zahlen, die die Sender bei der „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs“ (KEF) beantragten, gleich auf ihre unmittelbaren Folgen hin: „Für die Rundfunkgebühr bedeutet das eine Steigerung von derzeit 17,98 auf voraussichtlich 18,86 Euro, also plus 88 Cent im Monat.“ Kein Konjunktiv nirgends – obwohl man ihn allein aus journalistischer Redlichkeit brauchte. Denn noch weiß niemand, wie die KEF entscheidet, auch die KEF nicht. Einfaches Nachfragen, wie es dpa tat, hätte genügt. Auch die KEF befand, es handle sich um eine „Diskussion von vorgestern und ein wiederkehrendes Ritual“. Der Vorsitzende der Kommission, Heinz Fischer-Heidlberger, kündigte an, die KEF werde „einen wesentlich geringeren Bedarf feststellen“, man rede über „weit geringere Beträge“. Also: nichts als heiße Luft.
Kräftig-schiefe Metapher
Zumal sich auch aus rundfunkpolitischen Gründen noch nicht sagen lässt, wie es um die Rundfunkgebühren steht, wenn die Haushaltsabgabe wie beschlossen kommt, oder eben nicht. Noch haben einige Landesparlamente nicht zugestimmt. Aber die Mär von den höheren Gebühren wurde bereitwillig, ja geradezu reflexhaft aufgenommen und als Faktum wiedergegeben. Nur Stefan Niggemeier, zuvor Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, jetzt Spiegel, hielt den lieben Kollegen ihren billigen Populismus vor und verwies darauf, dass die finanziellen Gebührenvorstellungen unter der Inflationsrate liegen.
Egal. Spiegel und Süddeutsche Zeitung führten die hohen Kosten für die Übertragung von Sportveranstaltungen ins Feld. Womit sich gut punkten lässt, denn hier liegt einiges im Argen. Gleichwohl kann man sich auch das Geschrei vorstellen, das in den gleichen Printmedien herrschen würde, wenn ARD und ZDF die Olympischen Spiele oder die Frauenfußball-WM nicht übertrügen. Bild sang selbstverständlich mit im Chor: „Es ist das teuerste Rundfunk- und Fernseh-System der Welt“ – ach ja, das war 2009 und hätte auch 2007 sein können. Diesmal hieß es „Das teuerste öffentlich-rechtliche Fernsehen der Welt soll noch teurer werden“. Der Tagesspiegel sprach vom „Paradies der selbstverständlichen Milliardeneinnahmen“ und das Hamburger Abendblatt befand, „die Gebührenforderung der öffentlichen Sender ist absurd“. Undsoweiter. Dass die deutschen Rundfunkgebühren sich in etwa im Mittelfeld der Gebühren in anderen europäischen Ländern bewegen, interessiert auch niemanden.
Dazu die altbekannten Experten als Kronzeugen. Der FDP-Politiker Burkhardt Müller-Sönksen („dreiste Selbstbedienungsmentalität der Intendanten“) ist Experte für mindestens zehn Polit-Disziplinen und immer für ein markiges Wort gut. Die Reaktion von Jürgen Doetz, als VPRT-Chef Interessenvertreter der kommerziellen Medien, konnte niemanden überraschen: „Diese Zahlen zeugen von einem völligen Realitätsverlust der gebührenfinanzierten Anstalten und im Besonderen beim ZDF.“ Es handle sich um einen Affront gegenüber den Gebührenzahlern und eine Ohrfeige für die Politiker, die sich derzeit für ein neues Finanzierungsmodell engagieren.“ Und gleich noch eine kräftig-schiefe Metapher hinterher: „Insoweit können die jetzt bekannten Zahlen auch zum Torpedo für den derzeit in einigen Bundesländern noch nicht verabschiedeten Beitragsstaatsvertrag werden.“
Auch Sachsens Staatskanzleichef Johannes Beermann (CDU) warnte, „ARD und ZDF dürfen den Bogen nicht überspannen“ und drohte „Mehr Geld auf Verdacht gibt es nicht“ – ausgerechnet jener Beermann, der gerade im MDR seinen aus parteipolitischen Motiven protegierten Intendanten-Kandidaten Hilder mit Aplomb versenkt hat und als Medienpolitiker vielleicht mal etwas leiser reden sollte.
Und die öffentlich-rechtlichen Sender? Die bitten angesichts der Propagandawelle höflich um etwas mehr Sachlichkeit – womit sie hoffentlich nicht wirklich rechnen, denn die Verleger haben sich nun mal auf ARD und ZDF eingeschossen. Aber statt von den Leistungen zu sprechen, vom öffentlich-rechtlichen Auftrag, wie man ihn zu verbessern gedenke, von öffentlichem Interesse und gesellschaftlicher Notwendigkeit – verteidigen sich die Intendanten passiv. „Die Anmeldung enthält keine neuen Programmvorhaben oder sonstige neuen Projekte“, verspricht ZDF-Intendant Markus Schächter und argumentiert, mit einer durchschnittlichen jährlichen Steigerungsrate von 1,3 Prozent liege „die Anmeldung unter der allgemeinen Inflationsrate und bedeutet damit faktisch eine Reduzierung der Substanz.“ Die WDR-Intendantin und ARD-Vorsitzende Monika Piel klingt ähnlich: „Im Interesse des Gebührenzahlers müssen und werden wir unseren konsequenten Spar- und Konsolidierungskurs auch in Zukunft fortführen.“
Sender drücken Honorare
Das sind die Sätze, vor denen man sich eher fürchten sollte: Sparen, keine neuen Projekte, Reduzierung der Substanz. Was das bedeutet, davon wissen derzeit kleine Filmproduzenten, Autoren, freie Kameraleute und auch viele Schauspieler ein Lied zu singen. Ihnen drücken die Sender die Honorare, wo immer es geht und quetschen aus ihnen heraus, was noch herauszuquetschen ist. Viel ist das nicht mehr und es wird auch nicht lange mehr gut gehen.
Fritz Wolf
Fritz Wolf ist Medienfachjournalist mit einer besonderen Neigung zum Dokumentarfilm. Als Freier muss er fleißig publizieren, jüngst eine Studie über Lokaljournalismus
(„Salto Lokale“) und demnächst eine Untersuchung zur „Wa(h)re Information im Fernsehen“.