Urheberrecht: Zwei-Stufen-Modell ist ein gangbarer Weg

Konferenz zur deutschen und europäischen Gesetzgebung in Berlin

Die Initiative Urheberrecht, ein Zusammenschluss von 35 Kreativenorganisationen, darunter ver.di, hatte am 12. Dezember zur Konferenz „Digitale Plattformen – Chancen und Probleme“ in die Berliner Akademie der Künste geladen, über 300 Expert_innen kamen. Während der Veranstaltung, die sich mit den aktuellen Gesetzgebungsverfahren zum Urheberrecht in Deutschland und der Europäischen Union befasste, wurde bekannt, dass die Koalition sich über die Gesetzestexte zum Urhebervertragsrecht einerseits und der Verlagsbeteiligung an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften andererseits geeinigt hatte. Sie sollen noch in dieser Woche Bundestag und Bundesrat passieren.

Professor Dr. Gerhard Pfennig, Sprecher der Initiative Urheberrecht, überbrachte die Nachricht vom Koalitionskompromiss, über den noch keine Details bekannt waren. In seiner Begrüßung wies er darauf hin, dass die Initiative schon vor einem Jahr auf einer Konferenz mit Justizminister Heiko Maas über die Gesetzesvorhaben diskutiert habe und bat dringend, zu einem Abschluss trotz großer Differenzen zu kommen. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium und frühere Justizministerin, Brigitte Zypries, wies in ihrer Keynote darauf hin, dass der rasanten technologischen Entwicklung ein mühsamer und zwischen vielen Akteuren auszutarierender Gesetzgebungsprozess gegenüber stehe.

Der Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Klaus Müller bat um eine Lösung, die den Nutzer_innen der Plattformen Rechtssicherheit verschaffe. Hier gebe es gemeinsame Interessen zwischen Verbraucher_innen und Urheber_innen, denn die Verbraucher_innen seien bereit, für legal zugängliche Inhalte zu bezahlen, wie kostenpflichtige Angebote wie „Spotify“ zeigten. Er favorisierte eine Unterscheidung der Plattformen je nach Angebot. Das System der Nutzungspauschale für Privatkopien müsse für die neuen Plattformen und Streamingdienste weiterentwickelt werden. Dem fügte Alexander Scheuer von der Deutschen Telekom in der Schlussdiskussion noch den Hinweis auf die „Cloud“ hinzu, die bisher in der EU-Medienpolitik nicht beachtet werde.

Juraprofessor Dr. Axel Metzger von der Humboldt-Uni Berlin plädierte im danach meist zitierten Vortrag des Tages ebenfalls für eine Weiterentwicklung der Geräteabgabe, denn eine Konfrontation zwischen Urheber_innen und Nutzer_innen und ein Verlust an Akzeptanz für das Urheberrecht sei für die Urheber_innen „brandgefährlich“. „Lassen Sie uns das Erfolgsmodell fortschreiben.“ Dafür empfahl er ein zweistufiges Modell mit einer Pauschalabgabe an die Verwertungsgesellschaften für nicht-kommerzielle Nutzungen und einer Lizenzierungspflicht für „Hosting“-Plattformen. Für diese Entwicklung sei jetzt die „Tür geöffnet“ in Brüssel. Die Folien zum Vortrag werden in die Dokumentation der Konferenz eingestellt.

Die grüne Europaabgeordnete und Vizevorsitzende des Kulturausschusses, Helga Trüpel beschrieb die gegenwärtigen Auseinandersetzungen zwischen Urheber_innen auf der einen Seite und Nutzer_innen und Plattformen auf der anderen als einen „Kulturkampf“: „Beide Seiten kämpfen aus ihrer Sicht um die Freiheit des Netzes“. Für eine „angemessene Regulierung“ der Plattformen sei die Zeit reif, ein Zwei-Stufen-Modell und Lizenzierungszwang scheine ihr ein gangbarer Weg.

Die Politik müsse die neuen technischen Möglichkeiten in die soziale Marktwirtschaft einbinden, forderte Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Europa sei ein attraktiver Markt für Verwerter_innen und habe die Möglichkeiten zur Umsetzung von Regulierung. Das habe der Fall „Uber“ gezeigt. Dafür solle der EU-Gesetzgeber vor allem die „Ungereimtheiten“ der in mehr als 20 Jahren entstandenen europäischen Richtlinien beseitigen und dem Europäischen Gerichtshof klarere Entscheidungsmaßstäbe geben, forderte Professor Dr. Jörg Reinbothe von der Uni Saarbrücken.

Weniger juristisch waren viele Künstler-Statements ausgerichtet. Hausherrin des AdK und Gastgeberin Jeanine Meerapfel beklagte das Klischee vom armen, aber glücklichen Künstler: „Unsere Arbeit ist kein Hobby“. Der Komponist Matthias Hornschuh kritisierte nicht nur die Dauer der Diskussionen um Rechtssicherheit für Nutzer und Sicherung der Ansprüche der Urheber, sondern auch die „ideologisierte Debatte“, der es „an Redlichkeit fehlt“.

Der Musiker und Produzent Mark Chung konfrontierte den – nach eigener Aussage zum ersten Mal von Urhebern zur Diskussion gebetenen – Jan Kottmann von Google Deutschland mit den durchschnittlichen Einnahmen aus seinen Streaming-Vergütungen von 0,00003 Euro pro YouTube-Aufruf bis 0,008 Euro bei Apple Paid. Kottmann bezeichnete diese Zahlen als „Milchmädchenrechnung“, was ihm harsche Kritik einbrachte, bot Chung aber eine gemeinsame Überprüfung an. Den Unmut der Urheber_innen hatte Kottmann schon vorher erregt, als er den Mittagskommentar des Regisseurs Niki Stein als „postfaktisch“ bezeichnete. Stein hatte die Gesetzgeber als „zu devot den Gatekeepern gegenüber“ kritisierte und erklärt „Wir Urheber werden nicht überleben können, wenn uns der einzige, wesentliche Markt, den die Zukunft für uns bereit hält, verwehrt bleibt“.

„Wir müssen unsre Ergebnisse deutlicher nach Brüssel kommunizieren“, resümierte Pfennig die Konferenz, und zwar „in Koordination mit den europäischen Verbandspartnern“.

 

 

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