Vielfalt der Wege und der Inhalte

Fachtagung zur Rundfunkpolitik für die Zukunft im ver.di-Haus

Wie können Informations- und Rundfunkfreiheit im digitalen Medienzeitalter am besten gewährleistet werden? Diese Frage stand im Zentrum der medienpolitischen ver.di-Fachtagung „Rundfunkpolitik für die Zukunft“ am 23. November in Berlin.

Rundfunkpolitik, so stellte ver.di-Vizevorsitzender Frank Werneke einleitend fest, werde begriffen als „zentraler Bestandteil einer übergreifenden demokratischen Medienpolitik“. Im Mittelpunkt einer solchen Politik müsse vor allem das Bemühen um einen freien Informationszugang, möglichst breite Medienvielfalt und die Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht stehen. Gegenwärtig konzentriere sich die rundfunkpolitische Debatte vorrangig auf technische Verbreitungswege, etwa die Online-Präsenz der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Aus gewerkschaftlicher Sicht gehe es jedoch auch um Qualität und Vielfalt der Rundfunk-Angebote. Nach dem jüngsten Gebühren-Urteil des Bundesverfassungsgerichts sei eine Präzisierung des Rundfunkauftrags der öffentlich-rechtlichen Anstalten erforderlich. (M 10/2007) Werneke wandte sich in diesem Zusammenhang gegen „Omnipotenzvorstellungen“, wie sie etwa in der Digitalisierungsstrategie der ARD durchschimmerten. Wenn hinter den anvisierten zusätzlichen digitalen Spartenkanälen am Ende nur Abspielplattformen bekannter Inhalte steckten, sei das kein Beitrag zu mehr Vielfalt. Als Hauptkampfplatz der anstehenden Verhandlungen um den Rundfunkstaatsvertrag erwartet Werneke nicht die Gebührenfrage, sondern die Strukturdebatte. Es gelte, „in diesem Handgemenge nicht den Überblick zu verlieren“.

Martin Dieckmann, medienpolitischer Referent von verdi, erneuerte die auf dem 2. ver.di-Bundeskongress verabschiedete Forderung nach „medienübergreifenden Qualitätsstandards für Information und Unterhaltung“. Die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei „nicht zu reduzieren auf die Kompensation von Marktversagen“. Auch in der digitalen Medienwelt werde die Grundversorgung nicht ausschließlich durch ARD und ZDF gewährleistet. Zum „Public Service“ gehörten im dualen System auch die Angebote der privat-kommerziellen Veranstalter. Wachsende Bedeutung attestiert Dieckmann den web-„Communities“. Für sie und andere Medien der Zivilgesellschaft müsse der öffentlich-rechtliche Rundfunk „natürlicher Bündnispartner“ sein.

Fatale Sponsoring-Praxis

Hans-Jürgen Kleinsteuber, Medienwissenschaftler an der Uni Hamburg, beobachtet zwei gegenläufige Tendenzen im digitalen Medienzeitalter: einerseits das Prinzip Öffentlichkeit als Voraussetzung einer demokratischen Gesellschaft verkörpert durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und nichtkommerzielle Medien; anderseits die Gefährdung dieser Öffentlichkeit durch „gated communities“, durch Versuche, die öffentliche Kommunikation kommerziellen Verwertungsgeboten zu unterwerfen. Beispiele für diese „Disney World“ seien etwa die Anstrengungen zur Verteidigung proprietärer Technik-Lösungen im Bereich Pay-TV oder der im letzten Jahr gescheiterte Versuch einer Verschlüsselung von TV-Satellitenprogrammen. Kleinsteuber plädierte dafür, das Öffentlichkeits-Prinzip auch unter digitalen Vorzeichen „weiterzuentwickeln“.
Medienrechtler Dieter Dörr von der Uni Mainz problematisierte diverse Aspekte der Rundfunkfinanzierung, die sich aus dem Karlsruher Gebührenurteil ergeben. Bedauerlicherweise ignorierten die öffentlich-rechtlichen Anstalten die Warnung der Verfassungsrichter vor den Auswirkungen von Werbung und Sponsoring. Unter dem Einfluss kommerzieller Interessen glichen sich die Programme „nach unten“ an. Speziell die Sponsoring-Praxis ist Dörr ein Dorn im Auge. Es sei fatal, wenn beim Zuschauer der Eindruck entstehe, ein Programm werde „von Wirtschaftsunternehmen finanziert“.
Nach dem EU-Beihilfeverfahren ergebe sich jetzt die „Chance, den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks klar zu definieren“. Eine Aufgabe, die innerhalb der Anstalten allerdings zuletzt – außer unter wenigen Juristen – „gar nicht mehr diskutiert“ worden sei. Verschärfte Anforderungen prophezeit Dörr auch für die Binnenkontrolle der Anstalten. Mit der deutschen Variante des „Public Value Test“, einem dreistufigen Genehmigungsverfahren bei der Zulassung neuer Rundfunkangebote, müssten die Rundfunkräte ihr Selbstverständnis ändern: „Sie werden echte Kontrollgremien!“
In diese Kerbe schlug auch Jan-Marc Eumann, Vorsitzender der SPD-Medienkommission, bei seinen Reformvorschlägen für die Gremien- und Medienaufsicht. Manche Aufsichtsgremien, so fürchtet er, seien für die neuen Aufgaben nicht gerüstet: „Wir brauchen mehr Kompetenz in den Räten“. Eumann erneuerte seine Forderung nach einer Medienanstalt der Länder. Der Föderalismus habe zwar Medienvielfalt geschaffen, erschwere aber die Kommunikation mit Brüssel. Zugleich plädierte er für eine Harmonisierung der unterschiedlichen Landesrundfunkgesetze und forderte eine „effektivere Kontrollinstanz“ für die Gemeinschaftsaufgaben der ARD. Mangels ausreichender Kompetenzen sei die Konferenz der ARD-Gremienvorsitzenden zu einer solchen Kontrolle nicht in der Lage. Ohne ein Wahl- oder Bestätigungsrecht bei der Bestellung des ARD-Programmdirektors bleibe zum Beispiel der ARD-Programmbeirat ein „zahnloser Tiger“.

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