… und was darf es kosten? / Medienpolitische Tagung im Oktober debattiert auch über wachsenden Legitimationsdruck für die Sender
So viel Olympia war im deutschen Fernsehen noch nie. Bei den Sommerspielen in Rio übertrugen ARD und ZDF im täglichen Wechsel rund 280 Stunden live. Dazu kamen noch einmal 40 Stunden Olympia-Zusammenfassungen und rund 1000 Stunden Livestreams auf den Online-Seiten der Sender. Kritik an Rechtekosten, Gigantomanie und publizistischem Overkill begegneten die Öffentlich-Rechtlichen mit dem Hinweis auf die enge, ressourcensparende Kooperation beider Programme. Eine überfällige Strategie – schließlich schießen die Preise für hochkarätige Sportrechte immer mehr in die Höhe.
Die Quote stimmte in Rio für ARD und ZDF. Dabei wurde König Fußball diesmal nur zweiter Sieger. Überraschenderweise war der Publikumshit die Goldmedaille für die deutschen Beachvolleyballerinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst, mit mehr als 8,5 Millionen Zuschauern. Das Finale der deutschen Fußballer gegen Brasilien sahen dagegen „nur“ 8,25 Millionen. Knapp drei Millionen im Schnitt für die gesamten Übertragungen – aus Sicht von ARD und ZDF eine zufriedenstellende Bilanz.
Verhandlungen stecken fest
Nach Olympia ist vor Olympia. Doch die Verhandlungen um die Übertragungsrechte für die Spiele 2018 bis 2024 stecken fest. Im Poker mit dem US-amerikanischen Rechteinhaber Discovery geht es seit Monaten nicht voran. Nicht ausgeschlossen, dass die Winterspiele in Pjöngjang/Südkorea 2018 und die Sommerspiele in Japan 2020 ohne Beteiligung der öffentlich-rechtlichen Sender stattfinden.
ARD und ZDF hatten zuletzt vor vier Jahren nach harten Verhandlungen ein Rechtepaket für die Spiele 2014 und 2016 erworben und dafür geschätzte 110 Millionen Euro bezahlt. Zuvor hatte das IOC damit gedroht, die Rechte an das Pay-TV zu veräußern. Am Ende kauften die deutschen Sender die Lizenzrechte zum ersten Mali direkt beim IOC – die Olympia-Bosse wollten das Paket für den deutschen Markt nicht mehr an die European Broadcasting Union (EBU) verkaufen.
Jetzt haben ARD und ZDF es mit dem US-Medienkonzern Discovery zu tun. Der hatte sich 2015 in einer spektakulären Transaktion vom IOC die europäischen Rechte für die Spiele 2018 bis 2024 gesichert. Discovery betreibt unter anderem Eurosport sowie diverse Pay-TV-Kanäle. Aber das IOC schreibt vor, dass ein Großteil der Spiele im frei empfangbaren Fernsehen gezeigt wird. Die Ausstrahlung in einem Spartenkanal wie Eurosport erscheint ausgeschlossen – die hohen Rechtekosten wären auf diesem Wege faktisch nicht refinanzierbar. Genau darum verhandelt der Medienkonzern mit ARD und ZDF über Sublizenzen für den deutschen Markt.
Aus Branchenkreisen sickerte durch, dass Discovery stolze 150 Mio. Euro verlangt. ARD und ZDF wollen dem Vernehmen nach dagegen höchstens 100 Mio. bis 110 Mio. Euro bezahlen. Beide Sender hätten dem US-Unternehmen „ein sehr faires Angebot“ vorgelegt, erklärte erst kürzlich ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky im Branchendienst „Meedia“. Er hoffe daher auf eine „konstruktive Fortsetzung“ der Gespräche und eine Übereinkunft zu „vertretbaren Konditionen“. Weniger diplomatisch äußerte sich der Chef des ZDF-Werbefernsehens Hans-Joachim Strauch fast zeitgleich gegenüber „werben + verkaufen“. Discovery werde nichts investieren, journalistisch würden die Spiele bei Eurosport ein „Totentanz“. Noch auf der ARD-Intendantenkonferenz am 14. September in Berlin hatte ARD-Programmdirektor Volker Herres erklärt, kurzfristig sei „kein Abschluss in Sicht“. Die Öffentlich-Rechtlichen würden sich jedenfalls „an den Wirtschaftlichkeitskriterien orientieren, die wir auch in der Vergangenheit bei sportlichen Großveranstaltungen angelegt haben“.
Unter stärkerer Beobachtung
Das entspricht durchaus den selbstgesteckten finanziellen Vorgaben, unter denen ARD und ZDF auf dem Sportrechtemarkt agieren wollen. Beide Sender haben Obergrenzen für das Mitbieten bei hochkarätigen internationalen Turnieren und nationalen Ligawettbewerben gesetzt. Für das ZDF liegt das Limit nach Angaben von Intendant Thomas Bellut in der Beitragsperiode 2017 bis 2020 bei rund 220 Millionen Euro im Jahr. Die ARD greift im entsprechenden Zeitraum noch etwas tiefer in die Gebührenkiste: 1,16 Milliarden Euro sind nach dem Finanzplan für Sportevents im Ersten und in den Dritten Programmen einkalkuliert. Mit dieser Deckelung will man sowohl den Kontrolleuren der KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten) als auch den Privaten, die das Marktverhalten der Öffentlich-Rechtlichen argwöhnisch beobachten, den Wind aus den Segeln nehmen.
In Zeiten knapper Kassen stehen ARD und ZDF in ihrer Ausgabenpolitik mehr denn je unter Legitimationsdruck. Das zeigte sich zuletzt auch bei der Entscheidung über die Vergabe der Medienrechte für die Fußball-Bundesliga. Statt der bisherigen 100 Mio. Euro pro Saison dürfte die ARD zum Beispiel für die Highlight-Berichterstattung in der „Sportschau“ ab 2017 rund 134 Mio. Euro zahlen, obwohl sie die Rechte für einige Live-Spiele verliert. Auch das ZDF wird von der Deutschen Fußball-Liga um einiges stärker zur Kasse gebeten als bisher. Diese Mehrausgaben für den Lieblingssport der Deutschen müssen an anderer Stelle kompensiert werden, sofern man seine eigenen Beschlüsse ernst nimmt. Was wiederum jene Kritiker auf den Plan rufen dürfte, die – gelegentlich zu Recht – die Gefahr einer sportlichen Monokultur beschwören.
Unter Druck geraten ARD und ZDF zunehmend auch in der Frage mutmaßlich überdimensionierter Honorare für Sportexperten. Während der vergangenen Fußball-EM in Frankreich war massive Kritik über „Gebührenverschwendung“ in Form allzu üppiger Gagenzahlungen an Mehmet Scholl (ARD) und Oliver Kahn laut geworden. Wie „Bild“ herausgefunden haben will, soll etwa Scholl demnach ein jährliches Grundgehalt von rund 250.000 Euro erhalten und zusätzlich je nach Einsatz vergütet werden. Insgesamt käme er so auf etwa 800.000 Euro pro Jahr. Auf Fragen von Journalisten lehnte ARD-Vorsitzende Karola Wille es ab, konkrete Zahlen zu nennen. Gegenüber der „tageszeitung“ sagte sie aber, die ARD habe soeben entschieden, die Verträge der Sportexperten nicht mehr über die ARD-Tochter AS&S abzuschließen, sondern direkt mit der jeweiligen Landesrundfunkanstalt. Auf diese Weise sei künftig zumindest eine Kontrolle durch die Rundfunkgremien gesichert.
Zum Thema „Rundfunk im Abseits? Wie viel Sport braucht das öffentlich-rechtliche Programm?“ debattiert im 25./26. Oktober 2016 auch eine Medienpolitische Tagung von ver.di, DGB und Hans-Böckler-Stiftung auf Einladung des Bayerischen Rundfunks bei den Medientagen München.
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