1998 ist Wahljahr.

Auch in den Betrieben; im Frühjahr werden Betriebsräte gewählt

Warum das alles, mag man sich fragen. Was soll uns und mir ein Betriebsrat? Kein Zweifel, es gibt Beschäftigte, die aufgrund ihrer Qualifikation und Kompetenz so gefragt sind, daß sie ihre Arbeitsbedingungen selbst aushandeln können … oder glauben, aushandeln zu können. Die Fälle eingebildeter Verhandlungsmacht überwiegen bei weitem. Erst recht in Zeiten der Arbeitslosigkeit. Die Freiheit, nein zu sagen und zu gehen, weil andernorts gleich attraktive Arbeit winkt, gibt’s nur in Zeiten der Vollbeschäftigung.Um so notwendiger sind verbriefte Rechte im bestehenden Arbeitsverhältnis und im Betrieb. Deshalb sind z.B. Tarifverträge so wichtig. Oder Gesetze, etwa zum Zwecke des Arbeitsschutzes. Und nicht zuletzt: Das Betriebsverfassungsgesetz. Es gehört zu den wichtigsten Erfolgen der Gewerkschaften. Die Belegschaften können in wesentlichen Fragen der Arbeitsorganisation, des Gesundheitsschutzes, der Arbeitszeit, der betrieblichen Lohngestaltung, der beruflichen Bildung mitbestimmen. Die Grundlagen wurden bereits 1920 gelegt. Die Belegschaften erhielten das Recht, eigene Vertretungen zu wählen, die gegenüber dem Arbeitgeber Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte erhielten. Es überrascht nicht, daß die innerbetriebliche Demokratie 14 Jahre später von den Nazis wieder kassiert wurde. Erst nach dem 2. Weltkrieg lebte sie wieder auf.

Jede Demokratie lebt davon, daß sie praktiziert wird. Von selbstbewußten Betriebs- und Personalräten wie von den Belegschaften, die ihre Vertreter wählen und sie in ihrer täglichen Arbeit begleiten, d.h. unterstützen wie kontrollieren. Ein Betriebs- und Personalrat, der nur von einer Minderheit gewählt wurde, derweil die Mehrheit der Belegschaft der Wahl fern blieb, hat gegenüber dem Arbeitgeber einen schweren Stand.

Noch gravierender ist es, wenn gar keine Wahl stattfindet. Belegschaften, die auf einen Betriebs- und Personalrat verzichten, verschenken Rechte. Das kann bares Geld sein, z.B. wenn es im Falle von Entlassungen keinen Interessenausgleich und Sozialplan gibt. Denn dazu ist eine gewählte betriebliche Interessenvertretung notwendig. Wie wichtig dies ist, zeigt sich gerade in Zeiten, in denen Überkapazitäten und Verdrängungswettbewerbe ihre verheerenden Spuren hinterlassen.

Niemand, der bei Sinnen ist, mietet eine Wohnung oder kauft ein Auto, ohne seine Rechte vertraglich ausbedungen zu haben. Blaue und treuherzige Augen sind gut für linde Mai-Nächte, taugen jedoch nicht fürs Geschäfts- und Arbeitsleben. Die Rechte von Belegschaften, von Betriebs- und Personalräten sind notwendig, damit das Verhältnis von Arbeit und Gegenleistung des Arbeitgebers stimmt. Ja, die Existenz einer handlungsfähigen betrieblichen Interessenvertretung ist in ihrem Schutz unmittelbar und täglich spürbar, mindestens so wie ein Parlament in der Gemeinde und im Staat.

Daß sich die Demokratie nicht nur in Wahlen erschöpft, ist mittlerweile eine Binsenweisheit. Ein Betriebs- und Personalrat ist so stark und durchsetzungsfähig, wie die Belegschaft ihn macht. Dazu gehört, daß die Mitglieder von Betriebs- und Personalräten nicht nur Rückgrat zeigen, sondern sich qualifizieren. Dazu gibt es mannigfache Hilfe und Schulung, nicht zuletzt von der IG Medien.

Daher unser Appell: Beteiligt/beteiligen Sie sich/Euch an den Wahlen, sei es als Wähler/innen, sei es als Kandidat/innen.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Für faire Arbeit bei Filmfestivals

„Wir müssen uns noch besser vernetzen und voneinander lernen!“, war die einhellige Meinung bei der Veranstaltung der ver.di-AG Festivalarbeit im Rahmen des  Leipziger Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm. Die AG hatte zu einer Diskussionsrunde mit dem Titel Labour Conditions for Festival Workers: Roundtable & Fair Festival Award Launch eingeladen. Zu Gast waren internationale Teilnehmer*innen. Die Veranstaltung war auch der Startschuss zur ersten Umfragerunde des 4. Fair Festival Awards.
mehr »

Ver.di fordert Big-Tech-Regulierung

Durch die problematische Verquickung von politischer, medialer und ökonomischer Macht sind die dominierenden Online-Plattformen längst nicht mehr neutrale Mittler diverser Inhalte, sondern werden selbst zum kuratierenden Medium. Der Raum für Machtmissbrauch in Form politischer Einflussnahme oder Desinformation ist immens. Um die Resilienz unserer Demokratie vor einer autoritären Übernahme zu stärken, besteht akuter Handlungsbedarf.
mehr »

Landtage beschließen Rundfunkreform 

Der Sächsische Landtag hat heute positiv über die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abgestimmt. Wegen der Minderheitsregierung im Landtag Sachsen war die Mehrheitsfindung bis zuletzt ungewiss. Durch die Zustimmung aus Sachsen gilt es nun als unstrittig, dass der Reform-Staatsvertrag (7. Medienänderungsstaatsvertrag) in Kraft treten kann. Ver.di kritisiert die "Einigkeit in der falschen Sache".
mehr »

Nachrichtenkonsum fördert die Demokratie

Immer mehr Menschen konsumieren selten oder gar keine Nachrichten oder nehmen diese nur noch indirekt über soziale Medien wahr. Eine Schweizer Studie kommt nun zu dem Schluss, dass die Nachrichtennutzung direkt mit dem Wissen über aktuelle Geschehnisse zusammenhängt. Jene, die selten oder kaum journalistische Medien konsumieren, wissen deutlich weniger über politische und gesellschaftliche Themen. Das wirkt sich demokratische Prozesse aus.
mehr »