Am Anfang war die Dose

Sport und Talk im ServusTV
Foto: Getty Images/Red Bull Content Pool

Das Red Bull Media House krempelt österreichischen Medienmarkt um

Ein Mann, viele Taten: An Dietrich Mateschitz kommt in Österreich niemand vorbei. 1984 gründete er die Red Bull GmbH, an der er 49 Prozent hält. Drei Jahre später brachte der heute 73-Jährige mit dem Red Bull Energy Drink das Kernprodukt des Unternehmens auf den österreichischen Markt. Mit durchschlagendem Erfolg: Weltweit wurden seither mehr als 62 Milliarden Dosen verkauft, bei den Energiedrinks ist Red Bull Weltmarktführer. Mateschitz avancierte zum Milliardär und reichsten Österreicher, der sich inzwischen auch in der Medienbranche tummelt.

Das Wachstum dürfte nicht zuletzt Folge des üppig ausgestatteten Marketings sein – Red Bull gibt mehr als ein Viertel seines Umsatzes für Werbeaktivitäten aus. Den Claim „Redbull verleiht Flügel“ kennen auch Menschen, die sich mit der coffeinhaltigen Brause nicht anfreunden können. Mit dem Sponsoring von Formel-1-Teams, Extremsportlern sowie Eishockey- und Fußballmannschaften – etwa dem RB Leipzig – wird ein sportlich-dynamisches Image gepusht. Der Einstieg ins Mediengeschäft, mit dem sich nicht zuletzt die leistungssteigernde Wirkung des Energy Drinks in Szene setzen lässt, war da konsequent. Zur Bündelung von Medienaktivitäten und -beteiligungen gründete Mateschitz 2007 das Tochterunternehmen Red Bull Media House GmbH (RBMH) mit Sitz in Salzburg. Auf seiner Website preist sich das RBMH als „multi-platform media company“ mit Schwerpunkt auf Sport, Kultur und Lifestyle. Das aufstrebende Medienunternehmen beschäftigt nach eigenen Angaben mehr als 1.000 Mitarbeiter; im Oktober 2017 wies es in seinem Jahresabschluss für 2016 einen Umsatz von 541 Millionen Euro aus.

RBMH hat seine Produktpalette kontinuierlich ausgebaut, inzwischen vereint es unter seinem Dach drei TV-Sender – neben dem Flaggschiff ServusTV außerdem Red Bull TV und den Doku-Produzenten Terra Mater Factual Studios. Im Printbereich erscheint seit 2007 The Red Bulletin u.a. mit Berichten über Red Bull-Sponsoringaktivitäten, 2010 folgte Servus in Stadt & Land – eine Art österreichische Landlust mit diversen Nischenheften, inzwischen meistverkauftes Monatsmagazin des Landes. Das Wissensmagazin Terra Mater folgte 2012, das Magazin Bergwelten kam 2015 hinzu; seit Mai dieses Jahres mit eigener Schweizausgabe. Das dazugehörige Berg-und Outdoorportal bergwelten.com mit über 190.000 Followern bildet die größte Wander- und Berg-Social-Community im deutschsprachigen Raum. Im Buchverlagsgeschäft übernahm RBMH 2013 den Salzburger Ecowin Verlag.

Auch online ist RBMH mit RedBull.com, RedBull TV Online, dem RedBulletin, Servus am Marktplatz breit aufgestellt und betreibt den meistgeklickten YouTube-Kanal Österreichs. Deutlich ausgebaut wurde das App- und Online-Angebot. „Red Bull Records“, „Red Bull Music Publishing“ und dem „Red Bull Music Academy Radio“ sollen im Musikmarkt reüssieren.

Die wechselvolle Geschichte von ServusTV erzählt auch von einem Geschäftsgebaren, das die Belange von Mitarbeiter_innen wenig wertschätzt. Mateschitz hatte 2007 den Regionalsender SalzburgTV übernommen, im Herbst 2009 startete der Sender unter dem Namen ServusTV neu. Geboten werden sollte „niveauvolle Unterhaltung“ mit regionalem Touch. Lange dümpelten die Einschaltquoten vor sich hin. Hohe Wellen schlug Mitte 2016 die Ankündigung, den Sender aufgrund „mangelnder Wirtschaftlichkeit“ einzustellen, 264 Mitarbeiter_innen erhielten die Kündigung. Wenig später gab Konzernchef Mateschitz zu, dass die Aussicht auf eine mögliche Betriebsratsgründung den Entschluss begünstigt hätte. Nachdem sich die Belegschaft öffentlich gegen eine Betriebsratsgründung ausgesprochen hatte, wurde die Entscheidung zurückgenommen. Für den Umgang mit ServusTV und das „Untergraben des Rechts auf Betriebsratsgründung“ erhielt das RBMH im Februar 2017 vom österreichischen „Netzwerk Soziale Verantwortung“ den Schandfleck-Jurypreis 2016.

Im einzigen Interview, das der öffentlichkeitsscheue Mateschitz zum 30-jährigen Jubiläum der Dose im April der steiermärkischen Kleinen Zeitung gegeben hat, wetterte er gegen „Political Correctness“ und Meinungsdiktate, kritisierte die Regierenden Europas für den Umgang mit der Flüchtlingswelle. Und weil er ein Mann der Tat ist, dem die Wahrheit am Herzen liegt, startete er abseits vom RBMH im Frühjahr 2017 die Stiftung „Quo Vadis Veritas“ mit der Medienplattform Addendum. Sie soll „eine publizistische Antwort auf die wuchernde Misstrauenskultur in der Gesellschaft liefern“. Bei dem Projekt handele es sich um eine multimediale, öffentlich zugängliche Rechercheplattform. Medienkonsumenten sollen eine zusätz­liche Möglichkeit erhalten, näher an die Wahrheit heranzukommen, indem Informationen, aber keine Meinungen geliefert werden“, ließ Red Bull verlauten. Ein hehres Ziel. Zu hoffen bleibt nur, dass neben der Mateschitzschen Wahrheit auch andere Wahrheiten nicht zu kurz kommen. In die Karten gucken lässt man sich jedenfalls nicht. Auf die Anfrage, ob Fabian Dorschel, Head of Global Media Services & Strategy beim RBMH, auf dem dju-Journalistentag einen Einblick ins Geschäftsmodell von Red Bull Media House gewähren könnte, lautete die knappe Antwort: „Zurzeit leider kein Interesse.“

 

 

 

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