Bauers Geschäfte in der Nazi-Zeit

Sitz der Bauer Media Group in Hamburg - Europas größter Zeitschriftenkonzern
Foto: Mathias Thurm

Über Geschäfte des Hamburger Unternehmens Bauer, heute Bauer Media Group, während der NS-Zeit berichtet die Wochenzeitung „Die Zeit“ in ihrer jüngsten Ausgabe. Danach waren Hunderte italienische Zwangsarbeiter von Ende 1943 bis 1945 in einem Verlagsgebäude im Hamburger Meßberghof untergebracht. Einige von ihnen starben. Bauer kassierte die Miete für das Lager. Bis heute tut sich der Konzern schwer mit der Aufarbeitung seiner Vergangenheit. Am 8. September soll eine Kundgebung in Hamburg an die Internierten erinnern. 

Der Zeit-Artikel basiert auf den Recherchen der langjährigen Betriebsrätin der Bauer Media Group Kersten Artus und ihres Ehemanns Holger Artus. Bereits am 15. Januar dieses Jahres hatten „Der Spiegel“ und NDR/Zapp Berichte über die NS-Vergangenheit der Verlegerfamilie Bauer veröffentlicht. Alfred Bauer war nicht nur einfaches Mitglied der NSDAP. „Alfred Bauer hat Menschen jüdischer Abstammung Immobilien und Grundstücke zu niedrigen Preisen abgekauft. In seiner Programmzeitschrift „Funk-Wacht“ wurden der Nazismus und Kriegsvorbereitung verherrlicht, Menschenrechtsverletzungen ausgeblendet. Alfred Bauer hat mit seinen geschäftlichen Aktivitäten während der NS-Diktatur einen bedeuteten Grundstock für den heutigen Medienkonzern Bauer Media Group gelegt. Heute gehört die Familie Bauer zu den reichsten Deutschen“, kommentierte M.

Gegenüber der „Zeit“ erklärt Imke Weiland, Sprecherin des Unternehmens: „Unser Plan war, im laufenden Jahr einen Historiker mit Recherchen zur NS-Zeit zu beauftragen.“ Durch die Corona-Pandemie habe sich alles ein wenig verzögert, „es gab andere Prioritäten.“ Jetzt sei der Verlag allerdings wieder in Gesprächen mit Experten, die Arbeit solle noch dieses Jahr beginnen. Eine Bewertung des Verhaltens „von Heinrich und Alfred Bauer in der NS-Zeit“ solle jedoch erst erfolgen, wenn die Untersuchungen abgeschlossen seien. Wann das sein könnte, blieb offen.

An die Schicksale der im Kontorhausviertel untergebrachten Zwangsarbeiter*innen wollen Kersten und Holger Artus gemeinsam mit mehreren Initiativen auf einer Kundgebung am 8. September 2020 erinnern. „Der 8. September ist der Jahrestag des Waffenstillstands zwischen Italien und den Alliierten nach dem Sturz Benito Mussolinis 1943. Dem Waffenstillstand folgten die deutsche Besetzung Norditaliens, Massenverhaftungen hunderttausender italienischer Soldaten und ihre Deportation. Über 12.000 von ihnen wurden nach Hamburg verschleppt und in Zwangsarbeitslagern inhaftiert“, heißt es im Aufruf. Um 17.30 Uhr geht es im Kontorhausviertel vor dem Bauer-Verlagsgebäude los.

 

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