Denn Firmenhistorie ist keine Privatsache

Die Journalistin Kersten Artus war langjährige Bauer-Beschäftigte und Betriebsrätin.
Foto: privat

Die braune Vergangenheit der heutigen Bauer Media Group ist endlich ans Licht gekommen, Einzelheiten wurden jetzt publik. Nun will die Familie Bauer einen Historiker einsetzen, der diesen Teil der Firmengeschichte aufarbeiten soll. Das Ergebnis soll öffentlich gemacht werden. Das wird einerseits allerhöchste Zeit. Es kommt andererseits viel zu spät.

Der Hamburger Verleger Alfred Bauer war Mitglied der NSDAP. Das haben „Der Spiegel“ und NDR/Zapp am 15. Januar veröffentlicht. Alfred Bauer hat Menschen jüdischer Abstammung Immobilien und Grundstücke zu niedrigen Preisen abgekauft. In seiner Programmzeitschrift „Funk-Wacht“ wurden der Nazismus und Kriegsvorbereitung verherrlicht, Menschenrechtsverletzungen ausgeblendet. Alfred Bauer hat mit seinen geschäftlichen Aktivitäten während der NS-Diktatur einen bedeuteten Grundstock für den heutigen Medienkonzern Bauer Media Group gelegt. Heute gehört die Familie Bauer zu den reichsten Deutschen.

Wäre die braune Firmengeschichte bereits früher bekannt gewesen, hätte das unweigerlich Auswirkungen auf die spätere Produktpalette des Medienunternehmens gehabt. Den jahrzehntelangen Vertrieb der Groschenreihe „Der Landser“ hätte es wohl nicht gegeben. Die geschäftliche Zusammenarbeit mit dem Neonazi Dietmar Munier, für den Bauer die Rechtspostille „Zuerst“ vertrieben hat, wäre höchstwahrscheinlich auch nicht zustande gekommen. Und der frühere Chefredakteur der „Praline“, Jürgen Köpcke, hätte sicher in seiner Zeitschrift nicht dermaßen gegen Ausländer und insbesondere Asylbewerber*innen hetzen können, wie er das getan hat.

Es waren immer die Betriebsräte und Gewerkschafter*innen, die Bauer dafür kritisiert und zu Protesten aufgerufen haben. Aber Heinz Bauer, Alfreds gerade 80 Jahre alt gewordener Nachfolger, war stets taub für diese Kritik. Im Fall des „Landser“ – nachdem festgestellt war, dass die Romanreihe kriegsverherrlichend und geschichtsklitternd ist, weil Nazi-Größen als Kriegshelden, die Wehrmacht als tolle Truppe dargestellt wurden – ließ Bauer sogar ein Gegengutachten erstellen. Das ergab – wen wundert‘s: Alles gar nicht so schlimm.

Deswegen kann es – erstens – nicht dabei bleiben, dass die Familie Bauer festlegt, welcher Historiker die Unternehmens- und Familiengeschichte nun aufarbeitet. Es ist nicht ihre Privatsache. Eine unabhängige Historikerkommission muss eingesetzt werden. Die zweite Forderung lautet: Wiedergutmachung. Die Gruppe steht in der historischen Verantwortung, sich zu entschuldigen und etwas zurückzugeben. Die Familie hat hier nicht zu kleckern, sondern zu klotzen.

Weitere aktuelle Beiträge

Was tun gegen defekte Debatten

Das Land steckt in der Krise und mit ihm die Diskussionskultur. Themen wie Krieg und Pandemie, Migration und Rechtsextremismus polarisieren die politische Öffentlichkeit. In ihrem Buch „Defekte Debatten: Warum wir als Gesellschaft besser streiten müssen“ suchen Julia Reuschenbach, Politikwissenschaftlerin an der FU Berlin und Korbinian Frenzel, Journalist und Redaktionsleiter Prime Time bei Deutschlandfunk Kultur, nach Auswegen aus der diskursiven Sackgasse.
mehr »

Content, Streaming und Transformation

Medienkonvergenz erfordert neue Geschäftskonzepte und eine funktionierende Infrastruktur. Doch beides ist eine Herausforderung, die es zu meistern gilt. Wie? Das wurde auf einer der weltgrößten Telekommunikationsmessen diskutiert: Der Anga Com in Köln. Auf der Kongressmesse für Breitband, Fernsehen und Online wird auch das neue Digitalministerium in die Pflicht genommen.
mehr »

Kriminalität nicht mit Migration verknüpfen

Kriminelle Migranten bedrohen die Sicherheit in Deutschland“ – dieses alte rechte Narrativ wird von der AfD neu belebt und verfestigt sich in der Mitte von Gesellschaft und Politik. Medien, die diese realitätsverzerrende Erzählung bedienen, weil sie meinen, die laute Minderheit repräsentiere ein öffentliches Interesse, spielen mit dem Feuer.
mehr »

Weniger Demokratie wagen

Mit dem Slogan „Medienvielfalt stärken – Meinungsfreiheit sichern“ ist die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD angetreten.  Keine Koalitionsvereinbarung ohne Bekenntnis zur „flächendeckenden Versorgung mit journalistischen Angeboten“. Aber halt: Hieß es nicht bei der Ampel (und der letzten Merkel-Regierung!) noch „flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen“?
mehr »