Burdas Abschied

Schleswig-Holsteiner Zeitungsverlag ist neuer Brötchengeber für die Schweriner Volkszeitung

Mit Spannung verfolgten Mitarbeiter, ver.di, Betriebsräte und Wettbewerber, wer die Schweriner Volkszeitung von Burda kauft. Die möglichen Interessenten: Holtzbrinck, Springer und der Schleswig-Holsteiner Zeitungsverlag. 340 Beschäftigte bekommen jetzt einen neuen Brötchengeber: den Zuschlag erhielt der Schleswig-Holsteiner Zeitungsverlag, kurz SH:Z. Über den Verkaufspreis wurde Stillschweigen vereinbart, gemunkelt wird in der Branche von 65 Millionen Euro.

Burdas Abschied aus Mecklenburg-Vorpommern hat nichts mit wirtschaftlichen Verlusten oder Erfolglosigkeit zu tun. Der Medienmulti wollte die Zeitung abstoßen, die er Anfang der 90er Jahre von der Treuhand erworben hatte, seine einzige Tageszeitung. Offensichtlich wollen die Offenbacher Manager Manpower und Finanzen ausschließlich für das Zeitschriftengeschäft einsetzen: erst vor kurzem hatte der Konzern (Focus, Bunte) die Hamburger Verlagsgruppe Milchstraße (TV Spielfilm, Cinema, Tomorrow) gekauft und sich zusätzlich mit 49,9 Prozent an dem 14-täglichen Programmie TV Today beteiligt.

Für den SH:Z ist die Schweriner Volkszeitung eine betriebswirtschaftlich und verlegerisch wichtige Ergänzung: der erste eindeutige Schritt weg von der dänischen Grenze ins Binnenland. Mit Aufkäufen in Norddeutschland avancierte der SH:Z mit seinen 500 Beschäftigten zum Verlag mit den meisten Lesern in Schleswig-Holstein: 470.000 nach Verlagsangaben (u. a. Landeszeitung, Flensburger Tageblatt, Husumer Nachrichten, Schleswiger Nachrichten, Sylter Rundschau, Nordfriesland, etliche Anzeigenblätter). Die Schweriner Volkszeitung ergänzt nun die stramme Printgalerie: Sie hat eine Auflage von 116.000 Exemplaren, wird von 280.000 Menschen gelesen, 109.000 Abonnent/innen garantieren stabile Ergebnisse.

Sieglinde Heyl, ver-di-Sekretärin in Mecklenburg-Vorpommern, hofft, „auf die Erfahrung der SH:Z im Zeitungsgeschäft, dass man sich auf den publizistischen Wettbewerb in Mecklenburg-Vorpommern konzentriert und die Arbeitsplätze erhalten bleiben.“ Holger Malterer, ver.di-Bezirksgeschäftsführer für den Fachbereich Medien aus Kiel, meint: „Es ist bedauerlich, dass Zeitungen nicht mehr eigenständig geführt werden können“. Zu Recht: Wer denkt beim täglichen Zeitungslesen daran, dass immer weniger Verleger bestimmen, was die Presse schreibt?

Immerhin: Beide Verlage sind Mitglied im Verband der Zeitungsverleger Norddeutschland, für sie gilt ein einheitliches Tarifwerk. Welche Folgen für den Verwaltungsbereich und die Redaktionen entstehen, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Ver.di appelliert an den SH:Z, seiner sozialen Verantwortung gerecht zu werden. Synergieeffekte müssen beiden Unternehmen zu gute kommen und dürfen keine Einbahnstraße von Schwerin nach Flensburg sein.


News aus den Printhäusern siehe unter www.verdi-verlage.de

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Fakten for Future

Menschen jeden Alters machen sich Sorgen um die Zukunft unseres Planeten. Carla Reemtsma ist Klimaschutzaktivistin und Mitorganisatorin des Schulstreiks Fridays for Future („Klimastreik“) in Deutschland. Als Sprecherin vertritt sie die Bewegung auch in der medialen Öffentlichkeit. Wir sprachen mit ihr über Kommunikationsstrategien, Aktivismus und guten Journalismus.
mehr »

Mit Recht und Technik gegen Fake News

Als „vielleicht größte Gefahr“ in der digitalen Welt sieht die Landesanstalt für Medien NRW (LFM) die Verbreitung von Desinformationen. Insbesondere gilt das für die Demokratische Willensbildung. Daher wird die Aufsichtsbehörde ihren Scherpunkt im kommenden Jahr genau auf dieses Thema richten. Aber wie kann man der Flut an Fake News und Deep Fakes Herr werden?
mehr »

Süddeutsche ohne Süddeutschland?

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) will sich aus der Regionalberichterstattung in den Landkreisen rund um München weitgehend zurückziehen. Am Mittwoch teilte die Chefredaktion der SZ zusammen mit der Ressortleitung den rund 60 Beschäftigten in einer außerordentlichen Konferenz mit, dass die Außenbüros in den Landkreisen aufgegeben werden und die Berichterstattung stark zurückgefahren wird. Dagegen wehrt sich die Gewerkschaft ver.di.
mehr »

Games: Welcome to Planet B

Die Bürgermeisterin muss sich entscheiden: Soll zuerst ein Frühwarnsystem vor Springfluten eingerichtet oder neue Möglichkeiten zum Schutz vor Hitze geplant werden? Und sollen diese neuen Schutzmaßnahmen besonders günstig oder lieber besonders nachhaltig sein? Was wie Realpolitik klingt ist ein Computerspiel. Denn immer mehr Games setzten sich auch mit Umweltthemen auseinander.
mehr »