Die Giganten formieren sich

Auf dem deutschen Kinomarkt geht die Konzentration horizontal und vertikal weiter

Die Fusionswelle in der Medienbranche macht auch vor dem noch weitgehend mittelständisch geprägten Kinomarkt in Deutschland nicht halt. In jüngster Zeit gaben gleich mehrere Unternehmen aus der Film- und Fernsehbranche, insbesondere die börsennotierten, kapitalstarken AGs, Pläne zu Übernahmen oder Beteiligungen auf dem Kinosektor bekannt oder haben sie bereits vollzogen.

Die beiden führenden deutschen Kino-Unternehmen, die CinemaxX AG aus Hamburg und die UFA Filmtheater GmbH & Co KG, teilten bereits im Januar mit, dass sie über die Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft sprechen. Am 19. April gaben die beiden Hochzeiter nun bekannt, dass sie nach jahrelangen Verhandlungen den größten deutschen Filmtheater-Verbund bilden wollen. Erklärtes Ziel ist eine Vollfusion in fünf Jahren. Die börsennotierte CinemaxX AG beteiligt sich mit zunächst zehn Prozent an der UFA – mit der Option auf die Übernahme zusätzlicher Anteile. Außerdem kündigte sie an, im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrages die unternehmerische Führung bei der UFA zu übernehmen. Durch das Bündnis entsteht der größte deutsche Kinobetreiber mit rund 30 Millionen Besuchern im Vorjahr und geschätzten 35 Millionen Kunden im laufenden Jahr.

Der CinemaxX-Finanzvorstand Michael Pawlowski bezifferte das Investment bei der UFA mit 18 Millionen DM. Als Voraussetzung für einen endgültigen Zusammenschluss nannte er, dass die UFA zwei Jahre lang keine roten Zahlen schreibe. Einsparungen in Höhe von fünf Millionen DM seien möglich. Die Marke UFA soll erhalten bleiben.

„Wertsteigernde Ertragspotenziale“

Der UFA-Geschäftsführer Ulrich Müller-Taufertshöfer betonte, die enge Verbindung mit CinemaxX sei „sinnvoll, um für die Zukunft entsprechend gewappnet zu sein und die überwiegende Anzahl der von UFA betriebenen Kinos langfristig an ihren Standorten zu sichern.“ An Standorten mit gemeinsamer Präsenz wie Berlin, Freiburg, Hamburg oder Stuttgart sollten die Multiplexe beider Firmen optimal koordiniert werden und danach eine bessere Auslastung vorzeigen können. Im Klartext: Unwirtschaftliche Kinos werden dicht gemacht. Harte Einschnitte wird es aber auch beim Personal geben: Um die Verwaltungskosten zu senken, wird die bisherige UFA-Verwaltung in Düsseldorf geschlossen. Für die etwa 90 Mitarbeiter soll es einen Sozialplan geben.

Als weitere „wertsteigernde Ertragspotenziale“ hob CinemaxX-Vorstand Hans-Joachim Flebbe den angepeilten Ausbau der Marktführerschaft, die Stärkung der regionalen Kundenbindung und eine optimierte Standortpolitik hervor. Erwartet werden zudem bessere Gewinnspannen durch günstige Einkaufskonditionen.

Marktsättigung: Überangebot an Kinositzplätzen

Hintergrund der ,Elefantenhochzeit‘ ist eine zunehmende Marktsättigung: Die vielen Neueröffnungen von Multiplexen haben zumindest in einigen Ballungsräumen zu einem Überangebot an Kinositzplätzen geführt. So ermittelte die Filmförderungsanstalt, dass die Besucherzahl pro Leinwand 1999 bei den Multiplexen um 2,4 Prozent gegenüber 1998 gesunken ist. Noch ärger hat es die traditionellen Filmtheater getroffen, die einen Rückgang von 4,5 Prozent hinnehmen mußten. Dazu kommt eine Stagnation der Besucherzahlen: 1999 lockten die Kinos hierzulande 149 Besucher an – kaum mehr als im Jahr zuvor. Da jedoch gleichzeitig in der Summe mehr als 200 neue Kinosäle dazukamen, gingen die Auslastung und damit die Gewinne zurück. Kein Wunder daher, dass die Branchenriesen nach Einsparmöglichkeiten suchen.

Der Multiplex-Spezialist CinemaxX betreibt bisher rund 30 Multiplexe und eine kleine Zahl traditioneller Kinos. Das Unternehmen setzte im Geschäftsjahr 1998/99 272 Millionen DM um. In den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres 1999/2000 stieg der Konzerngewinn geringfügig (0,4 Millionen DM) auf 6,8 Millionen DM. Das Ergebnis vor Abschreibungen verbesserte sich um 46 Prozent auf 14,6 Millionen DM.

Die UFA erzielte im Vorjahr einen Umsatz von 300 Millionen DM und beschäftigt 1.450 Mitarbeiter. Sie betreibt 395 Leinwände in 80 Kinobauten in 35 Städten, wobei der Schwerpunkt auf traditionellen Filmtheatern liegt. Die angepeilte Fusion dürfte bei den Kartellwächtern kaum auf Einwände stoßen, da nach wie vor viele der etwa 4.750 Filmtheater in Deutschland unabhängigen Einzelbetreibern gehören. Bundesweit aktiv sind bisher sieben Ketten aktiv.

Europaweite Expansion

Auf Expansion setzt CinemaxX schon seit längerem. Um sich europaweit auszubreiten, verbündete sich das Hamburger Unternehmen mit der belgischen Kinepolis, die Multiplexe in den Benelux-Staaten, Frankreich und Spanien betreibt. Dabei einigte man sich auf eine Revieraufteilung: Während CinemaxX in den deutschsprachigen Länder operiert, wollen beiden Unternehmen gemeinsam Großkinos in Skandinavien und Osteuropa errichten. Auf den europäischen Markt setzt übrigens auch der deutsche Branchenzweite Kieft & Kieft. Das Lübecker Unternehmen schloss im Januar ein Kooperationsabkommen mit der italienischen Mediaport SL. Gemeinsam wollen sie 30 Multiplexe in Italien bauen, die von der Mediaport betrieben werden sollen. Die Kieft-Gruppe betreibt 52 Filmtheater mit 294 Leinwänden.

Einstieg von Senator Film

Es bleibt jedoch nicht bei der Fusion unter den bisherigen Kino-Konkurrenten CinemaxX und UFA, die mit 623 Leinwänden an 54 Standorten zusammen auf einen Marktanteil von etwa zwanzig Prozent kommen. Nach der Einigung zwischen den beiden Kinoriesen kündigte die Berliner Produktions- und Verleihfirma Senator Film an, sich mit 25 Prozent und einer Aktie an CinemaxX zu beteiligen. Zugleich sollte das CinemaxX-Kapital um rund zehn Prozent erhöht werden. Nach Angaben von Senator-Vorstand Hanno Huth liegt der Kaufpreis zwischen 117 und 137 Millionen DM. Damit halten Senator und der belgische Kinobetreiber Kinepolis Group N.V. mit Anteilen von je 25,1 Prozent die Mehrheit der CinemaxX-Stimmrechte. Der Familie des CinemaxX-Gründers Flebbe bleiben etwa 32 Prozent.

Durch die „strategische Partnerschaft“ mit CinemaxX kann Senator künftig in Europa rund 50 Millionen Kinobesucher erreichen. Damit werde das Unternehmen bei der Verwertung von Filmen zum „attraktivsten deutschen Kooperationspartner für Produzenten, Regisseure und Schauspieler im In- und Ausland“, vor allem für amerikanische Studios, fügte Huth hinzu. In den Kinos beider Unternehmen würden Senator-Filme und deren Trailer nun bevorzugt positioniert. Außerdem wolle Senator den Einstieg in das europäische Filmverleih- und Lizenzhandelsgeschäft beschleunigen. Zur Finanzierung dieser Aktivitäten und der CinemaxX-Beteiligung gab Senator 1,8 Millionen neue Aktien aus. Die Kapitalerhöhung brachte laut Mitteilung vom 11. Mai einen Brutto-Erlös von 175,5 Millionen Euro.

Kinowelt plus Kinopolis

Kam der Senator-Vorstoß eher überraschend, weil Branchenkenner eher mit einer Initiative des Münchner Konkurrenten Kinowelt gerechnet hatten, so ließ dessen Reaktion nicht lange auf sich warten. Die expansionsfreudige Kinowelt Medien AG verkündete im Zusammenhang mit weiteren Übernahmen am 8. Mai, dass sie die Mehrheit an dem Multiplex-Betreiber Kinopolis erwirbt. Die beiden Aktionäre der Theile Hoyts Entertainment geben dazu 50,1 Prozent der Anteile ab. Kinopolis betreibt bundesweit zehn Multiplexe mit 86 Leinwänden. Vier dieser Filmtheater wurden ersten innerhalb der letzten neun Monate eröffnet. Im Vorjahr verkaufte das Unternehmen 5,1 Millionen Eintrittskarten und erreichte Rang fünf unter den deutschen Multiplex-Betreibern. Vorstandschef Michael Kölmel wies darauf hin, dass Kinowelt mit dieser Kette „nicht an Overscreening-Standorten vertreten ist, wo sich Multiplex-Kinos gegenseitig Konkurrenz machen.“

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