Dudenverlag zerschlagen

Rund 140 Entlassungen angedroht

Das Bibliographische Institut (BI) – populär „Dudenverlag“ genannt – soll zerschlagen werden. Der Hauptsitz des zur Franz-Cornelsen-Bildungsgruppe gehörenden Unternehmens wird von Mannheim nach Berlin verlagert, der Bereich Kinder- und Jugendbuch soll verkauft werden, Massenentlassungen sind angekündigt.

Das BI beschäftigt in Mannheim rund 190 Kolleginnen und Kollegen und in einer Dependance in Berlin 5 Mitarbeiter. Nach den Planungen der Unternehmensspitze soll es künftig etwa 30 Arbeitsplätze in Berlin geben. Etwa 20 sollen in Mannheim verbleiben im Bereich Sprachtechnologie. Die redaktionellen Arbeitsplätze sollen in eine „BI-Redaktionsservice GmbH“ mit 12 Beschäftigten ausgelagert werden, die ausdrücklich kein Tochterunternehmen des BI ist. Überspitzt ausgedrückt: „Dudenverlag künftig ohne (eigene) Redaktion“, heißt es in einer Betriebsratsinfo. Unterm Strich sollen rund 145 Arbeitsplätze im BI vernichtet werden (die externen Redaktionsstellen eingerechnet). ver.di forderte den Verlag auf, mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich auszuhandeln. Zuvor hatte der Betriebsrat vor Gericht per Einstweiliger Verfügung versucht, den Umzug zu verhindern. Er unterlag in zwei Instanzen. Grundlage dafür war eine Standortsicherungszusage aus dem Jahr 2009, nach der bis Ende 2015 der Verlagssitz des BI in Mannheim verbleiben sollte.

Bestürzung auf dem Jahreskongress der Gesellschaft für Angewandte Linguistik im September in Erlangen angesichts dieser Informationen. Die Sprachwissenschaftler wollten nicht glauben, „dass diese Maßnahmen alternativlos seien“, erklärte ver.di-Sekretär Gerd Vohs, der als Gast am Kongress teilnahm. Besonders die Zusammenarbeit von Dudenredaktion und Institut für Deutsche Sprache (IDS), ebenfalls in Mannheim ansässig, sei unverzichtbar. Der Dudenverlag verfüge mit seinen Nachschlagewerken und Datenbanken über einen „Schatz für deutsche Sprache“, so Vohs, den es zu pflegen und nicht ausschließlich wirtschaftlichen Verwertungsinteressen unterzuordnen gelte. Gefordert wurde ein „runder Tisch“ zur Rettung des Dudenverlags in der „Hauptstadt der deutschen Sprache“, die Mannheim und gerade nicht Berlin sei. Zahlreiche Tagungsteilnehmer haben in einer Resolution an die Geschäftsführung des BI gefordert, die Dudenredaktion als selbstständige Organisationseinheit in hinreichender Personalstärke und mit der für eine zeitgemäße und professionelle Lexikografie erforderlichen Sachmittelausstattung zu erhalten.
Allein die Geschäftsführung scheint all das nicht zu beeindrucken. Sie halte unbeirrt an ihren Planungen fest und verweigere jede inhaltliche Auseinandersetzung über mögliche Alternativen, heißt es aus dem Betriebsrat. Auch plane sie, die Kündigungen bereits in der zweiten Oktoberhälfte direkt nach der Buchmesse auszusprechen.


Solidaritätserklärungen

Der Betriebsrat des BI nimmt unter der E-Mail-Adresse betriebsrat@bi-media.de gern Solidaritätserklärungen von Kolleginnen und Kollegen entgegen, die die Forderungen nach Erhalt der verlagseigenen Redaktion am Standort Mannheim
unterstützen.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Süddeutsche ohne Süddeutschland?

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) will sich aus der Regionalberichterstattung in den Landkreisen rund um München weitgehend zurückziehen. Am Mittwoch teilte die Chefredaktion der SZ zusammen mit der Ressortleitung den rund 60 Beschäftigten in einer außerordentlichen Konferenz mit, dass die Außenbüros in den Landkreisen aufgegeben werden und die Berichterstattung stark zurückgefahren wird. Dagegen wehrt sich die Gewerkschaft ver.di.
mehr »

Games: Welcome to Planet B

Die Bürgermeisterin muss sich entscheiden: Soll zuerst ein Frühwarnsystem vor Springfluten eingerichtet oder neue Möglichkeiten zum Schutz vor Hitze geplant werden? Und sollen diese neuen Schutzmaßnahmen besonders günstig oder lieber besonders nachhaltig sein? Was wie Realpolitik klingt ist ein Computerspiel. Denn immer mehr Games setzten sich auch mit Umweltthemen auseinander.
mehr »

Aktuelles aus der Medienbranche 3/24

Im dritten Quartal des Jahres setzten sich die bisherigen Trends der Medienbranche fort: Print-Periodika schrumpfen, Online nimmt zu, die Buchbranche wächst leicht. Axel Springer wird aufgespalten. Der „Markt“ für Übernahmen und Beteiligungen im Medienbereich verengt sich. Die Quartalsberichte stützen sich auf die Auswertung von Internetseiten, Zeitungen, Fachzeitschriften, Informationsdiensten, Verbands- und Unternehmenspublikationen.
mehr »

NRW: Zusammenschluss im Zeitungsmarkt

Die Konzentration im NRW-Zeitungsmarkt, insbesondere in der Region Ostwestfalen-Lippe (OWL), setzt sich fort. Die Neue Westfälische und das Westfalen-Blatt streben eine Kooperation an. Auch die Lippische Landes-Zeitung und das Mindener Tageblatt planen, ihre Verlagsaktivitäten künftig in einer gemeinsamen Holding zu bündeln.
mehr »