Eine Black Box voller Gefahren und Nutzen

Symbolfoto: Smart City-Konzept mit künstlicher Intelligenz Foto: 123rf

Künstliche Intelligenz (KI), auch als maschinelles Lernen (ML) oder artifizielle Intelligenz (AI) bekannt, dringt in den (Online-)Journalismus vor. Vor allem mit der Frage, wie KI als Werkzeug für qualitativ hochwertigen Journalismus genutzt werden kann, befasste sich eine Online-Veranstaltung vom „Cyber Valley“ des Max-Planck-Instituts for Intelligent Systems Stuttgart. Deutlich wurde: Die vielzitierten Fußballspiele und der Wetterbericht sind beileibe nicht die einzigen Textgestaltungs-Anwendungen für eine KI.

Gerade im Zusammenhang mit automatisch generierten Standardtexten wird KI gerne auch mal Roboterjournalismus genannt. Tritt KI möglicherweise genau deshalb in fiktionalen Filmen gerne in Roboterform auf? – Es gibt relativ liebenswerte Menschmaschinen wie C-3PO in „Star Wars“ – aber eben auch furchteinflößende wie den „Terminator“. Mit der einst von Arnold Schwarzenegger dargestellten künstlichen Intelligenz wartete denn auch Professorin Annette Leßmöllmann vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) auf, als sie die Grundsatzfrage stellte: „Ist solch superintelligente KI für Menschen noch beherrschbar?“ Ihre Antwort lautete „Nein“. Das habe eine internationale Forscher*innen-Gruppe herausgefunden, unter anderem von der Max-Planck-Gesellschaft.

Dennoch müsse man keine Sorge haben, dass KI bald die Macht übernehme; dass der Weltuntergang nahe sei, beruhigte Prof. Leßmöllmann. Gerade weil die Gesellschaft eine gewisse Scheu habe vor der „Black Box KI, in die man nicht reinsehen kann“, sei es sehr wichtig, dass die Wissenschaft „transparent macht, wie man mit dieser Black Box kommuniziert“.

Gute und schlechte Anwendungen

Womit sich die Frage einer zuhörenden Journalistin geradezu aufdrängte: „Wer soll bei KI die journalistischen Wertvorstellungen durchsetzen?“ Die passende Antwort gab die Tübinger Professorin Ulrike von Luxburg: „Einen anderen Journalismus entgegensetzen. Denn für KI gibt es gute und schlechte Anwendungen.“ Letztere seien zum Beispiel selbstlernende Waffensysteme. Gute KI sind für die Computerwissenschaftlerin dagegen solche, bei der die Algorithmen Bilder malen oder Gesprochenes wie Podcasts immer besser automatisch in Text übertragen, ja sogar noch in zig Sprachen übersetzen.

Im Journalismus könne KI Nachrichten filtern, direkte Zitate aus dem Archiv generieren, Zusammenfassungen produzieren, Nutzerkommentare auf Plattformen sortieren. Es gebe für viele Anwendungen „durch Fachleute sehr leicht anpassbare Systeme“, stellte Meik Bittkowski vom Science Media Center SMC Heidelberg heraus.

Professorin Christina Elmer vom Lehrstuhl für Datenjournalismus an der TU Dortmund nannte als Einsatzbereiche von KI im Journalismus ganz allgemein Recherche, Produktion, Distribution. Weltweit erstmals deutlich sichtbar wurde eine KI-Recherche bei den so genannten Panama Papers. Bei dieser investigativen Recherche konnte KI ihre Fähigkeit ausspielen, in umfangreichen Quellen zu wühlen und beispielsweise Verbindungen sichtbar machen. „Neue Perspektiven werden möglich“, so Prof. Elmer.

Maik Bittkowski sagt voraus, dass KI gerade in der Distribution eine immer größere Rolle spielen werde: „Man kann aus den gleichen Blöcken ganz verschiedene Beiträge produzieren, Content-Elemente wie Bausteine neu zusammenstellen und verschiedenen Nutzern persönlich darreichen. Ein Bild kann zum Ton, ein Ton kann zum Text werden. Oder man kann aus Medizininformationen automatisiert Comics erzeugen“, zum Beispiel für Teenager, die lieber bunte Filmchen schauen als Texte lesen.

Doch egal, ob KI für Journalismus, für Auswertungen von Kreditanträgen oder im selbstfahrenden Auto eingesetzt wird und selbst dazulernt: Voraussetzung ist, dass das so genannte Bias möglichst „fair“ arbeitet und entsprechend angepasst wird. Denn mit dieser Grundeinstellung muss der Algorithmus „Wissen aus Datensätzen extrahieren, die meist nicht für diesen Zweck erhoben wurden“, wie Prof. Ulrike von Luxburg aufklärt. Dafür suche der Algorithmus im „Raum der vorgegebenen Funktionen den aus, der die Trainingsdaten am besten beschreibt.“ Doch die KI als Black Box sei eben intransparent: „Ich könnte nicht vorhersagen, was der Algorithmus als Ergebnis produziert.“ Deshalb muss sogar die erfahrene KI-Professorin Luxburg zugeben: Selbst wenn der Algorithmus Erklärungen für das Ergebnis liefere, könnten diese manipuliert, also nicht unbedingt verlässlich sein. Deshalb wartet auch sie wie wohl alle KI-Interessierten gespannt auf eine Regulierung der EU. Doch bis die kommt, wird noch einige Zeit ins Land gehen. Bis dahin gilt die Macht des Faktischen.

Kommentar: Man könnte es wohl als Ironie bezeichnen, dass ausgerechnet die Homepage „Machine Learning for Science“ des Exzellenzclusters Maschinelles Lernen an der Uni Tübingen keine Suchfunktion aufweist, nicht einmal eine unintelligente. So muss man sich durchscrollen durch Dutzende interessanter Artikel zum Thema Künstliche Intelligenz (KI). Aber vielleicht soll das einfach die menschliche Intelligenz fordern? Motto: Lange selbst suchen, lässt das Hirn nicht einschlafen. KI dagegen schläft ohnehin nie.

Journalists in Residence gesucht

Für die nächsten vier Jahre hat das „Cyber Valley“ des Max-Planck-Instituts ein Programm aufgelegt für Kolleg*innen, die auf verschiedene Art und Weise der Künstlichen Intelligenz (KI) näherkommen wollen. Drei bis sechs Monate Zeit haben die Journalists in Residence, um „zu einer selbst gewählten Fragestellung im Austausch mit KI-Forschenden unterschiedlicher Disziplinen zu recherchieren“. Notwendig ist ein zweiseitiges Ideenpapier mit der Darstellung, „welche journalistische Herausforderung während des Aufenthalts mit Blick auf das Thema KI oder mithilfe von KI gelöst werden soll“. Gerade Umwelt- und Klimajournalist*innen könnten hier einen guten Ansatz finden, heißt es auf Nachfrage von der auslobenden Organisation, aber auch: „Was Sie als Fragestellung vorschlagen, ist ganz offen.“ Im März werde eine Jury die Auswahl der diesjährigen Resident*innen treffen. Sie bekommen Wohnung und Büroraum gestellt, dazu Mittel für Reisen und Veranstaltungen sowie eine 75-prozentige Anstellung per Werkvertrag nach den Bedingungen des Öffentlichen Dienstes.

Für 2022 werden noch zwei Kolleg*innen gesucht. Bis zum 15. Februar ist eine Bewerbung möglich. Der Bewerbungsflyer steht hier zum Download bereit.

Die erste Residenz-Journalistin war übrigens die frühere Stellvertretende Entwicklungschefin des „Spiegel“, Christina Elmer. Inzwischen ist sie Deutschlands erste Professorin für Datenjournalismus an der TU Dortmund.

 

 

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