Für mehr Rendite

Handelsblatt-Verlag und Rheinische Post beim Stellenabbau

Die Entlassungswelle in den Zeitungsverlagen rollt weiter. 65 Arbeitsplätze sollen bei der Rheinischen Post in Düsseldorf abgebaut werden, etwa 130 bei der Handelsblatt-Gruppe an den Standorten Düsseldorf und Frankfurt / Main. Mitarbeiter und Betriebs­räte wurden von den Ankündigungen überrascht, in außerordentlichen Betriebsversammlungen äußerten sie Zorn und Empörung, direkter im Ton beim Regionalblatt, etwas distinguierter bei den Wirtschafts­jour­nalisten.

Größere Umstrukturierungen stehen in der Düsseldorfer Handelsblatt-Gruppe bevor, in der Handelsblatt und Wirtschaftswoche erscheinen und wo vor kurzem die Geschäftsführung ausgewechselt wurde. Die Informatik-Abteilung soll ausgelagert und unter das Dach der übergeordneten Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck gestellt werden. Der Düsseldorfer Fachverlag wird ausgegliedert, soll aber Holtzbrinck-Tochter bleiben. Die Abteilung Unternehmenskommunikation wird ganz gestrichen, die Online-Redaktion wieder der Print-Redaktion angegliedert. Ziel der von Aufsichtsrat und Geschäftsführung gestarte­ten Abbau-Aktion: Sechs Millionen Kos­ten einsparen und eine zweistellige Rendite.
Derzeit ist die Rendite aber nur einstellig. Dafür sorgen offenbar rote Zahlen in der Handelsblatt-Gruppe. „Die Lage ist definitiv ernst“, sagt ein Mitglied des Betriebsrats, der sich allerdings von der Unternehmensleitung über die Jahre mit schönfärberischen Zahlen getäuscht sieht. Für ver.di ist bisher noch nicht so ganz klar, ob es das ökonomische Problem, mit dem die Entlassungen gerechtfertig werden, überhaupt gibt. „Die Sachlage ist undurchsichtig“, sagt Linda Krolage von ver.di, „weil man sich hier immer streng auf den Tendenzschutz beruft.“

Stärkere Arbeitsbelastung

Anfang Oktober sind jedenfalls noch die meisten Fragen offen. In welchen Unternehmensbereichen die 130 Stellen gestrichen werden, ist noch nicht klar. Betriebsräte befürchten, dass auch Redakteursstellen davon betroffen sein werden. Mitglieder des Betriebsrates gehen davon aus, „dass die Konsequenzen für die Zurückbleibenden stärker sein werden als nach der letzten Entlassungswelle.“ Sie sehen noch stärkere Belastungen voraus. So arbeiten Redakteure der Wirtschaftswoche schon jetzt rotierend an der Online- Aus­gabe, ohne dass zusätzliche Stellen geschaffen worden wären. 2003 wurden bei der Handelsblatt-Gruppe 175 Arbeitsplätze abgebaut, von der Geschäftsleitung verbrämt mit der Aussage, damit seien die restlichen Arbeitsplätze gesichert.
Ganz ähnlich sind die Argumente auch bei der Rheinischen Post. Dennoch erleben die Mitarbeiter hier nunmehr schon die dritte Entlassungswelle. 2001 wurden bei der Verlagsgruppe 100 und im Jahr darauf 102 Arbeitsplätze abgebaut. Diesmal sollen es 65 Arbeitsplätze sein. Etwa zehn Prozent der Belegschaft sind betroffen. Die verlagseigenen „Service-Center“, die das Anzeigen- und Vertriebsgeschäft koordinieren, werden ganz abgeschafft, statt dessen will der Verlag künftig externe Dienstleistungen einkaufen. Die Redaktion Beilagen und Archiv wird ersatzlos eingestellt, zehn Stellen stehen auf der Kippe. „Man kann davon ausgehen“, schätzt Linda Krolage die Situation ein, „dass nicht rote Zahlen der Grund sind, sondern dass es sich um eine Vorratskündigung handelt“. Zunächst wird die wirtschaftliche Lage im Auftrag des Betriebsrats von einem Sachverständigen geprüft.

Schädlich für die Zeitung

Das alles geschieht, obwohl sich die wirtschaftliche Lage der Verlage seit 2001 insgesamt wieder verbessert hat. Das schützt die Mitarbeiter aber offenbar nicht vor Arbeitsplatzverlust. Nach Ansicht von Horst Röper vom Dortmunder Forschungsinstitut Formatt möchten die Verlage gern wieder zu den höheren Renditen zurück, die sie in den neunziger Jahren erzielten. Aber es fehlen die Einnahmen; der Einbruch beim Anzeigengeschäft ist nicht aufgefangen worden. Gespart werde also an den Kosten, was nach Ansicht von Horst Röper „ziemlich risikoreich ist“. Wenn allein aus wirtschaftlichen Gründen Geschäftsstellen geschlossen und Dienstleistungen eingeschränkt würden, schade das den Zeitungen; sie würden dann immer mehr an Bedeutung verlieren.
Auch die Frankfurter Rundschau, der Verlag Neven DuMont und der Springer-Verlag haben Stellenabbau angekündigt. So sollen bei der FR weitere 200 Stellen wegfallen. Und das nachdem in den letzten vier Jahren das Personal bereits von 1650 auf rund 720 geschrumpft ist. Das sind jedoch nur die spektakulären Fälle, die öffentlich wahrgenommen werden. Horst Röper verweist darauf, dass der schleichende Personalabbau vor allem bei den kleinen Verlagen und Zeitungen weitergehe. „In der Summe sieht es bei den regionalen noch dramatischer aus als bei den überregionalen Unternehmen.“ Ende September hat zum Beispiel mit der „Buerschen Zeitung“ in Gelsenkirchen-Buer die letzte Stadtteilzeitung Deutschlands ihr Erscheinen eingestellt. 20 Arbeitsplätze gingen verloren.

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