Funkhaus Europa bald nur noch auf Sparflamme?

Geht es nach den Verantwortlichen beim WDR, soll das Angebot des internationalen und multikulturellen Radiosenders Funkhaus Europa drastisch zusammengekürzt werden. Im Visier der Sparpläne stehen vor allem die Muttersprachen-Sendungen wie das türkische „Köln Radyosu“ oder das griechische „Radiopolis“. Durch eine Kürzung der Sendezeiten um 50% und eine Neustrukturierung des Programms will der Sender nach Angaben von WDR-Hörfunkdirektorin Valérie Weber in diesem Jahr eine halbe Million Euro einsparen. Gegen den Sparkurs des WDR bei Funkhaus Europa wurden nun verschiedene Petitionen gestartet.


„14 Sprachen hört Ihr jede Woche – denn wir leben Vielfalt“, heißt es auf der Website von Funkhaus Europa. Das könnte sich bald ändern. Die von WDR-Hörfunkdirektorin Valérie Weber lancierte Programmreform sieht massive Kürzungen bei den fremdsprachlichen Programmen vor. Insgesamt soll deren Sendezeit von bisher 32 auf dann 18 Stunden pro Woche reduziert werden. Am stärksten betroffen ist das türkische „Köln Radyosu“, welches von acht auf zweieinhalb Sendestunden pro Wochen zusammenschrumpfen soll. Wie Weber gegenüber dem „Kölner Stadtanzeiger“ in einem Interview sagte, sollen die muttersprachlichen Programme zudem künftig um 18 Uhr nur als Stream im Netz und erst zwischen 20 und 23 Uhr im Radio zu hören sein.
Laut David Jacobs von ver.di WDR würden Muttersprachen-Sendungen nach 20 Uhr allerdings deutlich schlechter gehört als es ab 18 Uhr der Fall sei. Für die relevante Zielgruppe seien Webstreams auch kein adäquater Ersatz. „Die Kolleg_innen in den Muttersprachen befürchten, dass dies eine weitere Scheibe der Salamitaktik ist, auf dem Weg zu kompletten Abschaffung dieser Sendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Gleichzeitig verliert der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit jeder Streichung von Minderheiten-Programmen an Alleinstellungsmerkmalen gegenüber privaten Rundfunkanbietern“, warnt Jacobs.
Hinzu käme noch, dass Muttersprachen-Sendungen eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe erfüllen würden, da sie für die hier lebenden Menschen aktuell noch eine seriöse Alternative zu den Programmen in den entsprechenden Heimatländern darstellten. So stünde die Türkei auf Platz 149 der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen: „Welche seriösen Quellen bleiben den hier lebenden Türken denn noch ohne „Köln Radyosu“? Der Privatsender „metropol fm“ (soll bald auch in NRW starten) zum Beispiel setzt eher auf ein musikreiches Programm. Wortlastige Programme, die gut recherchiert sind, sind nun mal teurer und für private Sender kaum erschwinglich“, so Jacobs.

 

Nachdem der WDR-Programmausschuss die Reform gestern bereits durch gewunken hat, wird sie nun am 7. März dem Rundfunkrat zur Diskussion vorgelegt. Bis dahin soll versucht werden, mit verschiedenen Petitionen für den Erhalt im Status Quo der Muttersprachensendungen auf Funkhaus Europa zu mobilisieren. Die Petition von „Köln Radyosu“ ist bereits auf change.org gestartet. Für die nächste Woche plant auch das italienische Programm „Radio Colonia“ einen öffentlichen Aufruf. Darüber hinaus hat nun der Landesintegrationsrat Nordrhein-Westfalen eine Petition an den WDR-Rundfunkrat gestartet, in der vor dem Hintergrund der Abstimmung am 7. März die Rücknahme der geplanten Kürzungen der muttersprachlichen Sendungen gefordert wird. Die Petition auf openPetition kann hier unterstützt werden.

***Aktualisiert am 02.03.2016***

Weitere aktuelle Beiträge

Proteste bei TiKTok in Berlin

Rund 150 Beschäftigten der Trust and Safety-Abteilung (Content-Moderation) von TiKTok und einem Teil der Beschäftigten aus dem Bereich TikTok-Live (rund 15 Beschäftigte) in Berlin droht die Kündigung. Das  chinesische Unternehmen plant die Content-Moderation künftig verstärkt durch Large-Language-Models (Künstliche Intelligenz) ausführen zu lassen und die Arbeit an andere Dienstleister auszulagern. Dagegen protestierten heute vor der TikTok-Zentrale in Berlin Beschäftigte und Unterstützer*innen.
mehr »

Drei Fragen zum Streik der SZ

In den beiden Wochen vor der zehnten Tarifrunde mit dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) am 18. Juli erhöht die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) mit den Redakteur*innen in den Zeitungsredaktionen bundesweit den Streikdruck. Besonders im Süden der Republik kommt es zu mehrtägigen, spürbaren Streiks. Auch bei der Süddeutschen Zeitung (SZ) wird seit gestern wieder gestreikt. Wir sprachen mit Ertunç Eren, ver.di-Fachsekretär Medien, Bezirk im München.
mehr »

Der Clickbait mit den miesen Botschaften

„Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler“, nach diesem Motto bewertete einst Helmut Thoma, der kürzlich verstorbene ehemalige RTL-Chef, den Erfolg von Programmformaten. Dieses für private Sender typische Prinzip findet inzwischen seine Fortsetzung in immer mehr digitalen Nachrichtenportalen. Das untermauert eine Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (MPIB) in Berlin nach der Auswertung von 40 Millionen Schlagzeilen.
mehr »

Halbzeit bei der UEFA Frauen-EM

UEFA-Women’s Euro 2025 heißt das Turnier nach dem Willen des Europäischen Fußballverbands. Bei den Männern wird auf die geschlechtsspezifische Eingrenzung verzichtet. Möglichweise ein Relikt aus den Zeiten, als das Kicken selbstverständlich eine maskuline Sportart war, vermeintlich ungeeignet für die „zarte Weiblichkeit“. 
mehr »