Hamburger Medien-Eintopf – es brodelt und blubbert

Die viertel „Zeit“ nach Berlin – Premiere ganz weg – deutsche „Financial Times“ da – Unsicherheit bei der Mopo

„Die Zeit“

Vor gut einem Jahr bekam die „Zeit“ ein neues Layout, nun steht die nächste Änderung ins Haus: Ab 12. Mai wird die Tiefdruckbeilage „Zeit-Magazin“ durch einen 24-seitigen Farbteil im Zeitungsformat ersetzt. Das bisherige Ressort „Modernes Leben“ verschmilzt mit der eigenständigen Redaktion des Magazins zum Ressort „Leben“ mit Sitz in Berlin. Mit einer Mischung aus „harten und weichen Themen“ will man nach den Worten von Chefredakteur Roger de Weck neue und vor allem junge Leser aus dem Umfeld von Universitäten gewinnen.

Entwickelt wurde „Leben“ von Andreas Lebert, der unter anderem stellvertretender Chefredakteur des „Stern“ war und maßgeblich an der Entwicklung des Magazins der „Süddeutschen Zeitung“ mitgewirkt hat. Bis zum Jahresende wird Lebert der 17-köpfigen Redaktion vorstehen und „Hebammendienste“ leisten. Derzeit ist man auf der Suche nach einem Nachfolger. Insgesamt wird die „Zeit“ mit 25 Redakteurinnen und Redakteuren in Berlin vertreten sein – das ist ein gutes Viertel der Hamburger Redaktion. Weil das neue Produkt mehr sein soll als nur die „Fusion von zwei Ressorts“, so de Weck, sei das neue Umfeld programmatisch: „In der Hauptstadt entsteht journalistischer Humus, dort pulsiert das Leben, das wollen wir an unsere Leserinnen und Leser weitergeben.“

Die gänzliche Umstellung auf Farbe schloß de Weck zumindest für die nächste Zeit aus. Journalismus lebe von Veränderung, sagte er, rein äußerlich werde sich die „Zeit“ aber nur noch „im homöopathischen Bereich“ verändern. Auch stehe der Standort Hamburg nicht zur Disposition. Die zwei Standorte könne man sich auch deshalb leisten, weil durch Online-Kommunikation der Kontakt praktisch wie „von Zimmer zu Zimmer“ möglich ist, sagte der in letzter Zeit nicht unumstrittene Chefredakteur. Daß das Konzept an der Redaktion vorbei entwickelt wurde, wird de Weck übelgenommen. Doch nach anfänglicher Skepsis habe die Redaktion die Entscheidung mittlerweile akzeptiert. Dazu meinte de Weck, eine Redaktion ohne Streit sei langweilig. Einige Redakteure seien in den Vorruhestand gegangen und für andere habe man „großzügige Lösungen“ gefunden.

Premiere

Mitte März wurde bekannt, daß sich CTL-Ufa – eine 50-prozentige Bertelsmann-Tochter – von ihrem 37,5 Prozent-Anteil von Premiere trennt und Leo Kirch als Käufer bereitsteht. Gleichzeitig verlautete, daß der Pay-TV-Sender von Hamburg nach München zieht. Der Betriebsrat befürchtete, daß von den 950 Arbeitsplätzen 600 unmittelbar in Gefahr seien.

Der Deal ist mittlerweile unter Dach und Fach und auch vom Bundeskartellamt genehmigt. Bis auf einen Rest von fünf Prozent – die bleiben bei CTL-Ufa – gehört Premiere jetzt zum Kirch-Imperium. Mit den Töchtern BetaResearch und BetaDigital sowie als Eigentümer von DF 1 kontrolliert der „Filmehändler“ jetzt den Markt des Abo-Fernsehens. In Hamburg befinden sich Betriebsrat und Geschäftsleitung in Interessenausgleichsverhandlungen, die Beschäftigten werden von der IG Medien beraten. So versucht die Gewerkschaft zum Beispiel, über politische Kontakte Möglichkeiten von Anschubfinanzierungen für diejenigen auszuloten, die in die Selbstständigkeit gehen wollen.

Derweil droht der Hamburger Medienlandschaft im AV-Bereich ein kleiner Exodus: Der Musiksender MTV will ebenfalls nach München. Sat1 holt die „ran“-Sportredaktion (60 Beschäftigte) von der Elbe an die Spree und RTL2 seine Nachrichtenredaktion zum Stammsitz nach Köln. Wieviele Arbeitsplätze direkt von dieser Wanderbewegung betroffen sind, vermag niemand so genau zu sagen, da jede Menge freie Kolleginnen und Kollegen sowohl technisch wie journalistisch den Sendern zuarbeiten. Zwar prahlt der Axel-Springer-Verlag damit, daß er mit der Infoshow „Newsmaker“ (wöchentlich auf Sat1) 40 feste Arbeitsplätze geschaffen habe und zudem 40 Freie beschäftige. Keinesfalls sind dies „neue“, sondern höchstens substituierte Arbeitsplätze.

„Financial Times“

Die Verträge zwischen der englischen Pearson-Gruppe und dem Verlag Gruner + Jahr (G+J) sind perfekt: Die deutsche „Financial Times“ (siehe „M“ 3/1999) soll spätestens Anfang 2000 auf den Markt kommen. Redaktionen soll es in Hamburg, Berlin und Frankfurt geben. Dafür werden zwischen 130 und 150 Redakteurinnen und Redakteure gesucht. Wie aus dem Umfeld des zukünftigen Chefredakteurs Andrew Gowers zu vernehmen ist, gestaltet sich die Suche schwierig: Zwar habe man schon „eine Menge guter Leute“ eingekauft. Da aber nur Jahresverträge angeboten werden, sind noch zu wenige bereit, aus einer Redaktion der Wirtschaftsmaganzine oder aus den Ressorts der Tages- und Wochenpresse auszusteigen. Das Investitionsvolumen – ein gleichberechtigte Joint Venture der beiden Verlage – beläuft sich auf 170 bis 180 Millionen Mark. Wie das englische Original soll auf blaßrosa Papier gedruckt werden. Pearson-Chefin Marjorie Scardino sagte unlängst in einem „Spiegel“-Interview, sie habe „großen Respekt“ vor dem „Handelsblatt“-Verleger Dieter von Holtzbrinck; doch das Pearson-Produkt werde „etwas völlig neues“ sein: „Eine moderne deutsche Zeitung mit viel stärkerem internationalem Akzent.“


  • Zusammengerührt von Susanne Fröhlich
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